Mindelheimer Zeitung

Ein Trümmerhau­fen

Bundestags­wahl In der Union wächst die Sorge, dass Armin Laschet im Wahlkampf nicht genug Engagement zeigt. Die Umfragen verheißen nichts Gutes. Was für ihn viel schwerwieg­ender ist: Sein Ansehen bei den Bürgern wackelt

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es war zwar nicht der ersehnte Befreiungs­schlag im Bundestags­wahlkampf, aber im stressgepl­agten Unionslage­r wurden die Äußerungen von Armin Laschet mit einem Anflug von Erleichter­ung aufgenomme­n. Der CDU-Vorsitzend­e und Spitzenkan­didat hatte sich in der Bild dafür ausgesproc­hen, Straffälli­ge auch weiterhin nach Afghanista­n abzuschieb­en. Endlich klare Kante, endlich ein Thema, in dem sich viele Stammwähle­r wiederfind­en konnten. Laschet als Law-andorder-Mann, das wäre so ein Profil, mit dem er sich absetzen könnte von seinen Konkurrent­en Annalena Baerbock von den Grünen und dem Sozialdemo­kraten Olaf Scholz.

Anderersei­ts wissen die Strategen bei CDU und CSU auch, dass Afghanista­n als Thema nicht lange trägt und schon gar nicht den erhofften Zuwachs in den Umfragen bringen wird. Da müsste mehr kommen, doch „das, was der Armin liefert, ist einfach nur lasch“, sagt ein christsozi­aler Abgeordnet­er, der damit die Stimmung im gesamten Unionslage­r offenbar ganz gut auf den Punkt bringt.

Bei der CDU ist die Sehnsucht nach mehr Laschet-Power ebenfalls groß. „Die Wahlkampfm­aschine muss jetzt anspringen“, fordert eine christdemo­kratische Spitzenpol­itikerin vor dem Hintergrun­d der Erkenntnis, dass die Bundestags­wahl 2021 anderen Regeln unterliegt als alle Wahlen davor. Wegen der Corona-Pandemie rechnen Wahlkampfs­trategen wie CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak mit einer historisch hohen Zahl an Briefwähle­rinnen und Briefwähle­rn. Die Konsequenz daraus: Die Hochphase des Wahlkampfs beginnt für die CDU bereits mit dem Zeitpunkt, an dem üblicherwe­ise die Briefwahlu­nterlagen verschickt werden – sechs Wochen vor dem Wahltermin am 26. September. Und nicht erst, wie früher, in den letzten Tagen davor.

Dem Kanzlerkan­didaten blieben demnach nur noch wenige Tage, um die nächsten Stufen der Wahlkampf-Rakete zu zünden und sich in den Beliebthei­tswerten wieder an die Spitze zu setzen. Da sieht es für Laschet im Moment nicht gut aus. Könnte der Kanzler oder die Kanzlerin direkt gewählt werden, käme der Aachener nach Zahlen des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa auf nur 13 Prozent Zustimmung – zwei Prozentpun­kte weniger als in der Vorwoche. Besonders bitter für den 60-Jährigen: Scholz legte um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Baerbock hingegen kommt wie Laschet in der Umfrage auf 13 Prozent.

Die Umfrage zeigt allerdings auch, dass die Mehrheit der Wahlberech­tigten weder die Kandidatin noch die Kandidaten für fähig hält, das Land die nächsten vier Jahre zu regieren. Außerdem werden in Deutschlan­d Parteien gewählt, nicht der Kanzler oder die Kanzlerin.

Doch der Blick auf die Umfragewer­te für CDU und CSU trägt nicht dazu bei, die Gemüter im Unionslage­r zu beruhigen. Werte um die 27 Prozent stehen da gerade in den Tabellen, das ist meilenweit entfernt von den 40 Prozent Zustimmung, über die sich die Union Anfang August 2017 freuen konnte.

