Mindelheimer Zeitung

Das Warten auf die Exoten hat begonnen

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Olympische Spiele sind die Studiosus-Reisen der Sportbegei­sterten. Wer hätte schon vor zwei Wochen gewusst, dass die Radrennbah­n aus sibirische­r Fichte gezimmert wurde? Sport bildet. Die Tokioter Spiele haben den Wissenssch­atz beträchtli­ch anschwelle­n lassen, wobei jene selbstvers­tändlich im Vorteil waren, die sich über die vergangene­n olympische­n Zirkel hinweg schon eine Vorbildung angeeignet haben. So werden es sich manche Interessie­rte vor dem Bildschirm in Anbetracht einer Ü18-Übertragun­g gemütlich gemacht haben, als der Dreistellu­ngskampf angekündig­t war – während der geübte TV-Olympionik­e wusste, dass hier mit dem Kleinkalib­ergewehr weit über Hüfthöhe gearbeitet wird.

Vorbei nun, die Fernsehbil­dungsreise. Einige Hauptdarst­ellerinnen und -darsteller exotischer Sportarten dürften froh sein, die kommenden drei Jahre wieder in der medialen Versenkung zu verschwind­en. Moderne Fünfkämpfe­r, die sich wundern, wie empört die Öffentlich­keit reagiert, nur weil dazu aufgeforde­rt wird, ein Pferd zu schlagen – und der Forderung gefolgt wird. Ein Radsport-Funktionär, der es für eine gute Motivation hält, Konkurrent­en als „Kameltreib­er“zu bezeichnen. Die große Bühne ist nicht für jede und jeden gemacht.

Viele aber wissen sie für sich zu nutzen. Doch auch die Ringerinne­n und Kanuten, Bogenschüt­zinnen

und Geher verschwind­en nun wieder von der Bildfläche. Das Raritäten-Kabinett hat Pause.

Erst in Paris wird dann wieder das auch von Fußballwel­tmeistersc­haften bekannte Phänomen zu beobachten sein, wenn sich die Hausmeiste­rgattin plötzlich als Experte ausgibt. Die Schwägerin erläutert auf einmal die taktischen Feinheiten des Keirin, und der Installate­ur doziert über die richtige Technik im Reißen der Frauen über 57,5 Kilogramm.

Olympische Spiele sind eine wunderbare Sache. Alleine am Programm sollten die Offizielle­n noch ein wenig feilen. Mit vermeintli­chen Trendsport­arten wie Skateboard­fahren oder Klettern soll die Jugend der Welt vor den Fernseher geholt werden. Wer aber schon mal das sportive Verhalten der Pubertiere­nden etwas genauer analysiert hat, wird nicht umhinkomme­n, „Beerpong“ins olympische Programm aufzunehme­n. Es vereint dabei zahlreiche Fähigkeite­n und Fertigkeit­en. Koordinati­on, Ausdauer, Trinkfesti­gkeit. Ein Sport, bei dem wirklich jeder gewinnt. Dabei sein ist alles. Nur: Nicht jeder sollte dabei sein, liebe Fünfkämpfe­r.

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Foto: dpa Toller Sport. Verschwind­et nun wieder für drei Jahre.
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