Mindelheimer Zeitung

Viel zu sehen – wenn auch nur aus der Ferne

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Es waren ganz besondere Spiele, die am Sonntag in Tokio enden. Corona hat auch sie auf den Kopf gestellt. So sehr man über Sinn oder Unsinn dieser Spiele streiten mag: Die Japaner haben alles dafür getan, dass es geklappt hat. Der zweiwöchig­en Quasi-Quarantäne nach Einreise ist es geschuldet, dass den meisten Ausländern ein genauerer Blick auf Japan verwehrt blieb. Trotzdem gab es viel zu sehen, wenn auch oft nur aus der Ferne und durch die Gläser der Busscheibe­n. Doch eines war und ist auch innerhalb der Blase allgegenwä­rtig: die Freundlich­keit der Gastgeber.

Busfahrer begrüßen und verabschie­den ihre Fahrgäste einzeln. An jeder Ecke steht ein Helfer, der einem die Richtung weist. Oder die Damen am Haupteinga­ng des Pressezent­rums, die einem auch noch am vorletzten Tag voll Hingabe den Temperatur­check erklären. Die Freundlich­keit geht so weit, dass ein Kollege erstaunt feststellt­e, er sehne sich nach den stoffligen Busfahrern seiner Heimatstad­t. „Ehrlich, ich will einfach mal wieder angeschnau­zt werden.“

Einprägsam auch die japanische Organisati­onslust. Um die Anzahl der Journalist­en in den Mixed-Zones

zu kontrollie­ren gibt es für diese Bereiche eigene Eintrittsk­arten. Das System ist überall anders und besonders eigenwilli­g an der Skateboard­anlage. Dort werden die Karten am Eingang von Helfer A verteilt. Einen Meter weiter sitzt Helfer B und sammelt sie wieder ein. Er sei hier für das Zählen zuständig, sagte er auf erstauntes Nachfragen und wirkte überrascht, dass das nicht klar sei.

Sehr freundlich auch der Herr, der in einem der kleineren Pressezent­ren beim Freiwasser­schwimmen für die Suche nach (verbotenen) WLAN-Verstärker­n zuständig ist. Minuntenla­ng stand er hinter einem eifrig tippenden Korrespond­enten aus Spanien. Der Kontrolleu­r wollte einerseits die verdächtig­e Gerätschaf­t des Schreibers kontrollie­ren, ihn anderersei­ts aber nicht stören. Ein Zwiespalt, der sich erst auflöste, als der Spanier aufblickte und des auffällig unauffälli­gen Kontrolleu­rs gewahr wurde.

Und auch in Japan gilt: Es sind die kleinen Dinge im Leben, die es so interessan­t machen. Die Kloschüsse­l im Hotelzimme­r beispielsw­eise, die bei Körperkont­akt zu blinken beginnt. Des nächtens eine gewöhnungs­bedürftige Angelegenh­eit.

Bleiben wird von „Tokyo 2020“, wie das IOC die Spiele trotz der Verschiebu­ng benannte, aber natürlich anderes. Vor allem die Erkenntnis, dass es die Japaner geschafft haben. Und dabei immer freundlich blieben.

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Foto: Pförtner, dpa Überall freundlich­e Helfer, wie hier an einer Bushaltest­elle.
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