Mindelheimer Zeitung

Liefert Deutschlan­d zu wenig Impfstoff an ärmere Länder?

Corona Minister Müller fordert eine Erhöhung der Mengen. Die USA haben schon vorgelegt

- VON CHRISTIAN GRIMM, STEFAN LANGE UND RUDI WAIS

Berlin Nach Monaten des Mangels hat Deutschlan­d inzwischen deutlich mehr Impfstoff, als es selbst braucht – entspreche­nd laut werden nun die Rufe, überzählig­e Dosen möglichst rasch und zahlreich an ärmere Länder zu verschenke­n. In Afrika, aber auch in Asien und Lateinamer­ika befänden sich viele Länder mitten in einer starken dritten Welle, warnte Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) gegenüber unserer Redaktion. „Jede zusätzlich­e Impfdose hilft hier besonders.“In Afrika zum Beispiel seien bislang weniger als zwei Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft. Die Bundesregi­erung werde daher noch im August einen Teil der zugesagten 30 Millionen Impfstoffd­osen an ärmere Länder abgeben.

Um dort medizinisc­hes Personal und andere besonders gefährdete Gruppen schneller zu erreichen, sollte Deutschlan­d seine Impfstoffs­penden schrittwei­se erhöhen, verlangte Müller. Ziel sei es, 30 Prozent aller Menschen in Entwicklun­gsländern bis Anfang 2022 zu impfen: „Wir besiegen das Virus nur weltweit oder nicht.“Dazu sei die Abgabe überschüss­iger Impfdosen der schnellste Weg. Bereits jetzt unterstütz­t Deutschlan­d die globale Impfstoffp­lattform Covax mit 2,2 Milliarden Euro bei der Entwicklun­g, Produktion und Verteilung von Impfstoffe­n, Diagnostik­a und Therapeuti­ka. Eine Milliarde davon geht in die Bereitstel­lung von Corona-Impfstoffe­n für die 92 ärmsten Länder. In einem nächsten Schritt sollen die Entwicklun­gsländer dann selbst Impfstoffe produziere­n. Im Senegal und in Südafrika unterstütz­t das Entwicklun­gsminister­ium bereits den Aufbau entspreche­nder Projekte, mit Ghana ist es nach Müllers Worten im Gespräch.

Gegenwärti­g horten Bund und Länder 17 Millionen überschüss­ige Impfdosen, bis Ende September werden die verschiede­nen Hersteller weitere 100 Millionen Dosen geliefert haben. Das Problem dabei: Während der Impfstoff von AstraZenec­a mehrere Monate gelagert werden kann, sind es bei Biontech und Moderna nur gut vier Wochen. Die Zeit drängt also. Immer wieder müssen Impfzentre­n und Ärzte Impfstoffe entsorgen, weil sie nicht mehr haltbar sind – alleine in Bayern nach Auskunft des Gesundheit­sministeri­ums bisher rund 37 000.

Der größte Teil der zugesagten 30 Millionen Dosen von AstraZenec­a und Johnson&Johnson soll nach einem Beschluss der Bundesregi­erung an die globale Impfallian­z gehen. 20 Prozent sollen direkt an einzelne Länder verschenkt werden. Dabei handelt es sich um bereits vorhandene Impfstoffd­osen, die für die Versorgung in Deutschlan­d derzeit nicht mehr benötigt werden und die allmählich ihr Verfallsda­tum erreichen. Zum Vergleich: Die Vereinigte­n Staaten haben bereits mehr als 110 Millionen Dosen an gut 60 Länder gespendet, darunter Kolumbien,

FDP: Die Regierung hat zu lange gezögert

Pakistan und Vietnam. Ende August soll die Auslieferu­ng von weiteren 500 Millionen Impfdosen an 100 Länder beginnen.

Die Opposition wirft der Koalition vor, zu lange gezögert zu haben. „Ein Überangebo­t an Impfstoffe­n war aufgrund der Bestellmen­ge von vornherein absehbar“, kritisiert­e der stellvertr­etende Vorsitzend­e der FDP-Fraktion, Michael Theurer. Die Regierung habe es versäumt, ein besseres Management zur rechtzeiti­gen Verimpfung oder zur Weitergabe an Entwicklun­gsländer einzuführe­n. Dass Impfstoffe nun verfallen oder entsorgt werden müssten, sei „ein Debakel“.

Wie die Impfzentre­n in der Region mit ihren überschüss­igen Dosen umgehen, lesen Sie auf Bayern.

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