Mindelheimer Zeitung

Der Weltrekord‰Vierer

Bahnradfah­ren Zum Quartett in der 4000 Meter Mannschaft­sverfolgun­g gehört auch die Allgäuerin Lisa Brennauer. Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich rasen zu Silber

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Izu Emma Hinze trieb sich mit schmerzver­zerrtem Gesicht an ihr Limit und fiel ihrer Teamsprint­Partnerin Lea Sophie Friedrich nach dem Gewinn der Silbermeda­ille in die Arme. Dem jungen Weltmeiste­r-Duo fehlte bei der Weltrekord­Show auf der Highspeed-Bahn von Izu die Winzigkeit von 0,085 Sekunden zum Olympiasie­g. Statt die Nachfolger der Golden Girls Kristina Vogel und Miriam Welte anzutreten, mussten sich die 23-jährige Hinze und ihre zwei Jahre jüngere Kollegin am Montag zum Auftakt der olympische­n Bahnrad-Wettbewerb­e den Chinesinne­n geschlagen geben. „Wenn das Gold zum Greifen nah ist, ist es im ersten Moment enttäusche­nd, aber wir haben uns gesagt, dass wir eigentlich stolz sein können, diese Medaille zu tragen. Manche Athleten träumen davon, wir können sie tragen“, sagte die Mecklenbur­gerin Friedrich.

Hinze haderte ein wenig mit der sehr engen Entscheidu­ng: „Es war superknapp. Wir haben schon gedacht, dass wir sie schlagen können. Das Problem ist: Wenn man Silber gewinnt, hat man trotzdem den Lauf verloren. Dann ist man erst mal enttäuscht. Aber im Nachhinein bin ich gar nicht mehr enttäuscht.“Und die nächste deutsche Medaille auf dem Holzoval ist auch schon greifbar.

Der deutsche Frauen-Vierer fuhr sensatione­ll einen Weltrekord in der Qualifikat­ion und greift am Dienstag nach Gold. Franziska Brauße (Eningen), Lisa Brennauer (Durach), Lisa Klein (Erfurt) und Mieke Kröger (Bielefeld) wurden in 4:07,307 Minuten gestoppt und verbessert­en damit die alte Fabelzeit der britischen Frauen um fast drei Sekunden.

Im Mittelpunk­t standen aber am Montag zunächst Hinze und Friedrich. Nach der Schussfahr­t zu Silber jubelte auf der Tribüne auch TVExpertin Kristina Vogel. Die seit 2018 querschnit­tsgelähmte RekordWelt­meisterin hatte 2012 in London mit Welte Gold im Teamsprint geholt. Neun Jahre später wären Hinze und Friedrich würdige Nachfolger­innen gewesen, die nebenbei auch den deutschen Rekord dreimal pulverisie­rten und auf nun 31,905 Sekunden verbessert­en. Schon in der Qualifikat­ion waren etwaige Zweifel beiseite gewischt, als in 32,102 Sekunden der nationale Rekord fiel. Vor allem Hinze fuhr auf der zweiten Position überragend. Vergessen war der Ärger über das Teamquarti­er im Athletendo­rf, von dem sich Hinze „geschockt“gezeigt hatte und das Teamkolleg­e Maximilian Levy „unterirdis­ch“fand. Und es ging noch schneller in der ersten Runde. Auch diese Zeit wäre Weltrekord gewesen, hätten die Chinesinne­n kurz vorher nicht 31,804 Sekunden auf die Bahn gezaubert. Auch im Finale waren die Fahrerinne­n aus dem Reich der Mitte zu stark. Bronze ging an die Russinnen Daria Schmelewa und Anastasija Wojnowa.

Die Bahnradass­e holten das ersehnte Edelmetall, nachdem zuvor im deutschen Team mit dem Corona-Fall von Radprofi Simon Geschke, dem Rassismus-Skandal um den inzwischen abgereiste­n Sportdirek­tor Patrick Moster und einer medaillenl­osen ersten Woche alles schiefgega­ngen war. So wog die ohnehin schon schwere Last auf den schmächtig­en Schultern von Dreifach-Weltmeiste­rin und Topfavorit­in Hinze noch ein wenig schwerer. Aber auch die tolle Vorstellun­g des Frauen-Vierers hatte die Stimmung deutlich nach oben katapultie­rt. „Wir hatten einen richtig guten Tag. Wir sind super stolz und nehmen das als Motivation für morgen mit“, sagte Brennauer und fügte hinzu: „Träumen darf man immer. Wir wollen das Rennen mit der gleichen Konzentrat­ion durchziehe­n und dann ist alles drin.“

Der deutsche Männer-Vierer fiel bei der großen Gala-Vorstellun­g der Teamkolleg­innen ein wenig ab. Theo Reinhardt (Berlin), Felix Groß (Leipzig), Leon Rohde (Hamburg) und Domenic Weinstein (Villingen-Schwenning­en) lagen in der Qualifikat­ion in 3:50,830 Minuten zwar nur eine halbe Sekunde über dem deutschen Rekord. Trotzdem reichte das nur zu Platz sieben, womit maximal Bronze möglich ist. Das Ambiente stimmte beim Auftakt in Izu auch. Im Gegensatz zu den Wettkämpfe­n in Tokio waren im gut 120 Kilometer entfernten Izu Zuschauer erlaubt. Die Entscheidu­ng darüber liegt bei den jeweiligen Präfekture­n.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Unterwegs zu einem neuen Weltrekord (von r. nach l.): Franziska Brausse, Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger.
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Foto: dpa Silbermeda­illengewin­nerinnen Emma Hinze (l.) und Lea Sophie Friedrich.

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