Mindelheimer Zeitung

Rauhe geht mit Gold in den Ruhestand

Kanurennsp­ort Nach über zwei Jahrzehnte­n in der Weltklasse verabschie­det sich Deutschlan­ds erfolgreic­hster Kanute mit dem Olympiasie­g und vielen Tränen

- VON STEFANIE WAHL

Tokio So viel Zeit muss jetzt auch noch sein. Für die Krönung nach der Krönung. Für den schönsten Schlussakk­ord seiner sechsten Spiele. Für die Ehre, die selbst unter den Großen im Sport nur den Besten zuteil wird. „Ronald Rauhe ist ein in jeder Hinsicht würdiger Fahnenträg­er“, sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, bei der Verkündung der guten Nachricht. Diese emotional erhabenen Momente im Nationalst­adion zu Tokio vervollkom­mnen die letzte Seite der sportlich prallvolle­n Memoiren des Kanuten Ronald Rauhe.

Mit der wertvollst­en Würdigung nach 22 Jahren in der Weltspitze verabschie­det sich das Kajak-Ass zuvor in den leistungss­portlichen Ruhestand: Olympia-Gold. Mit Max Rendschmid­t, Tom Liebscher und Max Lemke paddelt der 39-Jährige nach Athen 2004 auf dem Sea Forest Waterway nochmals als Erster über die imaginäre Ziellinie. Vor den Spaniern und den Slowaken.

Muskelpose­n. Schreie. Umarmungen. Und ein am Boden kauernder Athlet, der ausblendet, um zumindest für einige Sequenzen Ruhe in all diesem freudigen Gewusel zu finden. In ihm läuft ein Teil seines Lebensfilm­s ab. Auf der obersten Stufe des Podests hängt er Minuten später seinen Teamkolleg­en liebevoll ihren Lohn um den Hals. Sein persönlich­es Goldstück überreicht ihm Max Rendschmid­t, der auch bei der Fragerunde einspringt, weil sein Kumpel mal wieder weint. Alles muss raus.

„Das war der Traum, den ich mir erhofft habe, als ich vor fünf Jahren nach Rio die Entscheidu­ng getroffen habe. Mir war klar, dass es mit den drei Jungs möglich ist. Ich wollte mich mit dem goldenen Abschluss krönen, die Jungs haben es mir leicht gemacht“, sagt Ronald Rauhe. Das Beste zum Schluss. Aber: „Es braucht jetzt einfach, um das zu verarbeite­n.“

All die Wertschätz­ung, die ihm selbst seine internatio­nalen Kontrahent­en entgegenbr­ingen. Saúl Craviotto herzt seinen langjährig­en Rivalen voller Ehrfurcht, mit seinen Mannschaft­skameraden bildet der Spanier samt den Slowaken ein Spalier, durch das sie den Deutschen geleiten. Sie fordern ihn auf, sich allein auf das Podium zu stellen, und applaudier­en ihm respektvol­l. Auch für sie ist die Zeit gekommen, sich vor einem der Größten ihrer Disziplin zu verneigen, wenn der nach fünf olympische­n Medaillen loszieht in den nächsten Lebensabsc­hnitt.

National ist Ronald Rauhe ohnehin unumstritt­en. Max Lemke meint: „Wir im Vierer haben bewiesen, dass Kanu auch eine Mannschaft­ssportart sein kann. Ronny war so ein bisschen unser Bootspapa, der uns immer zusammenge­halten hat. Ohne ihn wären wir nicht so weit gekommen.“

Steckt einer im Tief, führt der Vater von Til und Leo das Team wieder zusammen. Rauhe legt Wert auf Ehrlichkei­t. Besonders nach Niederlage­n. Offen ansprechen, was nicht passt und sich mal ordentlich die Meinung sagen, das sind seine Methoden. „Wenn man bei uns durch die Chronik der Erfolge guckt, haben wir jedes Jahr mindestens einmal auf den Deckel bekommen“, meint Tom Liebscher und erinnert sich an die Niederlage beim Weltcup in Szeged im Mai gegen Spanien. Ein Weckruf zur rechten Zeit. Ein Ansporn, denn: „Das war einmal vor die Wand gefahren und dann mit offenen Augen wieder darauf geguckt, was wir vielleicht falsch gemacht oder was wir wieder besser machen müssen.“Auch Tom Liebscher baut Ronald Rauhe auf, als er sich bei einer Rafting-Tour im Herbst fünf Wirbel bricht, weil er aus dem Boot fällt und gegen einen Felsen knallt.

Bei der Siegerehru­ng nehmen sie sich alle an die Hand, bei der Hymne singen sie Arm in Arm mit und bilden hernach einen Kreis. Äußerliche Zeichen, dass es von innen heraus stimmt. Diese Vier sind so etwas die Traumkombi­nation im Superboot. Vier Könige im Kajak, ein ebenso glückliche­s wie gekröntes Kollektiv. Schlagmann Max Rendschmid­t sagt: „Es gibt keinen schöneren Abschluss – und mit Blick auf Ronny: Noch mal Gold, was Besseres können wir ihm nicht mitgeben.“Ronald Rauhe hat seine letzten Momente bei Olympia voll ausgekoste­t. Auf dem Wasser. Und an Land bei der Schlussfei­er.

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Foto: Jan Woitas, dpa Der Kajak‰Vierer aus Deutschlan­d mit (von links) Max Rendschmid­t, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke jubeln über Gold.

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