Warum immer wir?
Corona Die Inzidenzen steigen und wieder hat das Berchtesgadener Land die höchsten Zahlen. Eine Suche nach Gründen
Augsburg/Berchtesgaden Im Berchtesgadener Land ist die Corona-Inzidenz mit 41,5 weiter die bayernweit höchste. Liegt die Inzidenz in einem Landkreis drei Tage hintereinander über 50, gelten dort wieder schärfere Vorschriften, unter anderem eine Testpflicht für die Gastronomie. So weit wäre es in dem oberbayerischen Landkreis auch fast gekommen, am Montag lag die Inzidenz bei 51, tags darauf bei 54,8. Auch im Vorjahr war das Berchtesgadener Land ein Hotspot. Warum immer wieder wir, dürften sich viele Menschen in der Region fragen.
Die erste Welle traf gerade den malerischen Touristenort an der österreichischen Grenze mit Wucht, ebenso wie die zweite gegen Ende 2020 und die dritte im Frühjahr dieses Jahres. Im Oktober 2020 stiegen die Inzidenzzahlen dramatisch, der bundesweite Rekordwert für den Landkreis lag bei 272,8. Das Landratsamt beschloss neben einem regionalen Lockdown die strengsten Corona-Maßnahmen in Deutschland seit dem nationalen Shutdown im Frühjahr 2020: Ausgangsbeschränkungen, Notbetreuung, Freizeiteinrichtungen aller Art mussten schließen.
Konnten die Verantwortlichen keine Lehren daraus ziehen? Das sei schwierig, heißt es aus dem Landratsamt, denn Gefahrenherde seien Orte, an denen sich Menschen treffen. Gerade die Touristenregion Berchtesgadener Land ist ein solcher. Zwar seien die Öffnungsschritte zu begrüßen, „diese steigern aber das Risiko einer Übertragung.“Diese Risikoabwägung sei jedoch Sache der Politik und nicht der Gesundheitsämter. Zwischen den Jahren war die Politik das Risiko mit den Lockerungen an den Feiertagen eingegangen. „Die haben uns sicherlich nicht gutgetan“, sagte Landrat Bernhard Kern im Gespräch mit unserer Redaktion, denn: „Rund zehn Tage nach Weihnachten und Silvester sind die Zahlen extrem nach oben geschnellt.“
Zudem habe das Gesundheitsamt herausgefunden, dass sich viele Infektions-Cluster in die Betriebe und die Büros verlagert hätten. Auch die Nähe zu Österreich habe eine Rolle gespielt, wegen der Pendler und Pendlerinnen. Diese spielen auch jetzt eine Rolle. Die im ebenfalls nahen Tschechien verbreitete Deltavariante ist schon vor Wochen im Berchtesgadener Land angekommen, das bestätigt das Landratsamt auf Nachfrage. Die Ausgangspunkte der steigenden Fallzahlen seien das Umfeld einer Bar sowie mehrere Betriebe. Von dort aus habe sich das Virus in andere Bereiche, beispielsweise Gastronomie- oder Hotelbetriebe sowie in Kindergärten und Schulklassen übertragen.
Deshalb hat das Gesundheitsamt nun Maßnahmen ergriffen. So sind mobile Teams im Einsatz, die die Einhaltung der Hygieneregeln unter anderem in Gastronomie und Hotellerie kontrollieren. Doch auch Bürgerinnen und Bürger sind gefragt. Sie sollen die Hygieneregeln beachten und sich impfen lassen.
Nicht nur der oberbayerische Landkreis ist von einer hohen Inzidenz betroffen: Auch Aschaffenburg steuert wieder auf die 50 zu. Bundesweit steht das Berchtesgadener Land „nur“auf Platz 20. In Deutschland sind vor allem Landkreise in Norddeutschland betroffen. Aus Schleswig-Holstein finden sich unter den Top Fünf Neumünster (Inzidenz von 81,1), Flensburg (54,2) und Lübeck (50,8). Unter den zehn am stärksten betroffenen Städten in unserer Region finden sich Kaufbeuren (29,3), Kempten (24,6) und Augsburg (21,9); weitaus niedrigere Zahlen weisen dagegen die Landkreise Günzburg (3,1) und Landsberg (7,5) auf.