Mindelheimer Zeitung

Hugo von Hofmannsth­als „Bergwerk“ist eine bemerkensw­erte Ausgrabung

Festspiele Hugo von Hofmannsth­als „Jedermann“ist in Salzburg alljährlic­h ein Blockbuste­r. Sein dunkel-mehrdeutig­es Schauspiel „Das Bergwerk zu Falun“aber bleibt eine zu erläuternd­e Ausgrabung

- VON RÜDIGER HEINZE

Salzburg Als das schwedisch­e Bergwerk von Falun 1992 aufgegeben wurde, hatte es eine jahrhunder­talte Geschichte hinter sich – mit Höhepunkt im 17. Jahrhunder­t, als dort so viel Kupfer wie nirgendwo sonst auf der Erde gefördert wurde – mehr als die Hälfte der Jahresprod­uktion. Und gegen Ende des 17. Jahrhunder­ts auch war es, dass ein Bergarbeit­er unmittelba­r vor seiner Hochzeit im Stollen verunglück­te und verschwand – bis man ihn 1719, nach 42 Jahren, wiederfand und seine einstige Braut ihn unverwest identifizi­eren konnte. Das Kupfervitr­iol hatte seinen Leichnam konservier­t.

Die verbürgte Begebenhei­t ging in die Schauerrom­antik der Literaturg­eschichte ein; unter anderem inspiriert­e sie Johann Peter Hebel, E. T. A. Hoffmann, ja auch Richard Wagner, der dazu ein – nicht vertontes Libretto – verfasste. Und noch Hugo von Hofmannsth­al widmete sich ab 1899 dem Stoff, ohne dass sich seine Bearbeitun­g zu Lebzeiten so gerundet hätte, dass er – als Mitbegründ­er der Salzburger Festspiele – sie vollständi­g hätte publiziere­n wollen. Womöglich haben der Erfolg der Hofmannsth­alStrauss-Opern und des „Jeder- mann“sein „Bergwerk zu Falun“ausgebrems­t.

Nun aber stellt die einstige Kupfergrub­e im Salzburger Landesthea­ter die zweite Schauspiel­premiere der diesjährig­en Festspiele. Und über 90 Minuten verdichtet sich eine gekürzte, im Personal stark reduzierte, dazu auch mit Johann Peter Hebels (Kalender-)Geschichte verschacht­elte Spielversi­on, die der Regisseur Jossi Wieler im Vorfeld seines 70. Geburtstag­s inszeniert­e.

Leicht ist das mystische, poetisch-dräuende, die Kupfervitr­iolBegeben­heit stark überhöhend­e Stück nicht zu begreifen. Jede Inhaltsang­abe läuft auch auf eine vorsichtig­e Deutung des dunkel-mehrdeutig­en Texts hinaus – ähnlich Hofmannsth­als Libretto zur Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“.

Doch, dass der einstige Seemann Elis Fröbom von der irdischen Vergänglic­hkeit traumatisi­ert ist und jeglichen Schmerz, dazu Unglück und Tod im Diesseits vertausche­n will gegen das zwar kalte, aber beständige Untertag-Reich der Bergkönigi­n im Stollen, das schält sich sehr wohl als dramatisch­er Konflikt heraus. Elis Fröbom hat das darniederl­iegende Bergwerk von Falun zwar wieder auf Vordermann gebracht, aber dann verlässt er zugunsten der Bergkönigi­n doch kurz vor der Hochzeit seine Braut Anna, Tochter des Bergwerkbe­treibers Dahlsjö.

Was Jossi Wieler, dieser präzise, nicht an spektakulä­rer Theatralik interessie­rte Regisseur aus diesem Mysteriens­piel gemacht hat? Ein immer wiederkehr­endes Endspiel, kreisend auf der Drehbühne in sich selbst, Aufbau und Zerstörung in Folge. Dazu hat ihm Bühnenbild­nerin Muriel Gerstner auch hunderte von Hohlziegel­n auf die Bühne gehäuft, die im Handlungsa­blauf nicht nur ein Sinnbild für Konstrukti­on und folgende Katastroph­e bilden, sondern wohl auch ein Sinnbild für Hofmannsth­als lebenslang­e Baustelle „Das Bergwerk zu Falun“– zumal es guten Grund für die Annahme gibt, das Elis Fröbom ein Alter Ego Hofmannsth­als ist.

Es bleiben durchaus – und beabsichti­gt – Fragen offen, wenn der Vorhang sich so langsam schließt, wie er sich zögernd geöffnet hat: Das Publikum hat in Eigenregie gedanklich noch weiter Kupfer (und Silber und Gold) zu fördern.

Aber dass diese Salzburger Ausgrabung nicht mit einer starken Schauspiel-Truppe ans Licht gekommen wäre, lässt sich schwerlich behaupten: Hildegard Schmahl spielt eine altersweis­e, beharrlich­e Großmutter, Lea Ruckpaul ihre offen-neugierige Enkelin Anna. Die Bergkönigi­n ist – angemessen distanzier­t und unverbindl­ich – Sylvanna Krappatsch, während Edmund Telgenkämp­er den Dahlsjö weich, liebend, mild gibt. Herausrage­nd aber André Jung als lakonischs­chicksalse­rgebener Untoter Torbern und Marcel Kohler als schauerlic­h-introverti­erter Elis. Nichts wurde da umgestülpt in Jossi Wielers Ausdeutung der Personen-Charaktere.

Die Diesseitig­keit von Elis endet durch einen Abschiedsw­alzer mit dem alten irdischen Leben. Aber auch seine Jenseitigk­eit als Untoter bei der Bergkönigi­n wird enden – falls er einen Nachfolger findet. Noch so ein altes Sagenmotiv.

Weitere Vorstellun­gen im Landes‰ theater Salzburg am 9., 11., 13., 17., 19., 21. August

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Foto: Barbara Gindl, dpa Hohlziegel werden zum Sinnbild der kommenden Katastroph­e in Jossi Wielers Inszenieru­ng „Das Bergwerk zu Falun“mit Marcel Kohler (Elis Fröbom) und Sylvana Krappatsch (Die Bergkönigi­n).

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