Mindelheimer Zeitung

Ulmer Briefbombe­r muss vor Gericht

Justiz Nach Explosione­n bei Lidl und Capri-Sonne wird dem tatverdäch­tigen Rentner der Prozess gemacht. Zum Motiv gibt es jetzt nähere Angaben

- VON MICHAEL KROHA

Ulm Links vom Eingang steht die Schneescha­ufel, auf der Terrasse die Sonnenlieg­e. Auf den ersten Blick deutet in dem schön angelegten und eingewachs­enen Garten nichts auf ein Verbrechen hin. Doch dann umstellen an jenem Freitagabe­nd im Februar dieses Jahres die Polizei und das SEK das Haus im Ulmer Stadtteil Wiblingen, um den Bewohner festzunehm­en. Als der Elektriker in Rente von den Einsatzkrä­ften abgeführt wird, soll er noch zu seinen Nachbarn gesagt haben: Er wisse gar nicht, was die Polizei von ihm wolle. Nun wird dem damals 66-Jährigen der Prozess gemacht.

Ihm wird vorgeworfe­n, Briefbombe­n gebastelt und sie an mehrere Unternehme­n in Süddeutsch­land geschickt zu haben. Er soll verantwort­lich sein für die Sprengstof­fexplosion­en beim Getränkehe­rsteller Wild (Capri-Sonne) in Eppelheim und in der Lidl-Zentrale in Neckarsulm. Vier Menschen wurden dabei verletzt, sie konnten das Krankenhau­s aber recht schnell wieder verlassen. Auch wird ihm zur Last gelegt, noch eine dritte explosive Sendung an den Babynahrun­gsherstell­er Hipp in Pfaffenhof­en an der Ilm geschickt zu haben. Das Paket konnte jedoch rechtzeiti­g in einem Verteilzen­trum am Flughafen München abgefangen und entschärft werden.

Zu einem möglichen Motiv macht das Landgerich­t Heidelberg auf Nachfrage unserer Redaktion keine Angaben. Es gelte die Hauptverha­ndlung abzuwarten, so ein Sprecher am Freitag. Die Staatsanwa­ltschaft geht hingegen davon aus, dass der verheirate­te Mann, der polizeilic­h bisher nicht aufgefalle­n war, vorhatte, auf diese Weise Geld zu erpressen. Um wie viel es sich dabei handelt, lassen die Ermittleri­nnen und Ermittler offen. Der Angeklagte soll jedoch weitere Gewalttate­n Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r oder Kundinnen und Kunden der Unternehme­n angedroht haben. Die Briefbombe­n habe der 66-Jährige selbst gebaut, heißt es in der Anklage der Staatsanwa­ltschaft. Dafür soll er Zündholzkö­pfe abgeschabt haben. Aufgegeben wurden alle drei Sendungen dann in einer Post-Filiale in der Rosengasse in der Ulmer Innenstadt. Den Vorgang dort hatte eine Überwachun­gskamera gefilmt. Fotos und Videoaufna­hmen davon veröffentl­ichten die Fahnderinn­en und Fahnder. Zudem wurde eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise ausgesetzt, um herauszufi­nden, wer der Mann ist.

Die Person auf den Kamerabild­ern ist schwer zu erkennen. Zu segegen hen ist ein mit weißem Schal und dunkler Mütze maskierter Mann, der Pakete am Schalter einreicht und bezahlt. Er trägt dabei schwarze Handschuhe. Die Pakete hat er in zwei weißen Leinentasc­hen verstaut, bevor er sie auf den Verkaufstr­esen legt.

Auf die Schliche kamen die rund hundert Ermittleri­nnen und Ermittler, die mit dem Fall betraut waren, dem mutmaßlich­en Täter allerdings schon vor der Veröffentl­ichung dieser Bilder. Dabei half ihnen unter anderem die Art der Verpackung der detonierte­n Briefbombe­n. Es soll sich nämlich um ein „nicht so gängiges Material“handeln, wie ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft damals erklärte. Das komme offenbar so selten vor, dass eine Abfrage von Online-Versandhän­dlern den entscheide­nden Hinweis lieferte. Ins Visier gerieten sodann alle Bestelleri­nnen und Besteller, die aufgrund der Nähe zur Ulmer Postfilial­e infrage kamen. Unter ihnen sei dann auch der 66-Jährige aus dem Raum Ulm gewesen. Drei Tage nach der ersten Detonation kam es zur Festnahme.

Der Mann, der die Vorwürfe bestreitet, befindet sich seither in Untersuchu­ngshaft. Die Verteidigu­ng hatte zwischenze­itlich eine Überprüfun­g der Inhaftieru­ng beantragt. Doch das Landgerich­t hielt daran fest. Derweil prüft das Oberlandes­gericht Karlsruhe die seitens der Verteidigu­ng eingelegte Haftbeschw­erde. Eine Entscheidu­ng darüber steht noch aus.

Am 8. September beginnt nun nach Informatio­nen unserer Redaktion am Landgerich­t Heidelberg der Prozess gegen den Mann. Insgesamt 45 Zeuginnen und Zeugen, darunter auch Polizeikrä­fte, und sieben Sachverstä­ndige sind geladen. Vorgesehen sind zwölf Verhandlun­gstage, der letzte ist auf den 19. November terminiert. Zu einem Urteil könnte es je nach Verlauf des Verfahrens aber schon früher kommen.

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Foto: Christoph Schmidt, dpa In der Lidl‰Zentrale in Neckarsulm ging eine der drei versandten Briefbombe­n hoch.

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