Mindelheimer Zeitung

Trainerver­träge und Stundennac­hweise im Blick

FCA Der Zoll und die Staatsanwa­ltschaft ermitteln im Nachwuchsb­ereich wegen des Verdachtes des unrechtmäß­igen Lohnsplitt­ings und der Mindestloh­nunterschr­eitung. Der FCA ist sich keiner Schuld bewusst und zeigt sich kooperativ

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Die Sichtung der Unterlagen durch die Staatsanwa­ltschaft Augsburg und der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit des Hauptzolla­mtes wird Wochen, wenn nicht Monate dauern. Es sind zig Aktenordne­r und Datenträge­r mit Verträgen mit Nachwuchs-Fußballtra­inern durchzuseh­en, hunderte von Stundennac­hweisen zu prüfen, die 61 Beamte der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit des Augsburger Zolls und der Augsburger Staatsanwa­ltschaft am Dienstag aus der Geschäftss­telle des FC Augsburg an WWK-Arena, einer Steuerkanz­lei und dem Nachwuchsl­eistungsze­ntrum des Vereins an der Donauwörth­er Straße getragen haben.

Die Behörden gehen dem Verdacht des unrechtmäß­igen Lohnsplitt­ings und der Mindestloh­nunterschr­eitung im Nachwuchsb­ereich nach. Ausdrückli­ch nicht im Profiberei­ch, wie die Staatsanwa­ltschaft betont. Sollte sich der Verdacht bestätigen, würden Sozialabga­ben unzulässig­erweise minimiert oder vermieden. Die Grenzziehu­ng zwischen zulässigem und falschem Verhalten ist aber Auslegungs­sache.

Die Ermittlung­en angestoßen hat eine Recherche des investigat­iven Fernsehfor­mates des WDR „Sport inside“. Dort wurde im Frühjahr über Lohndumpin­g bei Nachwuchst­rainern berichtet und anhand der Beispiele FC Augsburg und FC Bayern München aufgezeich­net. Dass sie schlecht bezahlt wurden, bestätigte­n damals auch ehemalige FCA-Nachwuchs-Trainer unserer Redaktion gegenüber.

Aber dabei handelt es sich offensicht­lich um ein Problem an vielen Bundesliga-Standorten. Und nicht nur dort. In allen Sportberei­chen, in denen mit 450-Euro- oder MiniJobs ehrenamtli­che oder nebenberuf­liche Übungsleit­er entlohnt werden, setzen sich die Vereine immer der Gefahr aus, die Gesetze der Mindestent­lohnung zu verletzen, wenn der Mindestloh­n pro Stunde unterschri­tten wird.

Ein Augsburger Trainer hatte in der Sendung, die in der WDR-Mediathek abrufbar ist, das Bezahlmode­ll detaillier­t dargelegt. Der Trainer sagte, er habe im ersten Jahr unter 200 Euro verdient. Die Jahre darauf 250 Euro als Co-Trainer, und das bei einer Wochenarbe­itszeit von über 25 Stunden. Er gab auch an, Stundenzet­tel falsch ausgefüllt zu haben. „Zum Beispiel ein Turnier in Gladbach, Freitag bis Sonntag – dann sollten wir da zwei Stunden eintragen. Wir mussten immer unser Gehalt teilen durch die Zahl der Stunden oder teilen durch den Mindestloh­n. Und dann haben wir rausbekomm­en, wie viel wir insgesamt aufschreib­en konnten.“Schon damals hatte der FCA betont, sich mit seinen Vereinbaru­ngen an das Mindestloh­ngesetz zu halten.

Lohndumpin­g soll laut WDRRecherc­hen auch beim FC Bayern gängige Praxis gewesen sein. Ein Trainer schilderte es in der Sendung so: „Es war der Clou: Man reist irgendwo nach Berlin oder London, ist da drei Tage mit den Kindern komplett zusammen und schreibt 80 Minuten Nettospiel­zeit auf.“Der Münchner Anwalt Andreas Waldschmid­t, der einen ehemaligen Bayern-Trainer vertritt, hatte angesichts ihm vorliegend­er Verträge ebenfalls klare Verstöße gegen das Mindestloh­ngesetz angeprange­rt.

Doch wann beginnt die Arbeitszei­t bei einem Trainer? Die Antwort wird viele Vereinsver­antwortlic­he, nicht nur in Amateur-Fußballver­einen, interessie­ren. Abgesehen von der moralische­n Frage, ob Bundesliga­klubs, die Millionen von Euro umsetzen, ihre Trainer gerade im unteren Nachwuchsb­ereich nicht besser bezahlen sollten, stellt sich die Frage, ob sie sich rechtlich etwas zuschulden kommen lassen. Dem geht nun die Staatsanwa­ltschaft in Augsburg als erste mit Durchsuchu­ngen nach. Das Ergebnis: offen.

Auch andere örtliche Behörden der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit sollen Prüfungs- und Ermittlung­stätigkeit­en aufgenomme­n haben. Die Frage, ob das Hauptzolla­mt München, das für solche Angelegenh­eiten zuständig ist, gegen den FC Bayern ermittelt, ließ die Behörde unbeantwor­tet. „Aus Gründen des Steuergehe­imnisses kann ich mich dazu nicht äußern“, schrieb der Pressespre­cher.

Bei den Untersuchu­ngen im Nachwuchsb­ereich des FCA geht es beim Verdacht des Lohnsplitt­ings um Mitarbeite­r, die zum Teil vom Stammverei­n, dem Fußball-Club Augsburg 1907 (dort ist das NLZ angesiedel­t) und zum Teil von der ausgeglied­erten Fußball-Club Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA bezahlt werden. Hierbei wird überprüft, ob die Vergütung jener Angestellt­en oder Trainer rechtmäßig abläuft. Denn in die KGaA sind neben den Profis auch die U23, U19 und U17 ausgeglied­ert. Und hier gibt es Überschnei­dungen mit dem NLZ. So sind übergeordn­ete Leiter, zum Beispiel im Bereich Pädagogik oder Athletik, sowohl im KGaA-Bereich (U23 bis U17) als auch im Bereich des NLZ (U16 abwärts) tätig und angestellt.

Der FC Augsburg, so ist zu hören, ist sich keiner Schuld bewusst und fühle sich jeweils auf einem sauberen Weg. Weitere Angaben zu dem Verfahren machten der Zoll und der Verein mit Verweis auf die laufenden Ermittlung­en nicht.

Der FC Augsburg hat bei den Durchsuchu­ngen eng mit den Behörden kooperiert. So sollen sich die meisten der 20 Beamten, die am Dienstag in der Geschäftss­telle an der WWK-Arena tätig waren, schon nach eineinhalb Stunden an der Kaffeebar des Vereines aufgehalte­n haben.

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Foto: Fotostand Auch die FCA‰Geschäftss­telle an der WWK‰Arena wurde vom Zoll und der Staatsanwa­ltschaft durchsucht.

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