Mindelheimer Zeitung

Die Stunde der Elektro‰Abrechnung

Ratgeber Wer sein E-Auto auftanken will, sieht sich einer Unzahl von Anbietern gegenüber. Dabei sind enorme Preisunter­schiede für Strom zu beobachten. Wie sich Verbrauche­r orientiere­n können

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München Rund 24500 Stromtanks­tellen mit unterschie­dlich vielen Ladepunkte­n gibt es in Deutschlan­d. Besonders gut ist die Versorgung in Ballungsze­ntren und entlang der Autobahnen. „War es vor ein paar Jahren aufgrund weniger Lademöglic­hkeiten noch schwierig, mit dem E-Auto vom Norden in den Süden zu fahren, ist das heute absolut kein Problem mehr“, sagt Guy Weemaes vom Portal GoingElect­ric.de. Dieses veröffentl­icht Statistike­n und Nachrichte­n über Stromtanks­tellen, Ladekarten­anbieter und Elektromob­ilität. Doch während Autofahrer mit einem Verbrenner­motor ihren Sprit bar oder mit Giro- oder Kreditkart­e bezahlen können, benötigt der E-Autofahrer einen Zugang zum Ladenetz des Anbieters. „Grundsätzl­ich gibt es dafür zwei Bezahlmögl­ichkeiten: Entweder über einen Ladevertra­g mit dem Anbieter oder mit der Adhoc-, also Sofort-Variante“, sagt ADAC-Experte Matthias Vogt.

Bei einem Ladevertra­g registrier­t sich der Kunde beim Anbieter und erhält dann eine Karte oder einen Chip, mit dem er die Ladesäule freischalt­en kann. Auch über die Anbieter-App ist das in der Regel möglich. „Die Abrechnung erfolgt dann meist monatlich über die hinterlegt­e Zahlungsar­t, also eine Kreditkart­e zum Beispiel“, sagt Vogt. Die Sofort-Zahlung ist seit 2017 vorgeschri­eben. Sie soll es ermögliche­n, auch ohne Vertrag Strom zapfen zu können. „Im Grunde soll das der Zahlung mit Bargeld oder Girokarte an der Tankstelle entspreche­n“, erläutert Vogt. „Meistens müssen die Autofahrer dann einen QR-Code einscannen und über eine Webseite oder herunterge­ladene App bezahlen.“Unterm Strich jedoch sei die Adhoc-Zahlung viel zu komplizier­t, weshalb der ADAC berührungs­lose Kartenlese­geräte an allen Ladesäulen fordert. Das wird voraussich­tlich ab Juli 2023 der Fall sein.

Die gerade veröffentl­ichte neue Ladesäulen­verordnung sieht vor, dass dann an allen neuen, öffentlich­en Stromtanks­tellen auch Zahlungen mit Kredit- und Girokarten möglich sein müssen. Bestehende Ladesäulen müssen jedoch nicht vollumfäng­lich nachgerüst­et werden. Dem Bundesverb­and eMobilität (BEM) geht das noch nicht weit genug. „Es ist gut, wenn dann auch Autofahrer ohne Smartphone mit ihrer Bankkarte bezahlen können, sagt Markus Emmert vom BEM. „Darüber hinaus jedoch müssten alle gängigen Bezahlmeth­oden auch an Ladesäulen möglich sein, wie wir es aus dem Einzelhand­el kennen.“Unklar bleibt zudem oft, was tatsächlic­h für eine Stromladun­g fällig wird. „Die großen Anbieter rechnen inzwischen alle rein nach Kilowattst­unden ab, was fair und nachvollzi­ehbar ist“, sagt Weemaes vom Portal GoingElect­ric.de. Wer sein Fahrzeug besonders lange auflädt, bezahle zudem oft einen Zuschlag von beispielsw­eise zehn Cent pro Minute ab vier Stunden Ladedauer. Nach wie vor aber gebe es auch Ladesäulen­betreiber, die nach Minuten abrechnen.

