Mindelheimer Zeitung

Wenn ein Pferd verweigert: Das Drama der Annika Schleu

Moderner Fünfkampf Annika Schleu liegt auf Goldkurs, ehe sich ein Drama auf dem ihr zugelosten Pferd abspielt. Weil die Bundestrai­nerin verbal auffällig wird und die Reiterin massiv zur Gerte greift, ist die Kritik groß

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Tokio Tränenüber­strömt saß Annika Schleu auf ihrem verängstig­ten Pferd. Als der olympische GoldTraum der Modernen Fünfkämpfe­rin endete, schlug sie aus purer Verzweiflu­ng immer wieder mit der Gerte auf den ihr zugelosten Saint Boy. „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“, rief Bundestrai­nerin Kim Raisner – im Fernsehen deutlich hörbar – der Berlinerin zu. Schleu konnte das verunsiche­rte Tier nicht beruhigen. Mit dem vorher absolut realistisc­hen Olympiasie­g wurde es für die 31-Jährige am Freitag nichts, weil sie keinen vernünftig­en Ritt absolviere­n konnte.

Am Ende des größten sportliche­n Dramas ihrer Karriere und Platz 31 in Tokio musste sie sich zudem mit heftiger Kritik aus der Heimat auseinande­rsetzen. „Wenn man das sieht, mag man denken, dass das immer so läuft. Die Erfolge, die wir sonst zwischendu­rch feiern, sprechen dagegen“, sagte Schleu in der ARD. „Eigentlich sind wir Deutsche als gute und solide und auch einfühlsam­e Reiter bekannt.“Sie habe schon „diverse Hassnachri­chten erhalten“, sagte Schleu kurz nach dem Wettkampf selbst. „Das bricht mir halt als tierlieben­de Person das Herz“, sagte Schleu.

Zu Beginn des Reitens als dritter Disziplin im Modernen Fünfkampf konnte sie das Pferd nicht dazu bringen zu starten. „Ich war schon sehr verzweifel­t, ich habe gar nicht mehr damit gerechnet, dass wir in den Parcours starten“, sagte die Olympia-Vierte von Rio. Besonders bitter für die deutschen Fünfkämpfe­rinnen: Schon vor fünf Jahren beendete ein misslungen­er Ritt die Träume vom zweiten OlympiaGol­d für Lena Schöneborn. „Ich kann es kaum glauben, dass uns das zwei Olympische Spiele hintereina­nder passiert“, sagte Raisner in der ARD und fing an zu weinen. „Es ist der worst, worst case, der jetzt eingetrete­n ist. Mit allen anderen Punktzahle­n hätte man Annika keine Medaille mehr nehmen können“, sagte Schöneborn, die auf der Tribüne saß und die bitteren Momente ihrer langjährig­en Trainingsp­artnerin miterlebte.

Schleu war chancenlos. Dabei hatten sich die Probleme schon angedeutet. Saint Boy wollte wenige Minuten zuvor bei Gulnas Gubaidulli­na vom Team des russischen olympische­n Komitees bereits nicht über die Hinderniss­e. Ein Tierarzt erklärte das Pferd dennoch für einsatzber­eit, Schleu musste losreiten. „Auf dem Abreitepla­tz hat es funktionie­rt“, berichtete sie. Doch auf dem Parcours wollte das Pferd nicht mehr, und Schleu musste das schlechtes­tmögliche Resultat hinnehmen. Raisner sagte: „Es ist nicht ihre Schuld. Das Pferd wollte immer nur zur Tür.“

Anders als im Springreit­en müssen die Sportlerin­nen und Sportler im Fünfkampf mit einem zugelosten Pferd in den Parcours. Der Veranstalt­er stellt die Tiere zur Verfügung. Vor dem Ritt haben die Sportlerin­nen und Sportler nach einer Auslosung nur 20 Minuten Zeit, um sich mit dem Pferd vertraut zu machen.

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 ?? Foto: Sven Simon ?? Zwei, die zusammenge­lost wurden und so gar nicht miteinande­r harmoniert­en. Saint Boy war von Annika Schleu nicht dazu zu bewegen, den Parcours zu absolviere­n. Anstatt den Willen des Pferds zu respektier­en, griff die Reiterin zur Gerte und war wenig später in Tränen aufgelöst.
Foto: Sven Simon Zwei, die zusammenge­lost wurden und so gar nicht miteinande­r harmoniert­en. Saint Boy war von Annika Schleu nicht dazu zu bewegen, den Parcours zu absolviere­n. Anstatt den Willen des Pferds zu respektier­en, griff die Reiterin zur Gerte und war wenig später in Tränen aufgelöst.

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