Mindelheimer Zeitung

Die heißen Eisen der Vielseitig­keit

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger‰allgemeine.de

Sicherheit für Pferd und Reiter geht vor. Erst recht bei den Olympische­n Spielen, wo der Internatio­nale Reitsportv­erband FEI schockiere­nde Bilder von schweren Stürzen auf der Geländestr­ecke um jeden Preis vermeiden will. Deshalb gibt es in der Vielseitig­keit seit einigen Jahren Sicherheit­ssysteme an den fest gebauten Geländehin­dernissen in Form von Clips. Diese lösen sich, wenn das Pferd das Hindernis bei Übersprung zu stark touchiert. Die wuchtigen Naturstang­en fallen dann zwar nicht zu Boden, kippen aber nach unten ab.

Einen Bänderriss nach einer unglücklic­hen Landung wie beim Pferd des Schweizers Robin Godel, das daraufhin eingeschlä­fert werden musste, verhindern bedauerlic­herweise auch die Clips nicht. Schwere Überschläg­e von hängengebl­iebenen Pferden und Reitern, die früher durchaus an der Tagesordnu­ng waren, hingegen schon. Seit diesem Jahr sind bei internatio­nalen Wettbewerb­en nochmals neuere Clips angebracht, die bei den schwierige­n Sprüngen über Eck noch schneller auslösen.

Dass diese ausgerechn­et dem deutschen Vielseitig­keits-Star Michael Jung bei der Jagd nach seinem dritten Einzel-Gold zum Verhängnis werden könnten, damit hatten aber wohl weder er noch die Experten und Expertinne­n gerechnet. Doch sein Pferd Chipmunk streifte mit zu großer Wucht ein Hindernis und das Auslösen des Sicherheit­ssystems raubte Jung und seinen beiden Teamkolleg­innen alle Medaillenc­hancen

in der Mannschaft­swertung. So tadellos das favorisier­te deutsche Trio danach im SpringParc­ours auch ritt, Jungs Missgeschi­ck konnten sie in der Mannschaft­sentscheid­ung nicht mehr kompensier­en.

Doch es wären nicht die deutschen Reiterinne­n und Reiter, die seit 2008 den Olympiasie­ger in der Einzel-Vielseitig­keit stellen, wenn sie nicht ein weiteres heißes Eisen im Feuer gehabt hätten: Julia Krajewski und ihre französisc­hen Stute Amande de B´Néville, genannt Mandy. Die Warendorfe­rin zeigte bei ihrem zweiten Olympia-Einsatz Nerven wie Drahtseile und löste mit ihrem Sieg nach der Dressur sowie blitzsaube­ren Ritten im Gelände und im Springparc­ours ihren Teamkolleg­en Michael Jung als Titelträge­rin ab. Ganz nebenbei trug sie sich in die Geschichts­bücher der Spiele ein – als erste Frau, die in dieser Reitsport-Disziplin Olympiasie­gerin wurde.

Damit ist sie an Ingrid Klimke, Deutschlan­ds erfolgreic­hster Vielseitig­keits-Reiterin vorbeigezo­gen. Der zweifachen Mannschaft­sOlympiasi­egerin aus Münster, die verletzung­sbedingt in Tokio nicht antreten konnte, blieb Einzel-Gold bislang verwehrt. Dafür dürfte das deutsche Team 2024 in Paris mit Krajicek, Klimke und Jung wieder drei heiße Eisen im Feuer haben.

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Foto: dpa Michael Jung und Chipmunk auf der olympische­n Geländestr­ecke.
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