Wer kommt nach Merkel?
Bayreuth als Termin der Regierungsspitze
Bayreuth Es hatte Tradition: Bundeskanzlerin Angela Merkel begann ihren Sommerurlaub mit einem Besuch bei den Richard-Wagner-Festspielen. Wenn ihre Amtszeit nun bald endet, wird dann auch ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin fest den 25. Juli für eine Reise zur Hochkultur nach Franken einplanen? Wer auch immer es ins Kanzleramt schafft, die Einladung aus Bayreuth wird wieder verschickt werden. Der Kanzler oder die Kanzlerin werde von der Stadt Bayreuth grundsätzlich jedes Jahr zur Festspiel-Eröffnung eingeladen. Als große Wagner-Enthusiasten sind aber bislang weder die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) noch die GrünenKanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Erscheinung getreten.
Daher ist es möglich, dass die Festspiele künftig wieder ohne Kanzler oder Kanzlerin eröffnet werden. Vor Merkels Amtszeit war das üblich. Die Regierungschefs machten einen Bogen um Bayreuth. Gerhard Schröder wollte 2002 die Arbeit seines guten Freundes Jürgen Flimm in Bayreuth begutachten, der damals den „Ring“inszenierte, sagte dann aber ab. Ein Jahr später kam er, aber erst am 18. August, eine Woche vor Festspiel-Schluss. Schröder war damit der erste amtierende Regierungschef der Bundesrepublik, der eine Festspiel-Aufführung besuchte. Bundespräsidenten waren deutlich häufiger in Bayreuth zu Gast, etwa Richard von Weizsäcker, der 1993 sogar an der Seite von Michail Gorbatschow WagnerKlängen lauschte.
Um die lange währende Distanz der Kanzler zum Bayreuther Wagner-Spektakel zu verstehen, hilft ein Blick in die Geschichte. Der Nationalsozialismus und die Wagners bildeten eine unheilige Allianz, Hitler war Dauergast bei den Festspielen. Nach dem Zweiten Weltkrieg starteten die Festspiele erst 1951 wieder. Die Idee vom unpolitischen, ganz der Kunst verschriebenen „Neubayreuth“der Wagner-Enkel Wieland und Wolfgang sollte die tiefen Verstrickungen der Festspiele und der Familie Wagner übertünchen. Was nicht so ohne Weiteres funktionierte.
In seinem Buch „Richard Wagner und die Deutschen“schreibt der Historiker Sven Oliver Müller, dass die glühende Hitler-Verehrerin Winifred Wagner, Wielands und Wolfgangs Mutter, auch nach dem Neustart der Festspiele „Prominente der NS-Zeit“nach Bayreuth eingeladen hatte. „Hochrangige Bundespolitiker mieden das Forum aus diesem Grund lange Zeit.“Der erste amtierende Bundespräsident in Bayreuth war demnach Gustav Heinemann 1969. „Bis ein amtierender Bundeskanzler es wagte, an die Wallstatt des Reichskanzlers Hitler zu kommen, verging noch mehr Zeit“, schreibt Müller.
Wenn heute Promis aus Politik und Gesellschaft über den roten Teppich schreiten, denken wohl die wenigsten an die dunkle Vergangenheit. Bei Angela Merkel kann man durchaus davon ausgehen, dass es ihr an den Tagen in Bayreuth um die Oper ging und weniger um die Politik. Auch wenn die viel beachtete Eröffnungspremiere vorbei war, sah man sie und ihren Mann Joachim Sauer noch bei weiteren Aufführungen im Festspielhaus. Merkel wird auch als Ex-Kanzlerin eine Einladung der Stadt Bayreuth zu den Festspielen bekommen: „Wir freuen uns, wenn sie auch in den nächsten Jahren hierherkommt“, versichert Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger.