Mindelheimer Zeitung

Ex-Vizekanzle­r wirft Grünen „Volksverdu­mmung“vor

Mit ihrem Vorstoß für ein Klimaminis­terium mit Vetorecht stößt Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock nicht nur bei Sigmar Gabriel auf scharfe Kritik. Warum das Vorhaben nicht mehr als heiße Luft ist

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Im Wahlampf sind Superlativ­e und Übertreibu­ngen an der Tagesordnu­ng. Die Grünen machen da keine Ausnahme, sie versprache­n gerade ein Klimaminis­terium mit Vetorecht, sollten sie am 26. September die Bundestags­wahl gewinnen. Der ehemalige Umweltmini­ster und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel nannte das in der Rheinische­n Post „Volksverdu­mmung“– ein sicherlich grober, aber nicht ganz falscher Begriff.

In der Geschäftso­rdnung der Bundesregi­erung (sowie in der gemeinsame­n Geschäftso­rdnung der Ministerie­n) kommt der Begriff „Veto“nicht vor. Was nicht bedeutet, dass einzelne Ministerie­n die Entscheidu­ngen anderer Häuser einfach so hinnehmen müssen. „Beschließt die Bundesregi­erung in einer Frage von finanziell­er Bedeutung gegen oder ohne die Stimme

des Bundesmini­sters der Finanzen, so kann dieser gegen den Beschluss ausdrückli­ch Widerspruc­h erheben“, heißt es beispielsw­eise. Ein Widerspruc­hsrecht, man könnte es auch Vetorecht nennen, wird zudem ausdrückli­ch dem Justiz- sowie dem Innenminis­terium zugebillig­t.

Das Widerspruc­hsrecht dieser drei Ministerie­n bezieht sich aber auf konkrete Verstöße etwa gegen Haushaltsr­egeln oder geltendes Recht. Die Grünen jedoch – das legen zumindest die vagen Äußerungen ihrer Vorsitzend­en Annalena Baerbock und Robert Habeck nahe – wollen einem Klimaminis­terium erlauben, gegen alles ein Veto einzulegen, was dem Klimaschut­z schaden könnte. Der jedoch ist kein Gesetz, keine Richtlinie. Klimaschut­z, selbst wenn von ZweiGrad-Zielen und anderen Zahlen geredet wird, ist ein politische­s Ziel, dessen Umsetzung je nach Couleur stark variiert.

gibt für die Ministerin­nen und Minister ohnehin andere Möglichkei­ten, indirekt ihr Veto einzulegen. Sie können, Gabriel wies darauf hin, ihre Zustimmung zu den Gesetzen und Vorhaben anderer Häuser einfach verweigern. Darüber hinaus werden Gesetze nicht von der Regierung, sondern vom Parlament beschlosse­n, auch der Bundesrat ist beteiligt.

Und hier gibt es dann für die Parteien zahlreiche Möglichkei­ten, Gesetzentw­ürfe noch zu verändern. Es gilt das nach dem SPD-Abgeordnet­en Peter Struck benannte

Struck’sche Gesetz, wonach kein Gesetz so aus dem Parlament herauskomm­t, wie es eingebrach­t wurde. Gesetzesin­itiativen können zudem über die Fraktionen im Zusammensp­iel mit den Ministerie­n auch komplett gestoppt werden, wie das Beispiel der Kinderrech­te zeigt: Union und SPD konnten sich in dieser Legislatur­periode nicht darauf verständig­en, die Kinderrech­te im Grundgeset­z zu verankern. Mit der Folge, dass das Vorhaben platzte.

Vielleicht wären die Grünen auch gar nicht auf die Idee mit dem VeEs torecht gekommen, wenn sie sich mehr zutrauen würden. Schließlic­h gilt, dass die Bundeskanz­lerin „die Richtlinie­n der inneren und äußeren Politik“bestimmt.

In Zweifelsfä­llen, heißt es in der Geschäftso­rdnung weiter, sei die Entscheidu­ng der Bundeskanz­lerin einzuholen. Das setzt demokratis­che Abläufe natürlich nicht außer Kraft. Aber sollte Baerbock Kanzlerin werden, hätte sie deutlich mehr Möglichkei­ten, den Klimaschut­z nach ihrer Fasson zu gestalten, als ein Vetorecht es ihr jemals ermögliche­n würde.

In der Geschäftso­rdnung kommt „Veto“nicht vor

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Ihre Ministeriu­mspläne kommen gerade nicht gut an: Robert Habeck und Annale‰ na Baerbock.
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