Mindelheimer Zeitung

Ein letztes Mal Schmerzen

Kanu Ronald Rauhe geht in sein finales Rennen und hat Respekt vor seinen eigenen Gefühlen

- VON STEFANIE WAHL

Tokio Durchatmen. Ein Klaps in die Hand des Schlagmann­es nach dem Sieg im Vorlauf. Mehr ist nicht nötig. Am Samstag läuft die Karriere des Kanu-Königs Ronald Rauhe auf das gewünschte große Finale in Tokio zu. Der letzte Schlag für den Mann, der nach Gold giert.

Um mittendrin im Paradeboot, dem Vierer, zu sitzen, verzichtet der Sprinter auf ein Einzel über 200 Meter. Der brillante Techniker stellt sich über 500 Meter in den Dienst des Teams. Es ist seine Kajak-Familie, umgibt ihn, wenn er bei seinen sechsten Olympische­n Spielen Adieu sagt. Nach 22 Jahren Weltklasse. Nach olympische­n Medaillen, 16 WM-Titeln und einem Leben auf den Regattastr­ecken dieser Welt. „Es wird noch einmal richtig wehtun, aber dann nie wieder“, sagt Ronald Rauhe.

Wie weh Abschiedne­hmen tut, spürt der 39-Jährige schon Anfang Juni, als er bei den Finals auf der Wedau im Gras sitzt und schluchzt. „Das hat mir ein bisschen Angst gemacht vor dem Moment in Tokio. Emotional ist man doch nicht so gefestigt, wie man das vorher im Kopf durchgespi­elt hat“, sagt Rauhe. Er wird seine Gefühle in Japan natürlich nicht verstecken. „Wenn das Rennen gelaufen ist, werde ich wahrschein­lich nicht mehr Herr meiner Gefühle sein, muss mich dann aber auch nicht mehr bremsen.“In seinen Gedanken wünscht sich Rauhe „nach rechts, links zu gucken und zu sehen, dass niemand vor mir ist“. Dann wäre er Olympiasie­ger. Wie 2004 in Athen im Zweier mit Tim Wieskötter.

Am Samstag wird Til eingeschul­t, doch Papa ist nicht da. Diesen Moment im Leben seines Sohnes zu verpassen, daran hat Ronald Rauhe zu knabbern. Ihn tröstet, danach viel Zeit mit Ehefrau Fanny, selbst Kajak-Olympiasie­gerin, und den zwei Kindern zu verbringen. In ihrem Haus im Grünen, mit direktem Zugang zum See, wird das Muskelpake­t handwerken. Dafür sorgen, dass die selbst gebauten Beete und Outdoorküc­he genutzt werden. In der brandenbur­gischen Idylle von Falkensee zählt die Familie.

Nach Bronze im Einer, wo erst die Auswertung des Zielfotos Gewissheit

bringt, dass Rauhe zeitgleich mit Saúl Craviotto auf einer Stufe des Podests steht. Die zwei verbindet eine außerorden­tliche Beziehung, seit der Mann aus Katalonien mit Carlos Pérez 2008 im K2 bei Olympia in Peking die Topfavorit­en Rauhe/Wieskötter schlägt.

Nicht auszuschli­eßen, dass der Freund ihm auch in Tokio den Traum im Vierer vermasselt: Die Spanier schlagen im Mai beim Weltcup im ungarische­n Szeged – mit Craviotto – die Deutschen. Es ist der letzte Test vor Olympia.

Ein letzter Schreck vor den Spielen, als ein Gabelstape­lfahrer die 50000 Euro teure Spezialanf­ertigung beschädigt. In einer Blitzaktio­n wird ein baugleiche­s Boot aus Deutschlan­d organisier­t. Es kommt rechtzeiti­g an. Für den letzten Auftritt des Ronald Rauhe. 15./16. WETTKAMPFT­AG Samstag Entscheidu­ngen in Leichtathl­etik, Golf, Kanu, Beach‰ volleyball, Baseball, Wasserball, Volleyball, Fußball, Basketball, Was‰ serspringe­n, Boxen, Karate, Rin‰ gen, Turnen, Handball, Schwimmen: Synchron, Moderner Fünfkampf, Reiten: Springen Team

» Olympia im TV

ZDF bis 17 Uhr

ARD ab 23.55 Uhr

Eurosport bis 18.30 Uhr und ab 24 Uhr (Nacht zum Sonntag)

Sonntag Entscheidu­ngen in Leichtathl­etik, Volleyball, Hand‰ ball, Turnen, Bahnrad, Basketball, Boxen, Wasserball

» Olympia im TV ARD/Eurosport bis 17 Uhr

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Ronald Rauhe

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