Die Frage der Woche Olympia geguckt?
Die Umstände mögen prekär sein, die Organisationsstrukturen fragwürdig, die Uhrzeiten ungünstig: Wer sich aber auch nur ein bisschen für Sport interessiert und sich all den Unbilden zum Trotz mit offenen Augen fürs Wesentliche einmal in die Auswahl der LiveStreams von den Olympischen Spielen in Tokio einloggt, wird vom ewigen Faszinosum überwältigt.
Unfassbar, was die Athletinnen und Athleten da leisten, gerade auch in Disziplinen, die die meisten eben höchstens bei Olympia mal ansehen. Nur mal zum Beispiel der vergangene Sonntag: Klar, da hat Alexander Zverev im Tennis triumphiert und zugleich sein Finalgegner Khachanov das Drama erlebt, im wichtigsten Match seiner Karriere nie ins Spiel gefunden zu haben – zum Schlägerzerdeppern! Aber da war außerdem ein irrwitziges Finale im Badminton der Frauen. Da war die historische, freiwillige Teilung der Goldmedaille im Hochsprung der Männer, was den Italiener Tamberi vor Freude ausrasten ließ. Da war im letzten Versuch der sagenhafte Weltrekord im Dreisprung der Frauen durch die Venezolanerin Rojas. Da war ein so tolles wie spannendes Basketballspiel in der Vorrunde zwischen abgezockten Spaniern und hingebungsvollen Slowenen. Da ging Golf in ein packendes Finale. Da schossen die Argentinier sensationell die USA im Volleyball ab und damit den Titelverteidiger raus – mit Schmetterbällen aus Höhen von bis zu 3,50 Metern… Während es draußen dröge regnete, konnten einem drinnen bei Olympia aus Tokio Mitfreude-Tränen, Spannungskitzel und Überwältigungsgänsehaut kommen. Und auf dieses Erlebnis verzichten, weil…? Nein! Man wird, um es mit einem schönen Wort des Schriftstellers Georg Klein zu sagen: sportfromm. Toll!
Kennen Sie das, liebe Leserin, lieber Leser? Sie gehen seit langem mal wieder ins Stadion und das Lieblingsteam verliert. Oder Sie gucken ausnahmsweise mal ein Länderspiel im Fernsehen und „ihre“Mannschaft fliegt raus. Oder Sie gehen kurz raus und das favorisierte Team schießt ein Tor. Zufall? Schlechtes SportKarma? Vielleicht lieber doch den Fernseher auslassen? Oder dem Stadion fernbleiben, damit das Lieblingsteam gewinnt?
Klar, alles Aberglaube. Eignet sich also auch nicht als stichfestes Argument, um nicht Olympia zu gucken. Keine Sorge, es gibt genügend andere Gründe, gerade nicht den Fernseher einzuschalten. Zum Beispiel der Olympia-Boykott: In Pandemiezeiten Europameisterschaften und Olympische Spiele abzuhalten, zigtausende Menschen um den Globus zu schicken, ist schlichtweg Wahnsinn. Genauso übrigens, wie eine Weltmeisterschaft in einer Wüste abzuhalten… Immerhin hat Japan die Corona-Gefahr fürs eigene Land und die Welt erkannt und kein Publikum zugelassen. Was aber zum zweiten Nicht-Einschalt-Grund führt: Olympische Wettkämpfe vor leeren Rängen machen selbst am Fernseher nur halb so viel Spaß. Hintergrundgeräusche, der Jubel, der Applaus – wichtig für die Gesamtstimmung, wissen wir alles aus der „Geisterbundesliga“.
Zugegeben, in HomeofficeZeiten ist Olympia-Gucken ja doch einfacher als sonst im Büro. Also zur Investigativ-Recherche für diesen Text mal ausprobiert – ist ja nicht Glotzen, ist ja Arbeit. Den Fernseher ins Arbeitszimmer gestellt, neben dem Schreibtisch postiert und Handball-Viertelfinale geguckt. Deutschland gegen Ägypten, bei jedem Handyklingeln leiser geschaltet. Was soll ich sagen? Gut, dass ich das Einzel-Herrentennis-Finale nicht gesehen habe…