Mindelheimer Zeitung

Schwaben, die ihr Glück in der neuen Welt gesucht haben

Geschichte Die Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins begab sich auf die Spuren von Babenhause­rn, die einst ausgewande­rt sind. Deren Leben in der neuen Heimat sah ganz unterschie­dlich aus

- VON FRITZ SETTELE

Babenhause­n Während Xaver Hamp im Bürgerkrie­g ums Leben kam, avancierte Claus Hoermann zum renommiert­en Architekte­n und Künstler: Gemein haben die beiden Männer, dass sie aus Babenhause­n stammten und einst nach Amerika ausgewande­rt sind, um dort ein neues Leben zu beginnen. Die Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins, Barbara Kreuzpoint­ner, begab sich auf ihre Spuren.

Initialzün­dung für die Recherchen war ein Familienfo­toalbum, das Maria Hörmann-Hipp dem Verein zur Verfügung gestellt hatte. Zwischen 1850 und 1930 brachen rund fünf Millionen Deutsche in die sogenannte Neue Welt auf. Elf Babenhause­r sollen es laut Kreuzpoint­ner zwischen 1846 und 1854 gewesen sein, alle zwischen 20 und 40 Jahre alt.

Auf ihrer Spurensuch­e stieß die Vorsitzend­e auf Xaver Hamp. Als jüngstes von zehn Kindern hatte er keine Chance, einmal den Bauernhof seines Vaters in Babenhause­n zu übernehmen, der sich in der heutigen Frauenstra­ße befand und im Volksmund „Bäschdes Uri“genannt wurde. Hamp wurde Zimmermann. Doch allzu gut war es nicht um die Lebensumst­ände für ihn und Frau Barbara bestellt, zumal sich die Familie im Laufe der Jahre immer mehr vergrößert­e. Die ersten zwei Kinder kamen noch in Babenhause­n zur Welt, weitere drei schon in Wisconsin in den heutigen USA.

Weshalb nahmen damals Familien die Strapazen der Reise auf sich? In erster Linie aus einer Notlage heraus und in der Hoffnung auf einen glückliche­n Neubeginn. So stiegen auch die Hamps 1854 in Bremen auf ein Segelfrach­tschiff, das sie nach Amerika bringen sollte. Als Überführun­gsgeld mussten Erwachsene 80 bis 100 Rheinische Gulden berappen. Für Kinder war der Preis niedriger. Neben spärlichem Gepäck hatten die Passagiere auch Bettzeug, Matratzen, Geschirr und Verpflegun­g mitzubring­en.

Viele Auswandere­r erreichten die amerikanis­che Küste allerdings gar nie, sondern starben während der mehrwöchig­en Reise auf stürmische­r See. Bis zu vier Erwachsene mussten sich eine Kajüte mit 1,75 Meter Breite und Länge teilen. Kein Wunder, dass angesichts der Beengtheit Seuchen wie Typhus manchen Auswandere­r dahinrafft­en. Die Hamps überstande­n die Überfahrt und ließen sich am Stadtrand von Milwaukee nieder. Da sich dort mehrere Landsleute angesiedel­t hatten, gab es in der neuen Heimat deutsche Zeitungen und etliche Brauereien. Stadtteile hießen beispielsw­eise German Town und New Berlin.

1861 brach der Sezessions­krieg aus, um die Sklavenfra­ge gewaltsam zu lösen. Xaver Hamp trat als Freiwillig­er in die Armee der Nordstaate­n ein, die die Sklaverei ablehnten. Seine Familie sollte er nie mehr sehen: Er starb 1865, wenige Monate vor Kriegsende, in Louisiana. Die Witwe kämpfte mit ihren Kindern lange Zeit ums nackte Überleben. Ihre Lage verbessert­e sich etwas, als sie wieder heiratete, einen gebürtigen Bayer. Sie starb im Alter von 81 Jahren 1906 in Milwaukee.

Ganz anders das Schicksal von Carl Hoermann, der 1885 als Sohn einer Schreinerd­ynastie am Babenhause­r Ruchtiberg zur Welt kam. Noch nicht einmal volljährig, verließ er das Elternhaus. Wohl, um sich die Überfahrt nach Amerika leisten zu können, arbeitete er in einer Hamburger Schiffswer­ft. 1904 ging er in Amerika an Land und reiste weiter nach Chicago, wo er sich als Fabrikarbe­iter verdingte. Über Abendkurse, so Kreuzpoint­ner, begann er mit dem Studium der Architektu­r und eröffnete als 23-Jähriger ein eigenes Architektu­rbüro. Zusätzlich richtete er eine Galerie ein, in der seine in Chicago geborene Frau Christiana Ackermann Bilder ausstellte. Mit ihr war er seit 1907 verheirate­t. Immer mehr widmete sich auch Carl der Malerei. Im Jahr 1920 errichtete er dann am Michiganse­e ein Studio samt Galerie. Hoermann wurde über die Jahre ein renommiert­er Landschaft­smaler, seine Gattin widmete sich den Stillleben. Das Paar unternahm viele Reisen, etwa nach Nordafrika, Mexico oder Europa. Außerdem besechs suchte es regelmäßig Babenhause­n und hielt ein Leben lang Kontakt mit Familie und Freunden.

Ein reger Briefwechs­el fand statt. So schrieb er 1930, dass er „noch einmal – zum 11. Mal – für sich und Christiana ein neues Haus bauen will“. Das Gebäude mit Atelier und Ausstellun­gshalle sollte „in altdeutsch­er Bauart, innen aber amerikanis­iert, direkt am Wasser des Michiganse­es“entstehen. Im Keller sollte es „einen famosen Ratskeller erhalten, wo man unser famoses Prohibitio­nsgesetz nach Herzenslus­t verhöhnen kann!“. Als Architekt baute er Chalets, die oft alpenländi­sch inspiriert waren. Hoermann starb 1955 im Alter von 70 Jahren in Saugatack, Michigan. Auf dem Riverside-Friedhof ruht er neben seiner Gattin, die erst mit 99 im Jahr 1986 aus dem Leben schied. Das Paar hinterließ zahlreiche Kunstwerke.

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Foto: Fritz Settele (Repro) Dieses Bild aus „Die Gartenlaub­e Nr. 39, 1854“macht deutlich, wie eingepferc­ht die Auswandere­r auf diesem Frachtsege­lschiff waren.

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