Erzieherinnen dringend gesucht
Kitas Die Corona-Pandemie verstärkt den Fachkräftemangel. In der Personaldecke gibt es zahlreiche Löcher. Sozialministerin Carolina Trautner hat schon einen Plan
Augsburg Die Corona-Pandemie hat den Personalschlüssel von Kitas durcheinandergewürfelt. Schwangere Mitarbeiterinnen mussten sofort daheim bleiben, Personal, das zu den Risikogruppen gehörte, ebenfalls. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, war angesichts des Fachkräftemangels alles andere als einfach. Laut einer Befragung der Gewerkschaft Verdi fehlen in Bayern an Kitas weit über 6000 Fachkräfte in Vollzeit. „Den Fachkräftemangel anzugehen, wurde viel zu lange vernachlässigt. Durch Corona ist das Problem nur noch deutlicher geworden“, sagt Maria Magdalena Hellfritsch, Geschäftsführerin des Verbands katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern.
Der Personal-Notstand macht auch den Beschäftigten zu schaffen. „Wie soll es in den Kitas den eigentlich weiter gehen? Wie sollen Hygienepläne umgesetzt werden, wenn schon jetzt unzählig viele Fachkräfte fehlen. Es wird immer schwieriger, kompetente Kollegen zu gewinnen. Der Markt ist leer und viele Kollegen hängen ihren Beruf an den Nagel, weil sie keine Perspektiven mehr sehen“, schrieb nun eine Erzieherin unserer Redaktion. Den Kindern sei nicht damit geholfen, wenn das Personal ausgelaugt sei, sagt auch Hellfritsch: „Kinder brauchen fitte, fröhliche, motivierte Erzieherinnen und Erzieher.“
Sozialministerin Carolina Trautner kennt das Problem. „Der Fachkräftemangel ist da, den können wir nicht leugnen. Da laufen wir hinterher. Wir haben tatsächlich in den letzten Jahren mehr als doppelt so viele Fachkräfte ausgebildet und das reicht trotzdem nicht“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Gesellschaft habe sich ein Stück weit verändert, man brauche mehr Betreuung, weil dies auch von den Familien gefordert werden. Die Nachfrage nach Fachpersonal werde in den nächsten Jahren noch weiter steigen, wenn etwa in Berlin der Rechtsanspruch für die Ganztagesbetreuung von Grundschulkindern beschlossen wird, wenn bald die Erzieherinnen und Kinderpfleger aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen werden und wenn Markus Söder, wie kürzlich angekündigt, 45 000 neue Kita-Plätze schaffen will. Nach Angaben des Sozialministeriums besteht im Freistaat Bayern bis zum Jahr 2025 ein Bedarf von rund 19 400 Fachkräften weiteren rund 10000 Ergänzungskräften.
Um mehr Menschen für die Arbeit in Kitas zu begeistern, setzt Sozialministerin Trautner auf einen Fünf-Punkte-Plan. „Ein wichtiger Baustein ist die reformierte, um ein Jahr verkürzte Erzieherausbildung, die unter bestimmten Voraussetzungen nun sogar in drei Jahren möglich ist. Das macht die Ausbildung viel attraktiver“, sagt Trautner. Zudem wolle sie Weiterbildungsmodule für Pflege- und Tagespflegepersonen schaffen und Quereinstiege ermöglichen. Die Rahmenbedingungen in den Kitas sollen sich verbessern, damit die Fachkräfte auch bleiben. Fachpersonal soll daher durch Hilfskräfte in der täglichen Arbeit entlastet werden können. Beispielsweise könnten Tagespflegerinnen Kinder in der früh beaufsichtigen oder den Erzieherinnen mittags bei der Essensausgabe helfen. Das Personal solle zudem besser pädagogisch begleitet und beraten werden. „Wichtig ist auch, dass wir in der Öffentlichkeit sagen, wie toll diese sozialen Berufe sind“, sagt Traunter weiter. Deshalb sei der „Herzwerkerpreis“ausgerufen worden, bei dem Kita-Beschäftigte mit Videos Werbung für ihren Job machen. Trautner: „Da geht Ihnen das Herz auf, wenn Sie das hören.“
Und die Bezahlung? „Ich bin nicht die, die bei den Tarifverhandlungen dabei ist, aber ich lege den Finger in die Wunde“, sagt Trautner. Darüber werde auch beim Bündnis für frühkindliche Bildung gesprochen, zu dem Träger, Kommunen und die Politik an einen Tisch kommen.
Maria Magdalena Hellfritsch und Verdi-Landes fach bereichs leiterin Brigitte Zach sehen die verkürzte Ausbildung kritisch, weil diese auf Kosten der Praxiszeit ginge. „Es wäre besser gewesen, den überfrachteten Lehrplan zu modernisieren und sich im Austausch mit Wissenschaft, Schule und Praxis auf Qualitäts standards zu einigen “, sagt Hellfritsch. Außerdem müsste Quereinsteigern der Wechsel leichter gemacht, internationale Abschlüsse unbürokratischer anerund kannt und der Ausbau multiprofessioneller Teams unterstützt werden. Es brauche auch mehr Studienplätze für Fachakademielehrer und für Sozialund Kindheitspädagogen.
Zach betont: „Ein Bündel von Maßnahmen ist erforderlich, diese sind zum Beispiel die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ein tarifvertraglich geregeltes Ausbildungsentgelt.“So habe beispielsweise das Optiprax-Modellprojekt gezeigt, bei dem die Ausbildung verkürzt und die ganze Zeit besser bezahlt ist, dass sich auch mehr Männer für den sonst frauendominierten Beruf interessiert haben.
Am 6. September trifft sich das Bündnis frühkindliche Bildung, dann soll ein Arbeitspapier verabschiedet und dem Landtag vorgelegt werden. „Ich glaube, dass die sozialen Berufe allgemein jetzt durch Corona noch mal an öffentlichkeitswirksamer Beachtung zugelegt haben. Und diesen Rückenwind müssen wir nutzen, um auch weiter dafür zu werben, dass Menschen diese sozialen Berufe ergreifen“, sagt Trautner.