Die Wiege des GoldPferdes
Reitsport Werner Bergmann arbeitet seit fast fünf Jahrzehnten mit Pferden. Er habe ein Auge für junge Pferde, sagt der gebürtige Norddeutsche, der 2009 in Obergammenried gelandet ist. Das beweisen jüngst zwei Goldmedaillen in Tokio
In Tokio gewann Dressurpferd Dalera zwei Goldmedaillen. Ausgebildet wurde das talentierte Pferd von Werner Bergmann in Obergammenried.
Bad Wörishofen Den Gold-Ritt hat Werner Bergmann gar nicht live im Fernsehen gesehen. Die Zeitverschiebung zwischen Tokio, wo derzeit die Olympischen Sommerspiele stattfinden, und Obergammenried bei Bad Wörishofen machte es unmöglich, dass Bergmann den Dressur-Wettbewerb verfolgen konnte. „Zu der Zeit war ich schon hier, um mich um die Pferde zu kümmern“, sagt der 65-Jährige und zeigt auf die weitläufige Reitanlage hinter ihm.
Außerdem, so Bergmann, wusste er ja, was Dalera kann. So heißt das Pferd, eine 14-jährige TrakehnerStute, das mit Reiterin Jessica von Bredow-Werndl vergangene Woche die Goldmedaille im Einzel und mit der Mannschaft gewann. Bergmann nämlich war es, der Dalera einst entdeckte und in Obergammenried sieben Jahre lang ausbildete. „Ein ehemaliger Schüler sagte mir damals, dass er in seinem Stall ein Pferd hat, das ich mir ansehen sollte. Die Züchterin wollte es verkaufen“2011 war das. Der Pferdewirtschaftsmeister Bergmann kam, sah – und kaufte Dalera vom Fleck weg. „Es hat keine fünf Minuten gedauert, dann gehörte sie mir“, sagt Bergmann und lächelt.
Man habe gleich sehen können, dass es sich bei Dalera um ein großes Talent für den Dressur-Sport handelte. „Diese Geschmeidigkeit, diese Leichtigkeit des Seins, das Federn“, schwärmt Bergmann. Er hatte also ein neues Projekt, an dem er arbeiten konnte. Drei Jahre lang widmete sich der Trainer der Dressur-Ausbildung von Dalera. Dann verkaufte er die nunmehr siebenjährige Stute an Beatrice Bürchler-Keller in die Schweiz. Sie ist schon seit Längerem Sponsorin der deutschen Dressurreiterin Jessica von BredowWerndl und stellte ihr Dalera zur Verfügung.
Diese Verbindung passte perfekt. Die Kommentatoren waren sich beim Gold-Ritt von Tokio einig: Wie eine gegenseitige Liebeserklärung zwischen Reiter und Pferd sei die Darbietung der beiden gewesen. „Ich habe mir die Ritte am Abend im Internet noch einmal angesehen“, sagt Bergmann. „Das war sensationell, wie aus einem Guss“, sagt auch er. „Die Jessica saß wie eine Puppe auf dem Pferd, das lief alles wie eine Maschine.“Tags darauf stand das Telefon bei Bergmann, der mit seiner zweiten Ehefrau in Buchloe lebt, nicht mehr still. „Es kamen Glückwünsche aus aller Welt“, erzählt er und lehnt sich zufrieden auf der Holzbank vor den Pferdeställen zurück.
