Ein Trümmerhaufen
Bundestagswahl In der Union wächst die Sorge, dass Armin Laschet im Wahlkampf nicht genug Engagement zeigt. Die Umfragen verheißen nichts Gutes. Was für ihn viel schwerwiegender ist: Sein Ansehen bei den Bürgern wackelt
Berlin Es war zwar nicht der ersehnte Befreiungsschlag im Bundestagswahlkampf, aber im stressgeplagten Unionslager wurden die Äußerungen von Armin Laschet mit einem Anflug von Erleichterung aufgenommen. Der CDU-Vorsitzende und Spitzenkandidat hatte sich in der Bild dafür ausgesprochen, Straffällige auch weiterhin nach Afghanistan abzuschieben. Endlich klare Kante, endlich ein Thema, in dem sich viele Stammwähler wiederfinden konnten. Laschet als Law-andorder-Mann, das wäre so ein Profil, mit dem er sich absetzen könnte von seinen Konkurrenten Annalena Baerbock von den Grünen und dem Sozialdemokraten Olaf Scholz.
Andererseits wissen die Strategen bei CDU und CSU auch, dass Afghanistan als Thema nicht lange trägt und schon gar nicht den erhofften Zuwachs in den Umfragen bringen wird. Da müsste mehr kommen, doch „das, was der Armin liefert, ist einfach nur lasch“, sagt ein christsozialer Abgeordneter, der damit die Stimmung im gesamten Unionslager offenbar ganz gut auf den Punkt bringt.
Bei der CDU ist die Sehnsucht nach mehr Laschet-Power ebenfalls groß. „Die Wahlkampfmaschine muss jetzt anspringen“, fordert eine christdemokratische Spitzenpolitikerin vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass die Bundestagswahl 2021 anderen Regeln unterliegt als alle Wahlen davor. Wegen der Corona-Pandemie rechnen Wahlkampfstrategen wie CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit einer historisch hohen Zahl an Briefwählerinnen und Briefwählern. Die Konsequenz daraus: Die Hochphase des Wahlkampfs beginnt für die CDU bereits mit dem Zeitpunkt, an dem üblicherweise die Briefwahlunterlagen verschickt werden – sechs Wochen vor dem Wahltermin am 26. September. Und nicht erst, wie früher, in den letzten Tagen davor.
Dem Kanzlerkandidaten blieben demnach nur noch wenige Tage, um die nächsten Stufen der Wahlkampf-Rakete zu zünden und sich in den Beliebtheitswerten wieder an die Spitze zu setzen. Da sieht es für Laschet im Moment nicht gut aus. Könnte der Kanzler oder die Kanzlerin direkt gewählt werden, käme der Aachener nach Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Insa auf nur 13 Prozent Zustimmung – zwei Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Besonders bitter für den 60-Jährigen: Scholz legte um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Baerbock hingegen kommt wie Laschet in der Umfrage auf 13 Prozent.
Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass die Mehrheit der Wahlberechtigten weder die Kandidatin noch die Kandidaten für fähig hält, das Land die nächsten vier Jahre zu regieren. Außerdem werden in Deutschland Parteien gewählt, nicht der Kanzler oder die Kanzlerin.
Doch der Blick auf die Umfragewerte für CDU und CSU trägt nicht dazu bei, die Gemüter im Unionslager zu beruhigen. Werte um die 27 Prozent stehen da gerade in den Tabellen, das ist meilenweit entfernt von den 40 Prozent Zustimmung, über die sich die Union Anfang August 2017 freuen konnte.
Das macht auch die CSU zunehmend nervös. Nach Einschätzung von CSU-Chef Markus Söder ist Armin Laschet an den schlechten Umfragewerten schuld. Seine Sorge sei, dass der „seltsame Wahlkampf“weiter dahinplätschere und die Union am Ende nicht stark genug sei, um die neue Regierung zu führen. Söder handelt aus Kalkül. Der CSUChef baut für den Fall vor, dass es am Ende für die Union nicht reicht. Dann kann er am Wahlabend vor die Kameras treten und sagen, er habe früh genug vor der Niederlage gewarnt.
Darüber hinaus wird die Sorge vor einem zu laschen Wahlkampf von Erfahrungswerten befeuert. Die Union hatte zwar im August 2017 um die 40 Prozent Zustimmung in den Umfragen. Doch am Wahltag kamen die Schwarzen nur auf knapp 33 Prozent, das schlechteste Ergebnis seit 1949.
Noch vertrauen sie aber vor allem bei der CDU auf Laschets Kämpferqualitäten. Abgeordnete verweisen beispielsweise darauf, dass er sich entgegen aller Prognosen als CDUBundesvorsitzender durchgesetzt habe. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen habe Laschet zunächst scheinbar aussichtslos hinten gelegen und sich dann mit einem fulminanten Endspurt gegen Amtsinhaberin und SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft durchgesetzt. Bei der CSU sehen sie Letzteres zwar anders. Dort heißt es, Laschet habe nicht gewonnen, weil er so gut war. Sondern nur, weil Kraft schlecht gewesen sei.
Wichtiger dürfte es für die Union sein, wie Laschet bei den Menschen ankommt. Und da erhielt er am Montag erneut einen Dämpfer. Bei einem Ortsbesuch im Hochwassergebiet von Swisttal im Rhein-SiegKreis geriet er schwer unter Beschuss. Beim Gang durch die zerstörten Straßen entlud sich am Montag, zweieinhalb Wochen nach Beginn der Unwetterkatastrophe, der Ärger vieler Anwohner über fehlende Hilfe vor Ort.
Bislang habe er weder Hilfe von der Landesregierung noch von der örtlichen Verwaltung gesehen, klagte ein Mann. Stattdessen hätten junge Leute beim Aufräumen geholfen. Auch ein anderer Mann schimpfte über „riesengroße Versager“und drohte – auch in Laschets Richtung: „Sie werden es bei der Wahl merken.“Eine aufgebrachte Frau fragte den Ministerpräsidenten: „Haben Sie schon mal eine Woche im Schlamm gebuddelt?“Laschet versicherte mehrfach, er sei vor Ort, um sich ein Bild zu machen, und werde sich um Hilfe kümmern. Als NRWMinisterpräsident stand Laschet im Gegensatz zu Annalena Baerbock und Scholz nach der Flut vor Ort direkt mit in der Verantwortung.
Immerhin einer hält zu Laschet: Bundesinnenminister Horst Seehofer glaubt trotz sinkender Umfragewerte fest an einen Sieg Laschets bei der Bundestagswahl. Seehofer sagte der Bild am Sonntag: „Mit meiner 50-jährigen Erfahrung in der Politik kann ich Ihnen sagen: Laschet wird Kanzler. Er bringt die wichtigste Eigenschaft für diesen harten Job mit: eine fröhliche Gelassenheit. Zähigkeit und Standfestigkeit hat er überdies ja schon bewiesen.“
Die heiße Phase beginnt diesmal früher
Markus Söder baut schon mal vor