Ärztin will 13Jährige nicht impfen
Pandemie In einem Allgäuer Impfzentrum verweigert eine Medizinerin zwei Kindern den Corona-Schutz. Daraufhin wird ihr nahegelegt, den Dienst vorerst zu quittieren. Wie die Betroffene reagiert
Kaufbeuren Eine Mutter möchte ihre beiden 13-jährigen Kinder im Impfzentrum Kaufbeuren impfen lassen. Doch die zuständige Ärztin vor Ort will die Spritzen nicht setzen. Ihre Begründung: Von der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es derzeit keine Empfehlung, Jugendliche ohne Vorerkrankung im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren zu impfen – in den Augen der Medizinerin mit gutem Grund. Sie folgt ihrem Gewissen und weigert sich, die Kinder zu immunisieren.
Die Mutter beschwert sich daraufhin bei Gregor Blumtritt, dem Leiter des Impfzentrums. Er reagiert prompt: In einer Mail, die unserer Redaktion vorliegt, bittet er jene Kolleginnen und Kollegen, die eine solche Impfung nicht durchführen wollen, sich zunächst nicht mehr in den Dienstplan einzutragen. Für die betroffene Medizinerin ist das ein Skandal.
„Ich fühle mich unter Druck gesetzt. Für mich heißt das: Entweder ich handle nach politischem Willen oder ich fliege raus“, sagt die 42-jährige Unterallgäuerin, die seit Januar freiberuflich im Kaufbeurer Impfzentrum tätig ist. „Das ist eine Entwicklung. Als Ärztin bin ich an erster Stelle meinem Gewissen verpflichtet.“Ihr geht es um die Möglichkeit, frei zu entscheiden. Auch Medizinerinnen und Mediziner bräuchten jedoch eine Institution, an der sie ihr ethisches Handeln orientieren können. „Für mich ist das die Stiko. Dort werden massenhaft Daten gesammelt und die Experten wissen, was sie tun.“
Dass die Kommission noch keine Empfehlung für die Impfung von Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren ohne Vorerkrankungen ausgesprochen hat, sorgt derzeit für Streit, einige Politiker drängen die Stiko zum Handeln. Die Gesundheitsministerkonferenz hatte bereits im Mai beschlossen, der Altersgruppe ein Impfangebot zu unterbreiten. Am Montag wurde entschieden, die Möglichkeiten noch auszuweiten.
Generell gilt: Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind von der Europäischen ArzneimittelAgentur (EMA) für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Die jungen Menschen können daher auch ohne die ausdrückliche Empfehlung der Stiko geimpft werden. „Bei Kindern, bei denen nicht von einer eigenen Einwilligungsfähigkeit ausgegangen werden kann, ist eine Zustimmung der Eltern verpflichtend“, erläutert Dr. Axel Heise, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. An diese hat sich auch die Ärztin des Kaufbeurer Impfzentrums gewandt. Dort habe man ihr versichert, dass ihr Verhalten angemesgefährliche sen war und sie nicht dazu verpflichtet ist, Kinder zu impfen, sagt die 42-Jährige.
Das bestreitet der Leiter des Impfzentrums nicht. „Es ging nie darum, jemanden unter Druck zu setzen. Jeder kann frei entscheiden“, sagt Gregor Blumtritt. Die
Arbeit im Impfzentrum sei aber nicht ehrenamtlich. „Die Ärzte verdienen 130 Euro pro Stunde. Wenn dann Eltern und Kinder den dringenden Wunsch nach einer Impfung äußern, besteht auch eine gewisse Bringschuld. Wer sich ethisch nicht dazu in der Lage sieht, der sollte sich fragen, ob er im Impfzentrum an der richtigen Stelle ist. Jemand, der moralische Einwände gegen Schönheitsoperationen hat, sollte auch nicht unbedingt in einer BeautyKlinik arbeiten.“
Die Ärztin betont, nicht generell gegen die Impfung zu sein, bei Erwachsenen und vor allem älteren Menschen sei sie absolut sinnvoll. „Auch Kinder mit Vorerkrankungen würde ich natürlich impfen.“Nur bei den anderen jungen Menschen wolle sie noch warten. Blumtritt dagegen stützt sich darauf, dass die Einschätzung der Stiko keinem Verbot gleichkommt. Im 27. Epidemiologischen Bulletin des RobertKoch-Instituts steht mit Verweis auf die Stiko: „Der Einsatz des Impfstoffs bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren ohne Vorerkrankungen ist aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz möglich.“