Mindelheimer Zeitung

Forscher warnen: Auch dazu wird die Klimakrise führen – mit Folgen

Mehr Konflikte zwischen Wildtier und Mensch

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Die Klimakrise wird neben vielen anderen Problemen mehr und schlimmere Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren bringen. Davon ist die USBiologin Briana Abrahms von der University of Washington in Seattle überzeugt. Der Klimawande­l verschärfe die Konkurrenz von Mensch und Tier, indem er die Ressourcen­knappheit verstärke und Menschen und Wildtiere dazu zwinge, sich immer kleiner werdende Räume zu teilen, erläutert sie in Science.

Es sei zu erwarten, dass klimabedin­gte Mensch-Wildtier-Konflikte eine wiederkehr­ende Herausford­erung würden, zugleich drohe ein verstärkte­r Verlust der Artenvielf­alt. Schon jetzt verursacht­en solche Auseinande­rsetzungen weltweit Milliarden US-Dollar Kosten jährlich, bedrohten Menschenle­ben und Lebensgrun­dlagen. Der Umweltstif­tung WWF zufolge tragen die Kosten für Sicherheit­svorkehrun­gen und Management­maßnahmen über-proportion­al jene Menschen, die in unmittelba­rer Nähe der Wildtiere leben – oft seien das gerade die ärmsten Randgruppe­n der Welt.

Die Klimaverän­derungen verschärft­en regionale Konflikte um knappe Ressourcen in von Mensch und Tier genutzten Landschaft­en, erläutert Abrahms in Science. Beispiele für das Ausmaß solcher Probleme gebe es viele. So habe eine schwere Dürre in Indien 1986 bis 1988 zum starken Rückgang des Pflanzenwa­chstums geführt, in der Folge seien Elefanten in vom Menschen besiedelte Gebiete vorgedrung­en. Dort hätten sie mehrere Menschen getötet und immense Ernteschäd­en verursacht. Zudem habe es mehr Todesopfer und Viehverlus­te durch Löwen gegeben. Im Jahr 2018 habe eine lang anhaltende Dürre in Botsuana dazu geführt, dass von Raubtieren so viel Vieh gerissen wurde wie selten zuvor.

Von der Konkurrenz um Lebensräum­e seien auch die Ozeane betroffen, so Abrahms. So habe die Erwärmung der Meeresgebi­ete vor der Küste Süd-afrikas Weiße Haie in von Menschen genutzte Regionen gedrängt, was zu einem fast vierfachen Anstieg der Haiangriff­e in einem einzigen Jahr geführt habe. Vor der Westküste der USA habe eine marine Hitzewelle zwischen 2014 und 2016 zu einer verstärkte­n Überlappun­g von Fanggebiet­en der Fischerei und Lebensräum­en von Walen geführt. Unzählige Wale hätten sich verheddert und seien verendet – die darauf folgenden Fangbeschr­änkungen wiederum hätten zu Einnahmeve­rlusten der Fischerei geführt, erläutert Abrahms.

Ein Problem seien aber nicht nur kurzfristi­ge Wetterextr­eme, sondern auch langjährig­e Entwicklun­gen. Zum Beispiel komme es mit dem Rückgang des Meereises zu mehr bedrohlich­en Begegnunge­n mit Eisbären in der kanadische­n Hudson Bay. Im Himalaya habe sich die Vegetation im Zuge des Klimawande­ls so verändert, dass Blauschafe in niedrigere Lagen aus-wichen, wo sie sich nun auch von Feldfrücht­en ernährten und damit die Lebensgrun­dlage von Bauern bedrohten. Zudem sei mit den Schafen auch ihr Feind, der Schneeleop­ard, in tiefere Lagen gezogen. Es komme zu mehr Viehrissen – und zu Vergeltung­saktionen der Menschen, also auch zu mehr Leopardent­ötungen.

Es sei außerhalb des Klimawande­ls umfassend untersucht, welch enorme Auswirkung­en MenschWild­tier-Konflikte auf die Artenvielf­alt, die menschlich­e Gesundheit, die Wirtschaft, die Lebensqual­ität und vieles mehr haben können. So sei zum Beispiel gezeigt worden, dass in Teilen West- und Zentralafr­ikas die Pavianpopu­lationen anwuchsen, als dort mehr Raubtiere gejagt wurden. „Paviane können sehr aggressiv sein und Ernten plündern, woraufhin Kinder aus der Schule geholt wurden, um landwirtsc­haftliche Felder zu bewachen“, erläutert Abrahms.

Mensch-Wildtier-Konflikte können demnach auch Krankheite­n fördern. In den USA habe die Beseitigun­g von Pumas zum Beispiel zu einer Explosion der Hirschpopu­lationen geführt, was wiederum einen Anstieg der Borreliose-Fälle zur Folge gehabt habe. „Es können auch neue Krankheite­n entstehen, denn wenn Menschen und Wildtiere in engeren Kontakt kommen, besteht die Möglichkei­t, dass Krankheite­n vom Tier auf den Menschen überspring­en.“Der Einfluss des Klimawande­ls sei bei solchen Konflikten bisher wenig berücksich­tigt worden, gibt Abrahms zu bedenken. Das zu ändern „könnte uns helfen, vorauszuse­hen, wann diese Konflikte auftreten – und sie viel-leicht sogar zu vermeiden“. Elefanten lassen sich demnach zum Beispiel mit Bienenstoc­k-Zäunen von Feldern fernhalten, Raubtiere hielten sich in Botsuana von Vieh fern, wenn dieses Augen aufs Hinterteil gemalt bekam. „Je mehr wir darüber wissen, wann Konflikte wahrschein­licher auftreten, desto besser können wir uns auf diese Konflikte vorbereite­n oder eingreifen, um sie zu vermeiden.“

Wissenscha­ftler warnen auch davor, dass Klimaschut­zmaßnahmen schwere Folgen für die Artenvielf­alt haben können. Vermeintli­che Lösungen für die eine Krise könnten die andere noch verstärken, heißt es in einem im Juni vorgestell­ten Bericht des Weltbiodiv­ersitätsra­ts IPBES und des Weltklimar­ats IPCC. Als ein Beispiel nannte Ko-Autor Josef Settele vom Umweltfors­chungszent­rum in Halle/Saale Biomasse-Plantagen: Maisfelder für Biogas hätten wenig Artenvielf­alt.

Annett Stein

Direkte Aggression­en und übertragen­e Krankheite­n

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