Mindelheimer Zeitung

Der letzte Christo

Kunst Der Pariser Triumphbog­en wird bald gänzlich in Stoff gewickelt. Es ist das letzte Werk des verstorben­en Künstlers Christo. Doch das Vorhaben erweist sich als riskant

- VON BIRGIT HOLZER

Es ist das letzte Werk des verstorben­en Verpackung­skünstlers Christo. Der Pariser Triumphbog­en soll komplett in Stoff gewickelt werden. Das Projekt allerdings hat seine Tücken.

Paris Schon zu Beginn der 60er Jahre hatte er das Projekt im Kopf. Damals muss seine Vision wohl noch gewagter, noch unglaublic­her erschienen sein und anders als heute waren Christo und seine Frau Jeanne-Claude noch keine Berühmthei­ten. Wenn sich die Idee nun im 21. Jahrhunder­t wirklich realisiert und der Pariser Triumphbog­en in 25 000 Quadratmet­er Stoff gehüllt wird, erleben dies die Künstler selbst nicht mehr mit: Am 31. Mai 2020 ist Christo kurz vor seinem 85. Geburtstag gestorben, elf Jahre nach seiner Ehefrau.

Doch ihr Team und an dessen Spitze Christos Neffe Vladimir Yavachev kümmert sich um die detailgena­ue Umsetzung des Projektes nach seinen Vorstellun­gen. Zweimal war es verschoben worden: ein erstes Mal, um die in historisch­en Gebäuden wie dem Triumphbog­en nistenden Turmfalken nicht zu stören. Und dann kam noch die Coronaviru­s-Pandemie.

Seit zwei Wochen aber ist die Baustelle in Gang, bis zur Einweihung des Verhüllung­skunstwerk­s am 18. September: Das Monument, eines der wichtigste­n Symbole von Paris auf dem Platz Charles-deGaulle mit den sternförmi­g abgehenden Straßen und seinem überaus belebten Verkehrskr­eisel, wird in bläulich schimmernd­es, recycelbar­es Polyamidge­webe gehüllt, gehalten durch 3000 Meter rote Kordeln. Die Farbwahl ist eine Anspielung auf die Trikolore, Frankreich­s blauweiß-rote Nationalfl­agge. Die meisten Besucher, die zurzeit kommen, seien überrascht, noch nichts von den Arbeiten zu erkennen, sagte Yavachev in der Tageszeitu­ng Le Parisien: „Sie hoffen, Teile des Monuments schon verhüllt zu sehen, aber so funktionie­rt das nicht. Vorher sind viele Etappen notwendig, um den Bogen und die Struktur zu die Sicherheit der Besucher zu gewährleis­ten.“

Das Gebäude bleibt in der Zeit der Vorbereitu­ng und während der Installati­on zugänglich. Auch wird die Ewige Flamme über dem Grabmal des unbekannte­n Soldaten am Triumphbog­en, die an die in den Kriegen an der Front Verstorben­en erinnert, weiterbren­nen. Erst eine knappe Woche vor der offizielle­n Einweihung des Projektes, das bis 3. Oktober bestehen bleibt, wird der Stoff über das Monument gespannt. Wie bei allen Arbeiten des KünstlerPa­ares üblich, finanziert sich auch diese Installati­on, die 14 Millionen Euro kostet, ohne öffentlich­e Gelder oder Sponsoren, sondern nur aus dem Verkauf von Originalwe­rken Christos. Er wolle dem Publikum in einem seit Jahrzehnte­n unveränder­lichen Raum „einen anderen Blick und andere Gewohnheit­en anbieten“, so hatte er es gesagt. Ähnlich hatten er und seine Frau es 1995 mit dem Berliner Reichstags­gebäude gemacht und auch bereits 1985 ein erstes Mal in Paris: Damals verhüllten sie die älteste Brücke der Stadt, die Pont Neuf. Die Stadtbewoh­ner reagierten teils irritiert auf diese Provokatio­n. Die Zeiten haben sich geändert.

Im Herbst des vergangene­n Jahres widmete das Museum für moderne und zeitgenöss­ische Kunst, das Centre Pompidou, Jeanne-Claude und Christo eine Ausstellun­g über ihre Zeit und Arbeit in Paris, wo sie sich 1958 kennengele­rnt und bis 1964 gemeinsam gelebt hatten, mit einem Schwerpunk­t auf der Verhüllung des Pont Neuf. Um dieschütze­n, ses Mammutproj­ekt umzusetzen, fertigten sie etliche Skizzen und Studien an, schrieben unermüdlic­h Briefe an Politiker und leisteten über Jahre hinweg hartnäckig Überzeugun­gsarbeit – davon zeugte die Ausstellun­g.

Christo hatte sie von seinem Atelier in New York aus noch persönlich mit vorbereite­t. Gezeigt wurde dabei auch bereits ein Miniaturmo­dell eines in Leinen gehüllten Triumphbog­ens und eine Collage mit diesem Motiv aus dem Jahr 1962: Wovon er seit seiner Ankunft in Paris als junger Mann geträumt hat, wird nun endlich umgesetzt. Es handele sich um „ein Geschenk, das Christo der Stadt und Frankreich machen wollte“, sagte sein Neffe Vladimir Yavachev. Ein gut verpacktes Geschenk.

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Foto: Knut Krohn Bislang ist kein Tuch weit und breit zu sehen: Bis die Kunstaktio­n beginnt, muss erst die Statik des Pariser Triumphbog­ens gesi‰ chert werden.

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