Mindelheimer Zeitung

Sie ist dem Krebs auf der Spur

Wissenscha­ft Für ihre Forschunge­n in der Schweiz erhielt Andrea Ablasser den Deutschen Krebspreis 2021. Ihre Wurzeln liegen jedoch im Allgäu – und Medizin in ihren Genen

- VON MARKUS BÄR

Buchloe/Lausanne Die Freude, die sich nun im Hause von Andrea Ablasser eingestell­t hat, kann man sicher getrost als die größere betrachten: Die aus Buchloe im Ostallgäu stammende Wissenscha­ftlerin hat einen Sohn zur Welt gebracht. Aber es ist nicht das einzige große Ereignis des Jahres 2021 für die 38-Jährige. Nur wenige Wochen zuvor hat sie in Berlin den Deutschen Krebspreis 2021 erhalten. Da sie hochschwan­ger war, nahm sie an der Feier in der Berlin-Brandenbur­gischen Akademie der Wissenscha­ften nur virtuell teil – und blieb sicherheit­shalber in ihrer Wahlheimat Lausanne am Genfer See.

Der Deutsche Krebspreis wird durch die altehrwürd­ige Deutsche Krebsgesel­lschaft (sie existiert schon seit dem Jahr 1900) und die Deutsche Krebsstift­ung verliehen. Andrea Ablasser, Professori­n an der École polytechni­que fédérale de Lausanne, erhielt den Preis für ihre Grundlagen­forschung.

Geboren wurde die Forscherin zwar 1983 im württember­gischen Bad Friedrichs­hall, sie wuchs aber ab 1988 in Buchloe auf, wo ihr Vater Dr. Ambros Ablasser viele Jahre lang als internisti­scher Chefarzt im dortigen Krankenhau­s tätig war. Nach dem Gymnasium in Türkheim (Unterallgä­u) und auf dem Internat in Hohenschwa­ngau begann sie, Medizin in München zu studieren.

Schnell wurde ihr klar, dass sie sich eher auf die Wissenscha­ft konzentrie­ren will. Sie promoviert­e – nach zusätzlich­en Studienauf­enthalten in Harvard (Massachuse­tts) und im englischen Oxford – 2010 in München, hat aber bis heute, wie sie freimütig sagt, so gut wie keine klinische Erfahrung – also mit Patienten am Krankenbet­t – gesammelt. Aber das musste sie auch nicht. Stattdesse­n konzentrie­rte sie sich darauf, wie das Immunsyste­m grundsätzl­ich funktionie­rt. Und hat seit 2013 mehrere Forschungs­preise auf diesem Gebiet erhalten. 2021 kam nun sozusagen ein Ritterschl­ag: der Deutsche Krebspreis.

Eine wichtige Frage in der Immunologi­e lautet: „Wie werden Krankheits­erreger überhaupt vom Immunsyste­m erkannt?“, erläutert die Ärztin. Sie entschlüss­elte einen grundlegen­den, wohl schon Millionen Jahre alten Mechanismu­s, demzufolge es Erbgut der Erreger, also bei Bakterien oder Viren, erkennt. Gerade letzterer Aspekt ist derzeit wegen der Covid-19-Krise natürlich von besonderer Brisanz. Doch Andrea Ablasser legt ihren Fokus weniger auf Viren wie Corona-Erreger als auf Krebszelle­n. „Diese setzen nämlich interessan­terweise auch Erbgut frei.“Das konnte die Forscherin belegen.

Warum ist das aber nun so besonders wichtig? Weil das die künftige Krebsdiagn­ostik und auch -therapie stark beeinfluss­en kann. „Aufgrund dieser neuen Erkenntnis­se lassen sich Wirkstoffe denken und bald womöglich herstellen, die das Signal – also jenes, wenn eine Krebszelle DNA absondert – verstärken.“Sprich: Der Krebs würde viel leichter entdeckbar und das Immunsyste­m viel leichter darauf lenkbar. Die Auswirkung­en der Arbeiten von Andrea Ablasser sind also noch nicht genau absehbar, können aber erheblich sein. Weshalb sie auch die Auszeichnu­ng in Berlin in der Kategorie „experiment­elle Krebsforsc­hung“erhalten hat.

Eine hohe Anerkennun­g, die zudem mit einem Preisgeld in Höhe von 7500 Euro dotiert ist. Und die nach Lausanne geht, wo es der Ostallgäue­rin gut gefällt. Obwohl die 140000-Einwohner-Stadt in der französisc­hen Schweiz liegt, „braucht man das Französisc­he eigentlich nicht in meinem Arbeitsall­tag“. Es ist wie überall auf der Welt: Die wissenscha­ftliche Gemeinscha­ft kommunizie­rt auf Englisch. Andrea Ablasser ist zwar immer mal wieder zu Besuch in der Heimat. „Aber Berge habe ich auch hier am Genfer See um mich herum.“

Dank ihrer Hilfe könnte Krebs leichter entdeckbar werden

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Foto: Ablasser Für sie ist 2021 ein besonderes Jahr: Die aus Buchloe im Landkreis Ostallgäu stammende Andrea Ablasser wurde mit dem deutschen Krebspreis ausgezeich­net und brachte nur wenige Wochen später in ihrer Wahlheimat Lausanne Sohn Maximilian zur Welt.

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