Bahn bereitet sich auf Streik der Lokführer vor
Löhne Im Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft GDL sind die Fronten verhärtet. Bahn-Vorstand Martin Seiler zeigt sich gesprächsbereit, denkt aber bereits an die Auswirkungen für die Kunden. Es geht noch um mehr
Berlin Die Bahn stellt sich auf einen harten Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL ein. „Es ist von einer weiteren Eskalation im Tarifkonflikt auszugehen“, sagte Bahn-Vorstand Martin Seiler am Freitag. Die GDL hat in der Auseinandersetzung eine Urabstimmung ihrer Mitglieder eingeleitet. Das Ergebnis soll am Montag feststehen. Die Gewerkschaft erwartet ein „klares Votum“. Vieles deutet also auf Streik hin.
Damit rechnet auch die Bahn. Die GDL treffe mit ihrem Vorgehen „massiv Kunden und unsere Mitarbeitenden“, sagte Bahn-Vorstand Seiler. „Dies ist eine Attacke auf das ganze Land, gerade wo wir wieder mobil werden und umweltfreundlich Güter transportieren wollen“, fügte er mit Blick auf Corona und den Klimaschutz an. Komme es zum Streik, will die Bahn den Betrieb so weit es geht fortführen. „Wir bereiten uns darauf vor, die Einschränkungen für die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten“, sagte Seiler.
Zwischen Bahn und GDL müssen neue Tarifverträge verhandelt werden. Die Gewerkschaft hatte die alten gekündigt. Nach dem Scheitern der vierten Verhandlungsrunde im hat die GDL Arbeitskämpfe angekündigt, dafür stellt sie nun mit der Urabstimmung die Weichen. Der Bahn-Vorstand zeigte sich bereit, auf die GDL zuzugehen, und forderte die Gewerkschaft mit ihrem Chef Claus Weselsky auf, die Gespräche wieder aufzunehmen. „Wir sind bereit zu Lösungen“, sagt Seiler, der für Personal und Recht zuständig ist.
Die Bahn befinde sich derzeit in einer Sondersituation, gab Seiler zu bedenken. In den heißen Phasen der Corona-Krise blieben viele Züge fast leer. Jetzt kommen die Schäden durch die Flutkatastrophe in Westdeutschland dazu. Die Bahn müsse wohl einen operativen Verlust von zwei Milliarden Euro in diesem Jahr verkraften, warnte Seiler. „Gerade jetzt, wo wir den Betrieb nach der Corona-Pandemie wieder hochfahren, soll es Streiks geben. Das braucht zu diesem Zeitpunkt keiner!“, sagte er.
Die Gewerkschaft wiederum wirft der Bahn vor, kein Interesse an ernsthaften Gesprächen zu haben. „Es handelt sich weder um ein ernsthaftes noch um ein erweitertes Angebot, sondern um eine vor Falschbehauptungen nur so strotzende Scheinofferte mit dem Ziel, die GDL in der Öffentlichkeit als irrational darzustellen“, hatte GDLChef Weselsky zuletzt nach dem Scheitern der Verhandlungen geJuni sagt. Die GDL hatte ursprünglich eine Entgelterhöhung um 4,8 Prozent zum 1. März 2021 sowie eine Corona-Prämie von 1300 Euro gefordert. Laut Seiler bietet das Unternehmen eine Tariferhöhung von 3,2 Prozent in zwei Schritten an: Einmal ein Plus von 1,5 Prozent zum 1. Januar 2022, dann eine zweite Erhöhung um 1,7 Prozent ab 1. März 2023. „Wir sind bei den Prozenten inzwischen nicht weit auseinander, allerdings bei der Laufzeit und den Schüttungen“, sagte er. Die Elemente für eine Lösung lägen aber auf dem Tisch.
Bahn und GDL ringen aber noch um mehr. Es geht auch um Einfluss in der Zukunft. Denn bei der Bahn ist noch eine zweite Gewerkschaft aktiv, die EVG. Sie organisiert zahlenmäßig mehr Personal. Nach dem neuen Tarifeinheitsgesetz zählt künftig der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat. Laut Seiler gibt es in den rund 300 Unternehmen der Bahn 71 Betriebe, in denen Mitglieder sowohl von EVG als auch GDL organisiert sind. In 55 habe die EVG die Mehrheit, in 16 die GDL. „Die GDL ist unser Tarifpartner und soll es bleiben“, beteuerte Seiler. Die Bahn habe beide Gewerkschaften deshalb aufgefordert, über eine geordnete Co-Existenz zu sprechen. Der Vorschlag laute, dass in den Betrieben für Beschäftigte die Verträge ihrer jeweiligen Gewerkschaft gelten; wer keiner Gewerkschaft angehöre, könne wählen.
Die GDL dagegen beklagte, dass es Ziel der Bahn sei, „die GDL zu eliminieren“, davon sei „der Arbeitgeber in Wahrheit keinen Millimeter abgerückt“. Weselsky warf der Bahn eine Strategie von „Tarnen, Tricksen, Täuschen“vor.
Der Ton ist also mehr als rau, derzeit erreicht der Konflikt einen Höhepunkt rund um die Flutkatastrophe. Der Bahn zufolge hätten über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen „alles verloren“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten deshalb viel Geld als Hilfe gespendet, auch in Form von freien Tagen; der Konzern wolle den Betrag verdoppeln.
Die GDL sieht die Aktion kritisch: Die Gewerkschaftsmitglieder würden gerne freiwillig helfen, die Bahn benutze die Flutopfer aber dazu, ihre Beschäftigten „zum Stundenabbau zu bewegen“, schreibt die GDL. „Das ist moralische Erpressung auf dem Rücken tausender Leidtragender.“