Mindelheimer Zeitung

Koalition streitet über Spahns Pläne für Ungeimpfte

Corona Wirtshaus-Verbot im Herbst? Die Justizmini­sterin will davon nichts wissen

- VON CHRISTIAN GRIMM UND FABIAN KLUGE

Berlin Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will Ungeimpfte­n ihre Freiheit weiter beschneide­n. Sie sollen im Herbst und Winter, wenn womöglich die vierte Viruswelle das Land erfasst, jenseits bestimmter Inzidenzwe­rte nicht mehr in Restaurant­s und Kneipen gehen dürfen – selbst wenn sie einen negativen Corona-Test vorzeigen könnten. Spahn erhöht damit den Druck auf die bisher noch nicht Geimpften – und löst eine Mischung aus Ablehnung und Widerstand aus.

Widerstand kommt zum Beispiel aus dem Kabinett. Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht, qua Ressort für die Grundrecht­e zuständig, erklärte am Mittwoch, dass Spahns Vorschläge nicht die Position der Bundesregi­erung seien. „Es liegen keine Pläne dieser Art auf dem Tisch“, sagte die SPD-Politikeri­n. Im Gespräch mit unserer Redaktion legte sie wenig später noch nach: „Die Impfung bleibt eine freiwillig­e Entscheidu­ng. Eine Impfpflich­t wird es nicht geben.“Lambrecht betonte, dass es bei dem Dreiklang bleiben soll, der schon heute gilt: Geimpfte, Getestete und Genesene genießen in der Öffentlich­keit die gleichen Rechte. Wenn sich allerdings ein Wirt entscheide, sein Bier nur an geimpfte Gäste zu verkaufen, sei das die Sache der individuel­len Vertragsfr­eiheit.

Spahns Ministeria­lbeamte denken dennoch über „weitergehe­nde Einschränk­ungen“für Ungeimpfte nach, wie es in einem Papier mit dem Titel „Sicher durch den Herbst und Winter“heißt, das unserer Redaktion vorliegt. Zu diesen Einschränk­ungen „zählen insbesonde­re Kontaktbes­chränkunge­n sowie die Begrenzung der Teilnahme beziehungs­weise den Ausschluss von der Teilnahme nicht geimpfter Personen an Veranstalt­ungen und in der Gastronomi­e“. Ob diese Trennung in Ungeimpfte auf der einen und

Genesene bzw. Geimpfte auf der anderen Seite nötig wird, will das Ministeriu­m an einen Mix an Indikatore­n knüpfen, wozu die Ansteckung­szahlen, die Impfquote und die Einweisung­en von Corona-Patienten in die Kliniken gehören.

Die Kritik der FDP setzt an einem anderen Punkt an: Spahn will die Maskenpfli­cht bis ins Frühjahr nächsten Jahres verlängern, auch für Geimpfte und Genesene – für die Gesundheit­sexpertin der Liberalen im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, geht das allerdings nicht per Handstreic­h, denn dafür müsse die epidemisch­e Notlage verlängert werden. „Das Problem ist, dass die Voraussetz­ungen für das Vorliegen einer epidemisch­en Lage nicht mehr vorliegen“, sagte sie unserer Redaktion. Das Prinzip des Dauerlockd­owns müsse beendet werden. Auch Justizmini­sterin Lambrecht ist skeptisch, was die Blankoverl­ängerung der Maskenpfli­cht angeht: „Welche Schutzmaßn­ahmen erforderli­ch sind, muss laufend anhand der aktuellen Situation geprüft werden. Das gilt auch für die Maskenpfli­cht.“In der Union gibt es ebenfalls Zweifel, ob die von Spahn geplanten Einschränk­ungen für Ungeimpfte verhältnis­mäßig sind. Das ginge nur bei einer enorm hohen Inzidenz und starken Belastung der Kliniken, sagte Fraktionsv­ize Thorsten Frei (CDU).

Unterstütz­ung für Spahns Pläne gibt es indes aus der Bevölkerun­g, wie das Ergebnis einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion zeigt: Knapp drei von vier Befragten (72,8 Prozent) sprechen sich demnach dafür aus, dass Geimpfte mehr Rechte haben sollten als Ungeimpfte. 22,4 Prozent sehen das anders. Der Rest ist unentschie­den.

Zweifel an Verlängeru­ng der Maskenpfli­cht

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