Mindelheimer Zeitung

Unerwartet Fotomodell

Leben Die Trennung von seiner Frau zog Gunnar Felgentreu aus Memmingen zuerst den Boden unter Füßen weg. Gleichzeit­ig startete sie einen Wandel, der ihn bis vor die Kamera brachte

- VON ANDREAS BERGER

Memmingen Der lange, graue Bart ist ein Symbol seines Wandels. Von einem gut, aber eher durchschni­ttlich gekleidete­n und rasierten Geschäftsm­ann zu einem auffällige­n Typen, der auf der Straße, beim Einkaufen, an der Ampel angeschaut wird. Vom Sales- und Accountman­ager einer IT-Beratungsf­irma, der er auch immer noch ist, zum nebenberuf­lichen Fotomodell. Gunnar Felgentreu, 64, aus Memmingen-Eisenburg. Künstlerna­me: Gunnar von Graubart.

Der Bruch seiner Ehe vor sechs Jahren hat ihn dorthin gebracht, wo er heute ist. „Ich habe lange gebraucht, um aus dem Sumpf herauszuko­mmen.“Ihm sei klar gewesen, dass er Zufriedenh­eit erreichen müsse, bevor er etwas Neues anfängt. „Solange ein quälender Gedanke da ist, ein Groll auf jemanden, der einen verletzt hat, kommst du nicht nach vorne. Und ich hatte mir vorgenomme­n: Bis ich etwas Neues anfasse, muss das geklärt sein. Muss ich mir sagen können: Du bist mit dir im inneren Frieden. Den Punkt habe ich erreicht, das hat knapp zwei Jahre gedauert.“

Seine Veränderun­g sei enorm, aber nicht geplant gewesen. Zu seinem inneren Wandel gehöre es, „Dinge, an denen ich Spaß habe, einfach zu tun“, mehr als in seinem früheren Leben. „Ich überlege mir aber nicht: Wie kann ich Aufsehen erregen? Das ist nicht mein Ziel.“Dennoch passiert es, etwa wenn er ausgefalle­ne Kleidung trägt – was zu seinem äußeren Wandel gehört. So sind in seinem Schrank Anzüge zu finden von knallrot-kariert bis grellgrün-gestreift. Und ein Schottenro­ck. Und das alles trägt Gunnar Felgentreu gern. Den Schottenro­ck etwa trug er in der Vox-Sendung „First Dates - ein Tisch für zwei“mit Roland Trettl, die Anfang Juni ausgestrah­lt wurde.

Tätowierun­gen trägt er auch. Für seine erste fuhr er nach Berlin, eine Stadt, die er besonders mag. Und während die Nadel die Farbe in die Haut trieb, habe ihn die Tätowierer­in gefragt, ob er Model sei. Er: „Nein.“Sie: „Du musst modeln.“Ein paar Wochen später fuhr er in den Urlaub. „Da habe ich den Bart wachsen lassen, weil ich zu faul war, mich zu rasieren.“

Weitere Wochen später war er wieder in Berlin, wieder zum Tätowieren. Eine seiner beiden Töchter war dabei. An einer Fußgängera­mpel entdeckte sie Rolf Scheider. Er war Jurymitgli­ed der Pro7-Castingsho­w Germany’s Next Topmodel mit Heidi Klum. Und er ist Casting Director, also einer, der zum Beispiel markante

Menschen für Werbefotos und -filme sucht. Von dem wollte Felgentreu­s Tochter unbedingt ein Autogramm haben. Aber bevor sie Rolf Scheider fragen konnte, sprach der ihren Vater

an: „Dich brauche ich in meiner Agentur.“„Ein paar Tage später bin ich bei ihm im Studio gestanden, da sind die ersten Aufnahmen gemacht worden. Und dann ist das seinen

Lauf gegangen.“Heute ist er in fünf Agenturen gelistet, in Köln, Hamburg, Berlin und München. Zu sehen war er unter anderem in Werbekampa­gnen der Stadtwerke München, eines E-Bike-Hersteller­s und eines Design-Möbel-Händlers. „Mein schönster Auftrag bisher war die Rolle des Weihnachts­manns für einen BMW-Spot.“

Nicht nur für Werbung stellt sich Gunnar Felgentreu vor die Kamera. Sondern auch für die Kunst, die er zusammen mit Fotografen in Form seiner Bilder erzeugen will. Zum Beispiel mit dem Prominente­nund Starfotogr­afen Frank Altmann aus Berlin, den er über Beziehunge­n kennengele­rnt hat. Viele Hollywoods­tars hat der schon porträtier­t: Mel Gibson, Angelina Jolie, Keanu Reeves etwa. Und Johnny Depp, den er als letzten Superstar fotografie­rte, bevor er zum ersten Mal Gunnar Felgentreu vor die Kamera holte. Wenn der in Prominente­nkreisen bekannte Fotograf Lust auf ein bestimmtes Thema hat, das er gern in Bildern umsetzen möchte, kann es sein, dass er das Modell aus Memmingen anruft und vor die Linse bittet. Mittlerwei­le ist zwischen beiden eine fast freundscha­ftliche Beziehung entstanden.

Eine Herzensang­elegenheit von Gunnar Felgentreu war das Fotoprojek­t

Seine Anzüge sind bunt und er hat auch einen Schottenro­ck

Auch im Memminger Hallenbad entstanden besonderer Fotos mit ihm

im vergangene­n Jahr in der alten Heilstätte Grabowsee nördlich von Berlin. Die war auch Szenerie für den US-Film The Monuments Men mit George Clooney, Matt Damon, Bill Murray und anderen Hollywoods­tars. „Wir sind dafür ins Filmstudio Babelsberg in Potsdam gefahren, haben uns Kleider geliehen, wie sie vor 100 Jahren getragen worden sind, und haben eineinhalb Tage Fotos gemacht.“Die Idee dazu stammt aus der TV-Dramaserie Peaky Blinders, die im England der 1920er- und 1930er-Jahre spielt.

Kunst entstand auch im Memminger Hallenbad, in dem er im Mai mit einem Fotografen aus Tübingen arbeiten durfte. Zuerst irritiert davon, dass kein Wasser in den Becken war, und dann begeistert von der besonderen, fast schon lost-placeartig­en Kulisse. „Da sind Bilder entstanden, die sind sagenhaft.“Eine Auswahl seiner Werke will er bald ausstellen: in Memmingen, Hamburg und Berlin.

» Die Fotos von Gunnar Felgentreu sind auf Instagram zu sehen: gunnar.von.graubart

 ?? Foto: Frank Altmann ?? Dieses Foto von Gunnar Felgentreu hat der Prominente­n‰ und Starfotogr­af Frank Altmann aus Berlin arrangiert. Vor dessen Kamera steht das Fotomodell aus Memmingen besonders gern.
Foto: Frank Altmann Dieses Foto von Gunnar Felgentreu hat der Prominente­n‰ und Starfotogr­af Frank Altmann aus Berlin arrangiert. Vor dessen Kamera steht das Fotomodell aus Memmingen besonders gern.
 ?? Foto: Florian Weileder ?? Coole Sonnengläs­er: Ein Werbefoto für einen Optiker.
Foto: Florian Weileder Coole Sonnengläs­er: Ein Werbefoto für einen Optiker.
 ?? Foto: Joachim Gelzinus ?? Retten oder gerettet werden? Das Foto ent‰ stand im Hallenbad.
Foto: Joachim Gelzinus Retten oder gerettet werden? Das Foto ent‰ stand im Hallenbad.
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Foto: Kinga Wozniak Gunnar Felgentreu in der „Unterwelt der Edelmänner“.

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