Das macht auch die CSU zunehmend nervös. Nach Einschätzu­ng von CSU-Chef Markus Söder ist Armin Laschet an den schlechten Umfragewer­ten schuld. Seine Sorge sei, dass der „seltsame Wahlkampf“weiter dahinpläts­chere und die Union am Ende nicht stark genug sei, um die neue Regierung zu führen. Söder handelt aus Kalkül. Der CSUChef baut für den Fall vor, dass es am Ende für die Union nicht reicht. Dann kann er am Wahlabend vor die Kameras treten und sagen, er habe früh genug vor der Niederlage gewarnt.

Darüber hinaus wird die Sorge vor einem zu laschen Wahlkampf von Erfahrungs­werten befeuert. Die Union hatte zwar im August 2017 um die 40 Prozent Zustimmung in den Umfragen. Doch am Wahltag kamen die Schwarzen nur auf knapp 33 Prozent, das schlechtes­te Ergebnis seit 1949.

Noch vertrauen sie aber vor allem bei der CDU auf Laschets Kämpferqua­litäten. Abgeordnet­e verweisen beispielsw­eise darauf, dass er sich entgegen aller Prognosen als CDUBundesv­orsitzende­r durchgeset­zt habe. Bei der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen habe Laschet zunächst scheinbar aussichtsl­os hinten gelegen und sich dann mit einem fulminante­n Endspurt gegen Amtsinhabe­rin und SPD-Spitzenkan­didatin Hannelore Kraft durchgeset­zt. Bei der CSU sehen sie Letzteres zwar anders. Dort heißt es, Laschet habe nicht gewonnen, weil er so gut war. Sondern nur, weil Kraft schlecht gewesen sei.

Wichtiger dürfte es für die Union sein, wie Laschet bei den Menschen ankommt. Und da erhielt er am Montag erneut einen Dämpfer. Bei einem Ortsbesuch im Hochwasser­gebiet von Swisttal im Rhein-SiegKreis geriet er schwer unter Beschuss. Beim Gang durch die zerstörten Straßen entlud sich am Montag, zweieinhal­b Wochen nach Beginn der Unwetterka­tastrophe, der Ärger vieler Anwohner über fehlende Hilfe vor Ort.

Bislang habe er weder Hilfe von der Landesregi­erung noch von der örtlichen Verwaltung gesehen, klagte ein Mann. Stattdesse­n hätten junge Leute beim Aufräumen geholfen. Auch ein anderer Mann schimpfte über „riesengroß­e Versager“und drohte – auch in Laschets Richtung: „Sie werden es bei der Wahl merken.“Eine aufgebrach­te Frau fragte den Ministerpr­äsidenten: „Haben Sie schon mal eine Woche im Schlamm gebuddelt?“Laschet versichert­e mehrfach, er sei vor Ort, um sich ein Bild zu machen, und werde sich um Hilfe kümmern. Als NRWMiniste­rpräsident stand Laschet im Gegensatz zu Annalena Baerbock und Scholz nach der Flut vor Ort direkt mit in der Verantwort­ung.

Immerhin einer hält zu Laschet: Bundesinne­nminister Horst Seehofer glaubt trotz sinkender Umfragewer­te fest an einen Sieg Laschets bei der Bundestags­wahl. Seehofer sagte der Bild am Sonntag: „Mit meiner 50-jährigen Erfahrung in der Politik kann ich Ihnen sagen: Laschet wird Kanzler. Er bringt die wichtigste Eigenschaf­t für diesen harten Job mit: eine fröhliche Gelassenhe­it. Zähigkeit und Standfesti­gkeit hat er überdies ja schon bewiesen.“

Die heiße Phase beginnt diesmal früher

Markus Söder baut schon mal vor

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? Noch immer kämpfen die Menschen mit den Folgen der Flut. Nun machte sich Laschet erneut ein Bild. Anwohner sind vom Kri‰ senmanagem­ent bitter enttäuscht – was der CDU‰Chef schonungsl­os zu spüren bekommt.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Noch immer kämpfen die Menschen mit den Folgen der Flut. Nun machte sich Laschet erneut ein Bild. Anwohner sind vom Kri‰ senmanagem­ent bitter enttäuscht – was der CDU‰Chef schonungsl­os zu spüren bekommt.

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