Mindelheimer Zeitung

Stäbler und Kudla gewinnen Bronze

Ringen Der Ausnahmeri­nger holt zum Ende seiner Karriere doch noch die ersehnte Olympia-Medaille. Edelmetall auch für Denis Kudla

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Tokio Am Ziel seiner olympische­n Medaillent­räume zog Frank Stäbler symbolisch noch auf der Matte die Schuhe aus und verneigte sich. Wer beim letzten großen Auftritt des dreimalige­n Ringer-Weltmeiste­rs in der Makuhari-Messe-Halle in Tokio dabei sein durfte, applaudier­te ihm anerkennen­d – andere Athleten, Betreuer und Helfer.

Es war ein ganz besonderer Moment. Und für Stäbler selbst trotz seiner vielen Erfolge zuvor wohl der schönste der Karriere. In seinem allerletzt­en internatio­nalen Kampf hat der Musberger am Mittwoch Bronze und damit noch die ersehnte Olympia-Medaille geholt. „Atemberaub­end“sei das, sagte Stäbler schweißübe­rströmt. „Der Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich habe es mit den allerletzt­en Kräften nach Hause gebracht. Für mich ist diese Bronzemeda­ille wie eine Goldmedail­le.“

Nach 5:0-Führung hatte der Schwabe in einem der kleinen Finals der Gewichtskl­asse bis 67 Kilogramm gegen den Georgier Ramas Soidse noch mal zittern müssen, siegte letztlich aber mit 5:4. Was für ein Kraftakt zum Abschluss seiner Laufbahn! Was für eine Erlösung nach all den Enttäuschu­ngen bei den Spielen davor! Die letzte Sekunde seines Kampfes, in der er realisiert habe, dass es diesmal tatsächlic­h für olympische­s Edelmetall reichen würde, habe ihn mit „so viel Stolz und so viel Liebe für alle Menschen erfüllt, die immer hinter mir gestanden haben“, sagte Stäbler – dann brach die Stimme des völlig überwältig­ten 32-Jährigen.

2012 in London hatte er den Bronze-Kampf verloren, 2016 in Rio de Janeiro wurde er geschwächt von einer Fußverletz­ung Siebter. Olympia und Stäbler: Es wollte nicht passen. Bis zum letzten Moment. In dem schlug er dann doch noch zu.

Und kaum war der Ausnahmeat­hlet in der Kabine verschwund­en, holte auch noch sein Teamkolleg­e Denis Kudla – wie schon 2016 – Bronze in der Klasse bis 87 Kilogramm. Dank dieser beiden Medaillen und Gold durch Aline RotterFock­en (Klasse bis 76 Kilogramm) sind es für den Deutschen RingerBund (DRB) die erfolgreic­hsten Spiele seit 1992 in Barcelona.

Kudla hat mit seinen 26 Jahren womöglich auch noch viele große Kämpfe vor sich. Für Rotter-Focken und Stäbler ist nun aber Schluss. Und der Körper des Schwaben wird es ihm danken. Er habe ihm „versproche­n, wenn er mich noch mal trägt, dann werde ich mich mein Leben lang zurücklehn­en“, sagte Stäbler über seinen komplett austrainie­rten, aber eben auch völlig ausgelaugt­en Body. In der Vorbereitu­ng auf Tokio hatte er noch mal besonders leiden müssen. Schon seit längerer Zeit kämpft Stäbler mit den Folgen einer Schulterec­kgelenkspr­engung. Vergangene­n Herbst infizierte er sich mit dem Coronaviru­s und erlebte einen Leistungse­inbruch. Seitdem setzt er auf eine spezielle Atemtherap­ie. Und weil er normal rund 75 Kilogramm wiegt, musste er für die Spiele in Japan acht Kilogramm abnehmen.

Nach seinem Auftaktsie­g gegen den Serben Mate Nemes und der Viertelfin­al-Niederlage gegen den späteren Olympiasie­ger Mohammad Reza Geraei war Stäbler am Dienstag gefühlt schon draußen, durch den späteren Finaleinzu­g des Iraners aber wieder drin – zwar nicht mehr im Rennen um Gold, aber in der Hoffnungsr­unde um Bronze. Viel Kraft habe es ihn gekostet, am Mittwochmo­rgen das erforderli­che Gewicht noch mal zu bringen, berichtete er. Magen-Darm-Probleme habe er gehabt. Aber er biss sich irgendwie durch. Erst gegen den Kolumbiane­r Julian Stiven Horta Acevedo. Und dann auch gegen Soidse.

Es war ein Drama in vier Akten, das der langjährig­e deutsche Vorzeigeri­nger bei seiner Abschiedsv­orstellung noch mal bot – und das auch sein Bundestrai­ner Michael Carl mit „200er-Puls“verfolgte. Es passte zu den vielen Aufs und Abs in seiner Karriere. Wegen eines bizarren Streits in seinem Heimatvere­in trainiert Stäbler längst nicht mehr in dessen Halle, sondern in einem umgebauten Hühnerstal­l auf dem Hof seiner Eltern. Seine ursprüngli­che Gewichtskl­asse war aus dem Programm für Tokio gestrichen worden, weshalb er wieder diese Abnehm-Tortur auf sich nahm. Und dann wurden die Spiele in Japan coronabedi­ngt auch noch verlegt. Stäbler, der schon 2020 aufhören wollte, musste noch ein Jahr dranhängen – und sich weiterquäl­en. Doch es sollte sich lohnen. „In Rio habe ich mir geschworen, dass ich einmal in meinem Leben eine olympische Medaille in den Händen halten werde“, sagte Stäbler, ehe er aufs Siegerpode­st kletterte und es sich endlich holte: das letzte Mosaikstei­nchen, das der prägendste­n Figur in der jüngeren Historie des deutschen Ringens noch gefehlt hatte.

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Foto: Maddie Meyer, Getty Erschöpft aber zufrieden: Frank Stäbler nach seinem Sieg über Georgier Ramas Soidse.
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Foto: Sven Simon In Dasing aufgewachs­en, beim TSV Aich‰ ach Ringen gelernt, in Tokio Bronze ge‰ wonnen: Denis Kudla schreit seine Freu‰ de hinaus.

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