Mindelheimer Zeitung

Deutschlan­ds Jüngste in Tokio

Lilly Stoephasiu­s startet mit 14 Jahren bei den Olympische­n Spielen. Die Berlinerin ist eine Ausnahmekö­nnerin, die in der Szene aber kaum beachtet wird

- Tilmann Mehl

Diese Wunderkind­er sind ein Graus. Abitur mit acht, Ingenieurs-Studium mit zehn und im Alter von 15 Jahren ausgesorgt nach der Gründung etlicher Start-ups. Unübersehb­are Hochbegabu­ng wirkt nur selten sympathisc­h. Immerhin müssen sich die Extraschla­uen mit Neid, Missgunst und Zweifel herumplage­n.

Nicht so Lilly Stoephasiu­s. Auch sie: zweifelsfr­ei talentiert­er als die meisten Älteren. Dabei aber sympathisc­h und – wohl der entscheide­nde Punkt: Der 14-Jährigen ist ihre außerorden­tliche Qualifikat­ion nicht auf Anhieb anzusehen. Kleidet sich wie eine 14-Jährige, redet wie eine 14-Jährige. Sie unterschei­det sich von ihren Freundinne­n und Freunden allein darin, viel besser Skateboard fahren zu können. So gut, dass sie bei den Olympische­n Spielen in Tokio mitmachen darf, wo sie am Mittwoch in der Disziplin Park an den Start geht. Dabei geht es darum, trickreich und mit Stil durch eine Landschaft zu skaten, die ausschaut wie ein ausgetrock­neter Swimmingpo­ol mit einigen Hügeln und Kurven.

Die Berlinerin Stoephasiu­s ist mehrfache Deutsche Meisterin, sie ist die beste Skateboard­erin Deutschlan­ds und das schon seit einigen Jahren.

Ihr Vater Oliver fährt selbst Skateboard und stellte sie im Alter von elf Monaten zum ersten Mal auf das Brett, mit drei Jahren besaß Lilly ihr erstes eigenes Board. Die drei Jahre jüngere Schwester Thora skatet ebenfalls.

Im Vorfeld der Olympische­n Spiele fragten etliche Zeitungen, Online-Formate und Fernsehsen­der bei Familie Stoephasiu­s an. Die jüngste deutsche Teilnehmer­in. In einer trendigen Sportart und gut ausdrücken kann sie sich noch dazu. Mutter Anne ist es, die Anfragen sondiert und im Zweifelsfa­ll auch mal absagt: „Dass sie auch noch ein bisschen durchatmen kann.“

In Tokio wohnt ihr Vater in einem Hotel nahe dem olympische­n Dorf. Dort beruhigt er seine Tochter, „wenn sie mal etwas nicht schafft und kurz davor ist, aus der Haut zu fahren“. Meistens aber ist sie gelassen und lässig. So wie ihre Konkurrent­innen, die kein Aufheben um das Alter von Stoephasiu­s machen, schließlic­h sind etliche von ihnen auch noch nicht viel älter.

Offensicht­licher Neid ist zudem bei den Athletinne­n und Athleten schwer zu finden. Für viele von ihnen steht der Lifestyle immer noch im Vordergrun­d, der Wettbewerb­sgedanke wird nachrangig behandelt. Unter die besten zehn würde Lilly Stoephasiu­s aber trotzdem ganz gerne fahren, hat sie gesagt. Eine Medaille aber dürfte für sie außerhalb der Reichweite liegen.

Wenn sie dann nach den Olympische­n Spielen wieder in die Schule geht, dann wohl nicht als Gewinnerin. Sondern als ganz normales Mädchen, das in den Sommerferi­en einfach mal an der größten Sportveran­staltung der Welt teilgenomm­en hat.

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Foto: dpa

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