Ulmer Briefbomber muss vor Gericht
Justiz Nach Explosionen bei Lidl und Capri-Sonne wird dem tatverdächtigen Rentner der Prozess gemacht. Zum Motiv gibt es jetzt nähere Angaben
Ulm Links vom Eingang steht die Schneeschaufel, auf der Terrasse die Sonnenliege. Auf den ersten Blick deutet in dem schön angelegten und eingewachsenen Garten nichts auf ein Verbrechen hin. Doch dann umstellen an jenem Freitagabend im Februar dieses Jahres die Polizei und das SEK das Haus im Ulmer Stadtteil Wiblingen, um den Bewohner festzunehmen. Als der Elektriker in Rente von den Einsatzkräften abgeführt wird, soll er noch zu seinen Nachbarn gesagt haben: Er wisse gar nicht, was die Polizei von ihm wolle. Nun wird dem damals 66-Jährigen der Prozess gemacht.
Ihm wird vorgeworfen, Briefbomben gebastelt und sie an mehrere Unternehmen in Süddeutschland geschickt zu haben. Er soll verantwortlich sein für die Sprengstoffexplosionen beim Getränkehersteller Wild (Capri-Sonne) in Eppelheim und in der Lidl-Zentrale in Neckarsulm. Vier Menschen wurden dabei verletzt, sie konnten das Krankenhaus aber recht schnell wieder verlassen. Auch wird ihm zur Last gelegt, noch eine dritte explosive Sendung an den Babynahrungshersteller Hipp in Pfaffenhofen an der Ilm geschickt zu haben. Das Paket konnte jedoch rechtzeitig in einem Verteilzentrum am Flughafen München abgefangen und entschärft werden.
Zu einem möglichen Motiv macht das Landgericht Heidelberg auf Nachfrage unserer Redaktion keine Angaben. Es gelte die Hauptverhandlung abzuwarten, so ein Sprecher am Freitag. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass der verheiratete Mann, der polizeilich bisher nicht aufgefallen war, vorhatte, auf diese Weise Geld zu erpressen. Um wie viel es sich dabei handelt, lassen die Ermittlerinnen und Ermittler offen. Der Angeklagte soll jedoch weitere Gewalttaten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Kundinnen und Kunden der Unternehmen angedroht haben. Die Briefbomben habe der 66-Jährige selbst gebaut, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Dafür soll er Zündholzköpfe abgeschabt haben. Aufgegeben wurden alle drei Sendungen dann in einer Post-Filiale in der Rosengasse in der Ulmer Innenstadt. Den Vorgang dort hatte eine Überwachungskamera gefilmt. Fotos und Videoaufnahmen davon veröffentlichten die Fahnderinnen und Fahnder. Zudem wurde eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise ausgesetzt, um herauszufinden, wer der Mann ist.
Die Person auf den Kamerabildern ist schwer zu erkennen. Zu segegen hen ist ein mit weißem Schal und dunkler Mütze maskierter Mann, der Pakete am Schalter einreicht und bezahlt. Er trägt dabei schwarze Handschuhe. Die Pakete hat er in zwei weißen Leinentaschen verstaut, bevor er sie auf den Verkaufstresen legt.
Auf die Schliche kamen die rund hundert Ermittlerinnen und Ermittler, die mit dem Fall betraut waren, dem mutmaßlichen Täter allerdings schon vor der Veröffentlichung dieser Bilder. Dabei half ihnen unter anderem die Art der Verpackung der detonierten Briefbomben. Es soll sich nämlich um ein „nicht so gängiges Material“handeln, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft damals erklärte. Das komme offenbar so selten vor, dass eine Abfrage von Online-Versandhändlern den entscheidenden Hinweis lieferte. Ins Visier gerieten sodann alle Bestellerinnen und Besteller, die aufgrund der Nähe zur Ulmer Postfiliale infrage kamen. Unter ihnen sei dann auch der 66-Jährige aus dem Raum Ulm gewesen. Drei Tage nach der ersten Detonation kam es zur Festnahme.
Der Mann, der die Vorwürfe bestreitet, befindet sich seither in Untersuchungshaft. Die Verteidigung hatte zwischenzeitlich eine Überprüfung der Inhaftierung beantragt. Doch das Landgericht hielt daran fest. Derweil prüft das Oberlandesgericht Karlsruhe die seitens der Verteidigung eingelegte Haftbeschwerde. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.
Am 8. September beginnt nun nach Informationen unserer Redaktion am Landgericht Heidelberg der Prozess gegen den Mann. Insgesamt 45 Zeuginnen und Zeugen, darunter auch Polizeikräfte, und sieben Sachverständige sind geladen. Vorgesehen sind zwölf Verhandlungstage, der letzte ist auf den 19. November terminiert. Zu einem Urteil könnte es je nach Verlauf des Verfahrens aber schon früher kommen.