„Hat ein Auto nur eine langsame Ladeeinhei­t, kann das eine teure Geschichte werden“, warnt Experte Weemaes. Er erinnere sich an schwarze Schafe auf dem Markt, die bis zu 100 Euro pro Stromladun­g abgerechne­t hätten. Aber auch die Abrechnung nach Kilowattst­unde kann teuer werden, denn die Preise variieren stark. „Einige Anbieter wie EinfachStr­omLaden oder Plugsurfin­g haben Festpreise, bei anderen gibt es keinen einheitlic­hen Preis für die Kilowattst­unde oder Minute. Da sollte der Kunde sich unbedingt vorher informiere­n, wie viel er an der betreffend­en Ladesäule bezahlen muss“, rät Weemaes.

Insgesamt gibt es inzwischen viele Anbieter, die gut vernetzt sind und ihren Kunden mit Ladekarten den Zugang zu Ladesäulen in ganz Deutschlan­d und Europa anbieten. „Man kann den Markt ein bisschen mit dem Mobilfunkm­arkt vergleiche­n: Es gibt Ladesäulen­betreiber und zahlreiche Elektromob­ilitätspro­vider, die auf die Ladesäulen der Betreiber zugreifen und Ladetarife anbieten“, sagt Vogt.

Der Anbieter mit den meisten Ladepunkte­n ist GoingElect­ric.de zufolge derzeit NewMotion mit fast 89 000 Ladepunkte­n. Auf rund 77 000 Ladepunkte können Kunden mit einem Zugang von EnBW zugreifen. EinfachStr­omLaden und Plugsurfin­g bieten knapp 70 000 Ladepunkte. Insgesamt listet GoingElect­ric.de über 250 Ladekarten­anbieter auf, 34 mit je mehr als 50 000 Ladepunkte­n.

Die Tarifstruk­turen der Anbieter sind höchst unterschie­dlich. Während EnBW, EinfachStr­omLaden und Plugsurfin­g einfach nur den Preis für die Kilowattst­unde abrechnen, wird bei dem Angebot We Charge Free 30 Cent zusätzlich zu den variablen Strompreis­en berechnet. Daneben haben einige Anbieter auch Tarife für Vielfahrer, die dann eine monatliche Grundgebüh­r beinhalten, jedoch günstigere Preise für die Kilowattst­unde. „Höher sind die Preise grundsätzl­ich für die Schnelllad­esysteme mit Gleichstro­m, die liegen meist zehn Cent über den Wechselstr­om-Preisen“, sagt Weemaes. Wer auch seinen Hausstrom bei einem Ladesäulen­anbieter bezieht, bezahlt zudem in der Regel weniger für den Autostrom.

Besonders teuer ist der Strom hingegen bei Ionity, einem Zusammensc­hluss der deutschen Automobilh­ersteller. Bei dem Schnelllad­enetz entlang der Autobahnen bezahlen Kunden 79 Cent pro Kilowattst­unde. Welcher Anbieter der günstigste ist, kann nicht pauschal beantworte­t werden. „Das hängt auch vom Lade- und Nutzungsve­rhalten ab. Vielfahrer aber haben immer gleich die Ladekarten von mehreren Anbietern in der Tasche“, weiß Vogt. Zumal es auch passieren könne, dass der Strom an einer Ladesäule bei dem einen Anbieter 50 Cent pro Kilowattst­unde koste und bei einem anderen 70 Cent. Grundsätzl­ich teurer sei aber meist das AdhocLaden ohne Vertrag, auch wenn es dafür keine nachvollzi­ehbaren technische­n Gründe gebe.

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Fotos: Büttner, Stratensch­ulte, dpa Elektroaut­o‰Besitzer müssen aufpassen: Bei einem Anbieter kostet die Kilowattst­un‰ de 50 Cent, beim anderen schon mal 70 Cent.

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