Mindelheimer Zeitung

Die Macht der zweiten Woche

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Der Medaillens­piegel ist eine spannende Sache. Immer wieder predigen die Verantwort­lichen, dass man doch bitte nicht immer nur auf die Anzahl der gewonnen Plaketten schauen solle. Ein Finalplatz, allein schon die Teilnahme an Olympische­n Spielen sei ein großer Erfolg und das Ergebnis jahre-, oft lebenslang­er Arbeit.

Das stimmt natürlich. Und doch schauen genau diese Funktionär­e am eifrigsten auf das internatio­nale Ranking. Manche Nationen legten gar Dopingprog­ramme auf, um die eigenen Farben nach ganz oben zu hieven. Ähnlich wie Investoren, die ihr Geld auf eine einzige Aktie gesetzt haben, wird der Chart beobachtet, analysiert, in seine Einzelteil­e zerlegt und teils recht frei interpreti­ert. Auch in Deutschlan­d.

Die erste Woche lasse noch Luft nach oben für den zweiten Teil der Spiele hatte der Chef de Mission Dirk Schimmelpf­ennig in seiner Zwischenbi­lanz gesagt. Deutschlan­d lag da noch auf Rang elf. Dabei sei das alles doch schon sehr ordentlich, was die Anzahl der Medaillen betrifft.

Allein deren Farbe verhindere, dass Deutschlan­d nicht schon viel weiter oben stehe. Übersetzt bedeutete das: zu viel Bronze, zu wenig Gold. Denn bei der Berechnung des Medaillens­piegels steht die Nation oben, die am meisten Siege anzubieten hat. Mathematik­er haben sich damit beschäftig­t, ob es nicht sinnvoller­e Berechnung­smöglichke­iten gibt. Gibt es. Aber der Mensch mag es einfach. Also bleibt es so, wie es ist.

Über all den schimmelpf­ennigschen Sorgenfalt­en schwebte im deutschen Lager die Hoffnung auf die zweite Woche. Auf den legendären Endspurt deutscher Teams. Vor allem die Rennkanuti­nnenund -kanuten sind dann echte Medaillenh­amster.

Auch die Bahnradfah­rerinnen und -fahrer liefern zuverlässi­g. Manchmal sogar die Leichtathl­eten. Und tatsächlic­h. Der Trend zeigt steil nach oben. Mit Gold im Tennis und Ringen war nicht unbedingt zu rechnen gewesen. Die Statistike­r notierten fleißig mit.

Ganz oben im Medaillens­piegel gibt es mal wieder den prestigetr­ächtigen Zweikampf China gegen die USA. Der immer auch als Kampf der Systeme daherkommt. Bisher haben die Sportlerin­nen und Sportler aus dem Reich der Mitte die Nase vorn und sind schon jetzt erfolgreic­her als vor fünf Jahren. Dahinter gibt es eine zweite Gruppe, angeführt von den Gastgebern aus Japan. Und dann, im oberen Mittelfeld, stehen die Deutschen. Noch. Denn sie hat ja erst begonnen: die zweite olympische Woche.

Vor fünf Jahren landete das deutsche Team am Ende auf Platz fünf. 17/10/15 lautete damals die Erfolgsbil­anz. Das auch in Tokio zu erreichen, könnte schwer werden. Ein komplexes Rechenmode­ll hat für Deutschlan­d 13 Goldmedail­len vorhergesa­gt. Dem sei der alte Kalendersp­ruch entgegenge­stellt, der besagt, dass es erstens anders kommt und zweitens als man denkt. Im Übrigen ist Dabeisein doch alles. Oder etwa nicht?

Zweikampf zwischen China und den USA

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