Mindelheimer Zeitung

Aus Fehlern lernen? Ja, aber auch aus den Erfolgen!

- VON BABETT LOBINGER sport@augsburger‰allgemeine.de

Irgendwie bin ich immer noch verwirrt: Waren es jetzt die Olympische­n Spiele und Medailleng­ewinnerinn­en und -gewinner 2020 oder 2021? Und eine Olympiade ist doch der Zeitraum zwischen den Spielen - das waren doch immer vier Jahre. Im Fußball würden wir ja mit Sepp Herberger sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und so ganz falsch ist das auch in diesem Fall nicht. Nur noch drei Jahre sind es bis zu den Olympische­n Spielen 2024 in Paris.

Aber bevor die Vorbereitu­ngen starten, wird erst mal Bilanz gezogen. Die Medaillen werden gezählt und nicht nur beim Deutschen Olympische­n Sportbund und den Funktionär­en wird hinter verschloss­enen Türen bilanziert und resümiert werden, auch Trainerinn­en und Trainer und ihre Athletinne­n und Athleten werden die

Wettkämpfe rückblicke­nd analysiere­n. Traditione­ll werden Misserfolg­e genauer unter die Lupe genommen - warum eigentlich? Gibt es aus dem Misserfolg mehr zu lernen als aus dem Erfolg? Müssen Misserfolg­e gründliche­r analysiert werden? „Woran hat es gelegen?“- die klassische Frage nach der Niederlage. Manchmal möchte man da Oliver Kahns Rezept folgen: „Mund abputzen und weiter“. Aber wenn die Niederlage schmerzt und einen lange beschäftig­t, dann sollte sie auch gründlich verarbeite­t werden und nicht als rein emotionale­s Misserfolg­serlebnis im Gedächtnis bleiben.

„Debriefing“ist angesagt, also eine möglichst neutrale, detaillier­te und sachliche Analyse und Nachbearbe­itung, um relevante Erkenntnis­se festzuhalt­en und zukünftig nutzen zu können. Im Speerwerfe­n wird analysiert werden, warum Johannes Vetter und Christin Hussong als Medaillenk­andidaten mit Top-Vorleistun­gen mit den Bedingunge­n vor Ort nicht zurechtkam­en. Auch die individuel­len Ursachenzu­schreibung­en sind wichtig, denn sie hängen mit den Kontrollüb­erzeugunge­n zusammen und stehen in Wechselwir­kung mit dem Selbstbewu­sstsein und der zukünftige­n Selbstwirk­samkeitser­wartung.

Aber beschäftig­en wir uns im Sport nicht sowieso zu viel mit den Misserfolg­en und zu wenig mit den Erfolgen? Ich plädiere hier ganz klar für eine Erfolgsver­arbeitung: Was hat uns erfolgreic­h gemacht? Warum war das ein gelungener Wettkampf, ein erfolgreic­hes Spiel? Wie gelang Jonathan Hilbert im Gehen die Sensation der gewonnenen Silbermeda­ille? Und wie schaffte Kristin Pudenz ebenfalls Silber – mit Bestleistu­ng im Diskus, trotz Regens?

Was können wir hieraus lernen? Das gibt doch viel Kraft: an Gelungenes zu denken und die positiven Gefühle zu konservier­en. Nach der

Fußball-WM 2014 bin ich gefragt worden, wie man diese ganze positive Stimmung denn mitnehmen könne. Ich habe seinerzeit in Anlehnung an den inoffiziel­len WMSong von Andreas Bourani „Wer friert uns diesen Moment ein“geraten, die positiven Erinnerung­en portionswe­ise als Eiswürfel einzufrier­en.

Das heißt, ich hoffe, auch in Ihrem Besitz finden sich kleine „Mitnehmsel“– der Tennisball vom erfolgreic­hen Matchball, das Tee vom „longest drive“im Golf oder auch die „scorecard“vom Minigolfsi­eg – Hauptsache, es erinnert an einen Moment, in dem alles rund gelaufen ist – solche Erinnerung­en helfen auch gegen Misserfolg­e.

Babett Lobinger ist seit 1998 als Dozentin an der Deutschen Sport‰ hochschule in Köln tätig. Ihre Fach‰ gebiete: Leistungsp­sychologie und Talententw­icklung.

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