Mindelheimer Zeitung

Karriere endet mit Gold

Ringen Aline Rotter-Focken sichert sich als erste deutsche Ringerin eine olympische Medaille. Im letzten Kampf ihrer Laufbahn besiegt sie die favorisier­te Amerikaner­in Adeline Gray

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Tokio Nach dem historisch­en Triumph vergrub Aline Rotter-Focken ihr Gesicht in den Händen auf der Matte und brach in Tränen aus. Die frühere Weltmeiste­rin hat sich zur ersten deutschen Olympiasie­gerin im Frauen-Ringen gekrönt. Die Krefelderi­n gewann im letzten Kampf ihrer Karriere das Finale der Gewichtskl­asse bis 76 Kilogramm mit 7:3 gegen die favorisier­te Amerikaner­in Adeline Gray. Mit der schwarz-rot-goldenen Fahne lief die 30-Jährige am Mattenrand entlang und grüßte am Montag aus Tokio überglückl­ich per Videoschal­te ihre Lieben in der Heimat. „Besser geht es nicht. Es fühlt sich total unreal an. Ich habe jeden Tag meines Lebens in den letzten Jahren dafür gearbeitet und davon geträumt“, schwärmte Rotter-Focken. „Jetzt gerade ist es noch gar nicht angekommen. Ich glaube, ich werde noch Jahre von diesem Moment zehren.“

Schon ihr Finaleinzu­g war ein nie da gewesener Erfolg und sicherte dem deutschen Frauen-Team die erste Olympia-Medaille überhaupt.

Für Rotter-Focken, die ihre aktive Laufbahn nun beendet, war Gold im letzten Kampf zudem der krönende Karriereab­schluss. „Wir haben es gefühlt in den letzten zwei Monaten. Ich war mit ihr jeden Tag auf der Matte und habe gesagt: Es kann dich eigentlich keine Frau in der Klasse besiegen. Ich kann es selber noch gar nicht fassen“, sagte Bundestrai­ner Patrick Loes. „Wir wollten hier Gold. Wir haben gesagt: Silber wollen wir nicht!“Mit Siegen über Wassilissa Marsaljuk aus Belarus, die Chinesin Qian Zhou und Asienmeist­erin Hiroe Minagawa aus Japan hatte Rotter-Focken das Finale von Tokio erreicht. In dem galt sie gegen die fünfmalige Weltmeiste­rin und bei den Spielen in Japan topgesetzt­e Gray als Außenseite­rin. Doch sie überrascht­e ihre Gegnerin, mit der sie eng befreundet ist und gegen die sie bei der WM 2019 noch verloren hatte. Der bislang letzte Olympiasie­ger aus den Reihen des Deutschen Ringer-Bunds (DRB) war Maik Bullmann, der 1992 in Barcelona triumphier­te. Alexander Leipold gewann zwar Gold in Sydney 2000. Nach einem umstritten­en Doping-Verfahren ist er rechtmäßig Sieger des Turniers, darf sich aus rechtliche­n Gründen aber nicht Olympiasie­ger nennen. In den offizielle­n Siegerlist­en wird er nicht mehr geführt.

Rotter-Focken ist seit Jahren das Aushängesc­hild des deutschen Frauen-Teams. Neben Gold 2014 gewann sie unter anderem drei weitere WM-Medaillen: 2017 Silber, 2015 und 2019 jeweils Bronze. Drei dieser vier Plaketten holte sie noch in der Klasse bis 69 Kilogramm. Olympische­s Edelmetall fehlte ihr bislang. Anders als die Männer absolviert­en die deutschen Frauen direkt vor Olympia noch ein Trainingsl­ager in Japan, um sich zu akklimatis­ieren. Der Plan ging auf.

Zielstrebi­g marschiert­e RotterFock­en in Tokio ins Finale. „Das war mein Traum“, hatte sie nach ihrem Halbfinal-Erfolg gesagt. Diese Medaille sei „längst überfällig angesichts der tollen Arbeit, die unser Team seit Jahren leistet“. Nicht nur für Rotter-Focken selbst ist dieses Gold ein großer Erfolg. Auch für Bundestrai­ner Loes, der sie schon seit zehn Jahren betreut. „Ich habe sie aufwachsen sehen“, sagte der 34-Jährige, der mitunter auch schon als Sparringsp­artner herhalten muss. Genau wie der Ehemann der Athletin, der frühere Ringer Jan Rotter. Mit Freunden verfolgte dieser die Abschiedsv­orstellung seiner Frau in einem Kino im heimischen Triberg. „Natürlich wird uns Aline fehlen – als Zugpferd, Trainingsp­artnerin und Teamkamera­din“, sagte Loes. „Aber sie wird ja auch nicht ganz weg sein.“

Der DRB plant, die betrieblic­he Gesundheit­smanagerin auch künftig in seine Strukturen mit einzubinde­n – beispielsw­eise bei Lehrgängen. „Sie hat viel für unseren Sport getan und wird das auch weiterhin“, sagte Sportdirek­tor Jannis Zamandurid­is. Dem hierzuland­e nach wie vor ein absolutes Nischendas­ein fristenden Frauen-Ringen dürfte auch dieser Olympia-Titel helfen, sich weiter zu etablieren.

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Foto: Jan Woitas, dpa „Ich glaube, ich werde noch Jahre von diesem Moment zehren“, sagte Aline Rotter‰Focken, nachdem sie zum Abschluss ihrer Karriere den Olympiasie­g errungen hatte.

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