Ähnliches hat Bergmann bereits einmal erlebt. Denn lange vor Dalera hatte er schon einmal ein späteres Gold-Pferd entdeckt. Mitte der 1980er Jahre kaufte er sich den dreijährigen Wallach Farbenfroh. Dem damaligen Dressur-Bundestrainer Klaus Balkenhol habe er am Telefon gesagt: „Klaus, ich habe hier den nächsten Olympiasieger.“Drei Jahre bildete Bergmann Farbenfroh aus, verkaufte ihn 1992 an eine gewisse Nadine Capellmann, die mit Farbenfroh 2000 in Sydney mit der deutschen Dressur-Mannschaft die Goldmedaille gewann und zwei Jahre später Einzel- und Mannschaftsweltmeisterin wurde. „Ich habe ein Auge für junge Pferde.“Und ein Händchen für das Training. Denn: „Als Champion wird man nicht geboren. Dazu gehört eine Menge Arbeit. Das Pferd muss lernwillig sein und ich muss es so ausbilden, dass es später auch einen anderen Reiter sofort akzeptiert.“
Bergmanns eigener Werdegang gleicht einem einzigen Roadtrip. In Steinfeld (Niedersachsen) wuchs Werner Bergmann als Sohn eines Landwirts auf und verdiente sein erstes Taschengeld als Ponyführer auf dem Ponyhof in der Nachbarschaft. Dort lernte er auch das Reiten, was ihn nicht mehr los ließ. Als er seinen Hauptschulabschluss in der Tasche hatte, machte er an der damaligen Landesreit- und Fahrschule im rund 20 Kilometer entfernten Vechta seine Ausbildung zum Pferdewirt.
Die Zwischenprüfung für die Bereiterlaufbahn legte er als Bester seines Jahrgangs ab – und bekam prompt vom Leiter der Deutschen Reitschule in Warendorf (Nordrhein-Westfalen) das Angebot, eine Lehre als Bereiter zu machen. „Das habe ich sofort angenommen, ohne lange zu überlegen“, erinnert sich Bergmann. Zwei Jahre später legte er seine Gesellenprüfung erfolgreich ab. Von da an machte sich der 18-Jährige auf, die Reiterlandschaft zu erkunden. Mettmann, Braubach, Castrop-Rauxel, Oelde – Bergmann wechselte immer wieder zwischen Ställen und Gestüten in RheinlandPfalz oder Nordrhein-Westfalen. „Es ist wie beim Fußball. Irgendwann braucht es einen neuen Trainer, ein neues Gesicht“, sagt er. Für die Familie war es nicht immer leicht, seine erste Ehe scheiterte schließlich.
1988 meldete sich dann der Reitstall Moksel in Buchloe bei ihm. „Dort wollte man die Dressurabteilung wieder aufleben lassen“, so Bergmann. Er hatte sich mittlerweile als Trainer und Bereiter einen Namen in der Szene gemacht. „Schon bei der Einfahrt nach Buchloe wusste ich: Das wird was.“Vier Jahre blieb er und lernte dort seine zweite Frau kennen. Als dann 1989 jedoch Springreiter Ludger Beerbaum ebenfalls im Moksel-Stall anheuerte, verschob sich das Gewicht hin zu den Springreitern. „Die Dressur kippte nach hinten“, so Bergmann, der sich prompt wieder veränderte.
In der Eifelstadt Mayen sollte er den Besitzer eines Reitstalles zum Europameister machen. Da habe Bergmann geantwortet: „Wenn Sie mich wollen, dann müssen Sie Gras fressen lernen“, sagt er. Preußische Disziplin, immer gerade heraus – so charakterisiert sich Bergmann. „Man muss beide trainieren: das Pferd und den Reiter. Ohne Wenn und Aber.“Er sei jedoch kein Trainer, der mit Kommisston regiert. „Ich fordere meine Schüler schon, auch mit Nachdruck, wenn es sein muss. Aber auch immer lobend, motivierend. Das Menschliche darf man in dem Beruf nie verlieren“, sagt Bergmann, der seine Karriere langsam ausklingen lassen will. Zwei, vielleicht drei Jahre will der mittlerweile vierfache Opa in diesem Umfang in Obergammenried noch arbeiten.
Von den rund 50 Pferden, die auf dem Reiterhof stehen, gehören fünf Werner Bergmann. „Das sind die letzten, auf die ich selber noch draufsteige“, sagt er lachend. Eines davon, eine Tochter des berühmten Totilas, hat einen Namen, der womöglich noch eine Medaille verspricht: Die oder Keine.