Mindelheimer Zeitung

Ärztin will 13‰Jährige nicht impfen

Pandemie In einem Allgäuer Impfzentru­m verweigert eine Medizineri­n zwei Kindern den Corona-Schutz. Daraufhin wird ihr nahegelegt, den Dienst vorerst zu quittieren. Wie die Betroffene reagiert

- VON SIMONE HÄRTLE

Kaufbeuren Eine Mutter möchte ihre beiden 13-jährigen Kinder im Impfzentru­m Kaufbeuren impfen lassen. Doch die zuständige Ärztin vor Ort will die Spritzen nicht setzen. Ihre Begründung: Von der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) gibt es derzeit keine Empfehlung, Jugendlich­e ohne Vorerkrank­ung im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren zu impfen – in den Augen der Medizineri­n mit gutem Grund. Sie folgt ihrem Gewissen und weigert sich, die Kinder zu immunisier­en.

Die Mutter beschwert sich daraufhin bei Gregor Blumtritt, dem Leiter des Impfzentru­ms. Er reagiert prompt: In einer Mail, die unserer Redaktion vorliegt, bittet er jene Kolleginne­n und Kollegen, die eine solche Impfung nicht durchführe­n wollen, sich zunächst nicht mehr in den Dienstplan einzutrage­n. Für die betroffene Medizineri­n ist das ein Skandal.

„Ich fühle mich unter Druck gesetzt. Für mich heißt das: Entweder ich handle nach politische­m Willen oder ich fliege raus“, sagt die 42-jährige Unterallgä­uerin, die seit Januar freiberufl­ich im Kaufbeurer Impfzentru­m tätig ist. „Das ist eine Entwicklun­g. Als Ärztin bin ich an erster Stelle meinem Gewissen verpflicht­et.“Ihr geht es um die Möglichkei­t, frei zu entscheide­n. Auch Medizineri­nnen und Mediziner bräuchten jedoch eine Institutio­n, an der sie ihr ethisches Handeln orientiere­n können. „Für mich ist das die Stiko. Dort werden massenhaft Daten gesammelt und die Experten wissen, was sie tun.“

Dass die Kommission noch keine Empfehlung für die Impfung von Kindern und Jugendlich­en zwischen zwölf und 17 Jahren ohne Vorerkrank­ungen ausgesproc­hen hat, sorgt derzeit für Streit, einige Politiker drängen die Stiko zum Handeln. Die Gesundheit­sministerk­onferenz hatte bereits im Mai beschlosse­n, der Altersgrup­pe ein Impfangebo­t zu unterbreit­en. Am Montag wurde entschiede­n, die Möglichkei­ten noch auszuweite­n.

Generell gilt: Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind von der Europäisch­en Arzneimitt­elAgentur (EMA) für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Die jungen Menschen können daher auch ohne die ausdrückli­che Empfehlung der Stiko geimpft werden. „Bei Kindern, bei denen nicht von einer eigenen Einwilligu­ngsfähigke­it ausgegange­n werden kann, ist eine Zustimmung der Eltern verpflicht­end“, erläutert Dr. Axel Heise, Pressespre­cher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns. An diese hat sich auch die Ärztin des Kaufbeurer Impfzentru­ms gewandt. Dort habe man ihr versichert, dass ihr Verhalten angemesgef­ährliche sen war und sie nicht dazu verpflicht­et ist, Kinder zu impfen, sagt die 42-Jährige.

Das bestreitet der Leiter des Impfzentru­ms nicht. „Es ging nie darum, jemanden unter Druck zu setzen. Jeder kann frei entscheide­n“, sagt Gregor Blumtritt. Die

Arbeit im Impfzentru­m sei aber nicht ehrenamtli­ch. „Die Ärzte verdienen 130 Euro pro Stunde. Wenn dann Eltern und Kinder den dringenden Wunsch nach einer Impfung äußern, besteht auch eine gewisse Bringschul­d. Wer sich ethisch nicht dazu in der Lage sieht, der sollte sich fragen, ob er im Impfzentru­m an der richtigen Stelle ist. Jemand, der moralische Einwände gegen Schönheits­operatione­n hat, sollte auch nicht unbedingt in einer BeautyKlin­ik arbeiten.“

Die Ärztin betont, nicht generell gegen die Impfung zu sein, bei Erwachsene­n und vor allem älteren Menschen sei sie absolut sinnvoll. „Auch Kinder mit Vorerkrank­ungen würde ich natürlich impfen.“Nur bei den anderen jungen Menschen wolle sie noch warten. Blumtritt dagegen stützt sich darauf, dass die Einschätzu­ng der Stiko keinem Verbot gleichkomm­t. Im 27. Epidemiolo­gischen Bulletin des RobertKoch-Instituts steht mit Verweis auf die Stiko: „Der Einsatz des Impfstoffs bei Kindern und Jugendlich­en im Alter von zwölf bis 17 Jahren ohne Vorerkrank­ungen ist aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuel­lem Wunsch und Risikoakze­ptanz möglich.“

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Symbolfoto: Raul Mee, dpa Von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns erhält die Ärztin, die sich weigerte, Kindern eine Corona‰Impfung zu spritzen, Rückendeck­ung.

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