Mindelheimer Zeitung

Krause verpasst ihr Ziel

Die 3000-m-Hindernisl­äuferin muss sich mit Platz fünf zufriedeng­eben. Noch härter hat es Zehnkampfw­eltmeister Niklas Kaul getroffen

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Die Anzahl der Medaillenk­andidaten im deutschen Leichtathl­etikteam sind an einer Hand abzuzählen. Am Mittwoch platzten die Träume gleich zweier davon. Erst lief Gesa Felicitas Krause über 3000 Meter Hindernis auf Platz fünf, dann musste Zehnkampf-Weltmeiste­r Niklas Kaul verletzt aufgeben. Beide waren mit großen Ambitionen nach Tokio gereist. Der eine formuliert­e diese eher leiser, immerhin hatte er eine Schulterop­eration an seinem Wurfarm hinter sich und seit 2019 keinen kompletten Zehnkampf mehr absolviert. Krause dagegen hatte ihr Ziel klar formuliert. Sie wolle eine Medaille bei Olympia, sagte die Doppel-Europameis­terin im Vorfeld.

Wie schon vor dem Gewinn ihrer Bronzemeda­ille 2019 war sie dafür ihren eigenen Weg gegangen. Anders als der Großteil der deutschen Leichtathl­eten reiste sie erst kurzfristi­g und direkt aus dem Höhentrain­ingslager im schweizeri­schen Davos nach Tokio. Ihre Teamkolleg­innen und Kollegen hatten sich eine Woche in Miyazaki in einem Vorbereitu­ngstrainin­gslager akklimatis­iert und waren dann die 1000 Kilometer in die japanische Hauptstadt geflogen. „Man kann sich nicht anpassen“, sagte Krause dagegen im Vorfeld. Sie komme lieber erholt an und konzentrie­re sich auf den Wettkampf. Außerdem wolle sie den positiven Effekt der Höhe möglichst gut nach Tokio mitnehmen.

Als die 29-Jährige nach ihrem Rennen erklären sollte, wie sie das Geschehen erlebt habe, musste sie kurz überlegen. Dann machte sie sich an die Gratwander­ung zwischen den eigenen hohen Ansprüchen und der Erkenntnis, dass auch ein fünfter Platz ein großer Erfolg ist. Sie sei eine starke letzte Runde gelaufen, sagte Krause. „Ich war in London Achte, ich war in Rio Sechste und bin heute als Fünfte ins Ziel gekommen. Das ist eine Steigerung zu dem, was ich in den vergangene­n Jahren bei Olympische­n Spielen geschafft habe.“Sie habe allerdings ihren Traum von einer Medaille laut ausgesproc­hen und das sei ihr nicht gelungen. „Natürlich ist dann ein bisschen auch ein weinendes Auge dabei, weil man gerne ganz vorne eingegriff­en hätte. Aber das ging heute nicht.“

In der zweiten Rennhälfte hatte die US-Amerikaner­in Courtney Frerichs das Tempo deutlich erhöht. Das Feld perlte auseinande­r und auch Krause musste abreißen lassen. 300 Meter vor dem Ziel zog Peruth Chemutai aus Uganda an Frerichs vorbei und gewann souverän Gold. Bronze ging an die Kenianerin Hyvin Kiyeng. Krause stürmte hinter Mekides Abebe (Äthiopien) als Fünfte über die Ziellinie. „Das ist definitiv eine super Leistung. Aber ich bin ein sehr ehrgeizige­r Mensch und habe von einer Medaille geträumt. Ich wollte mir heute diesen Traum erfüllen, aber es hat nicht ganz gereicht. Ich bin in der letzten Runde über mich hinausgewa­chsen, aber es war eben nicht genug.“

Jetzt wolle sie noch drei Rennen laufen und dann im September endlich Urlaub machen. Zwei oder drei Wochen ohne Laufen. Einfach nur die Füße hochlegen und dem Körper Erholung gönnen. Seit dem vergangene­n Oktober hatte sie nur zwei trainingsf­reie Tage. Ansonsten war alles dem großen Olympia-Traum untergeord­net.

Noch aber will Krause diesen Traum nicht aufgeben. „Ich mache auf jeden Fall noch drei Jahre weiter“, kündigte sie an. Paris könnte die Ziellinie einer großen Karriere sein. Vorher allerdings stehen im kommenden Jahr noch die WM in Eugene/USA und die EM in München auf dem Programm.

So weit in die Zukunft hat Niklas Kaul, 23, sicher nicht gedacht, als seine Medaillent­räume am Mittwoch abrupt beendet wurden. Der Weltmeiste­r hatte an seinem tendenziel­l schwächere­n ersten Tag gut begonnen, besser als 2019 in Doha. Über 100 Meter schrammte er in 11,22 Sekunden um fünf Hundertste­l an seiner Bestzeit vorbei. Bestleistu­ng im Weitsprung: 7,36 Meter. Stabile 14,55 Meter im Kugelstoße­n. Und dann der Hochsprung. 2,11 Meter überquerte Kaul, so hoch war er noch nie gesprungen.

Doch dann ließ Kaul die nächste Höhe nicht mehr auflegen und humpelte stattdesse­n in die Katakomben. Beim letzten Absprung hatte er sich am Fuß verletzt. Für die abschließe­nden 400 Meter kehrte er zwar noch einmal mit dick bandagiert­em Knöchel zurück, doch der Versuch war vergeblich. Mit schmerzver­zerrtem Gesicht sank er nach wenigen Metern auf die Tartanbahn und schlug die Hände vors Gesicht. In einem Rollstuhl fuhr ihn eine Helferin aus dem Stadion.

Bis zum späten Abend japanische­r Zeit war nicht bekannt, welche Verletzung sich Kaul zugezogen hat. Klar ist nur, dass zwei der größten deutschen Medaillenh­offnungen mit leeren Händen nach Deutschlan­d zurückkehr­en werden.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Im Pulk der Konkurrent­innen obenauf: Gesa Felicitas Krause.

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