Koalition streitet über Spahns Pläne für Ungeimpfte
Corona Wirtshaus-Verbot im Herbst? Die Justizministerin will davon nichts wissen
Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Ungeimpften ihre Freiheit weiter beschneiden. Sie sollen im Herbst und Winter, wenn womöglich die vierte Viruswelle das Land erfasst, jenseits bestimmter Inzidenzwerte nicht mehr in Restaurants und Kneipen gehen dürfen – selbst wenn sie einen negativen Corona-Test vorzeigen könnten. Spahn erhöht damit den Druck auf die bisher noch nicht Geimpften – und löst eine Mischung aus Ablehnung und Widerstand aus.
Widerstand kommt zum Beispiel aus dem Kabinett. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, qua Ressort für die Grundrechte zuständig, erklärte am Mittwoch, dass Spahns Vorschläge nicht die Position der Bundesregierung seien. „Es liegen keine Pläne dieser Art auf dem Tisch“, sagte die SPD-Politikerin. Im Gespräch mit unserer Redaktion legte sie wenig später noch nach: „Die Impfung bleibt eine freiwillige Entscheidung. Eine Impfpflicht wird es nicht geben.“Lambrecht betonte, dass es bei dem Dreiklang bleiben soll, der schon heute gilt: Geimpfte, Getestete und Genesene genießen in der Öffentlichkeit die gleichen Rechte. Wenn sich allerdings ein Wirt entscheide, sein Bier nur an geimpfte Gäste zu verkaufen, sei das die Sache der individuellen Vertragsfreiheit.
Spahns Ministerialbeamte denken dennoch über „weitergehende Einschränkungen“für Ungeimpfte nach, wie es in einem Papier mit dem Titel „Sicher durch den Herbst und Winter“heißt, das unserer Redaktion vorliegt. Zu diesen Einschränkungen „zählen insbesondere Kontaktbeschränkungen sowie die Begrenzung der Teilnahme beziehungsweise den Ausschluss von der Teilnahme nicht geimpfter Personen an Veranstaltungen und in der Gastronomie“. Ob diese Trennung in Ungeimpfte auf der einen und
Genesene bzw. Geimpfte auf der anderen Seite nötig wird, will das Ministerium an einen Mix an Indikatoren knüpfen, wozu die Ansteckungszahlen, die Impfquote und die Einweisungen von Corona-Patienten in die Kliniken gehören.
Die Kritik der FDP setzt an einem anderen Punkt an: Spahn will die Maskenpflicht bis ins Frühjahr nächsten Jahres verlängern, auch für Geimpfte und Genesene – für die Gesundheitsexpertin der Liberalen im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, geht das allerdings nicht per Handstreich, denn dafür müsse die epidemische Notlage verlängert werden. „Das Problem ist, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer epidemischen Lage nicht mehr vorliegen“, sagte sie unserer Redaktion. Das Prinzip des Dauerlockdowns müsse beendet werden. Auch Justizministerin Lambrecht ist skeptisch, was die Blankoverlängerung der Maskenpflicht angeht: „Welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind, muss laufend anhand der aktuellen Situation geprüft werden. Das gilt auch für die Maskenpflicht.“In der Union gibt es ebenfalls Zweifel, ob die von Spahn geplanten Einschränkungen für Ungeimpfte verhältnismäßig sind. Das ginge nur bei einer enorm hohen Inzidenz und starken Belastung der Kliniken, sagte Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU).
Unterstützung für Spahns Pläne gibt es indes aus der Bevölkerung, wie das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion zeigt: Knapp drei von vier Befragten (72,8 Prozent) sprechen sich demnach dafür aus, dass Geimpfte mehr Rechte haben sollten als Ungeimpfte. 22,4 Prozent sehen das anders. Der Rest ist unentschieden.
Zweifel an Verlängerung der Maskenpflicht