Das sind die Folgen des Klimawandels
Hintergrund Der Weltklimarat wendet sich mit dramatischen Botschaften an die Menschen: Extremwetter-Ereignisse werden zunehmen, der Temperaturanstieg verläuft schneller als gedacht. Ein Überblick über Details des Berichts
Genf Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler vor den Folgen des Klimawandels. Nun legt der Weltklimarat einen neuen Bericht vor – und versucht abermals, die Menschen aufzurütteln. Die wichtigsten Ergebnisse:
● Weltklimarat Angesichts der Erderwärmung gründeten zwei UNOrganisationen 1988 den Weltklimarat IPCC, der inzwischen knapp 200 Mitgliedsländer hat. Er soll aufzeigen, wie sich der Klimawandel auf Mensch und Natur auswirkt, wie er gebremst werden kann und welche Anpassungsstrategien es gibt. Das Gremium mit Sitz in Genf forscht nicht selbst. Vielmehr werten für die jeweiligen IPCC-Berichte hunderte eigens ausgewählte Experten tausende Studien aus. Ihr Bericht ist Handlungsgrundlage etwa bei der Weltklimakonferenz im November in Glasgow.
● Menschgemacht Der Bericht stellt klar, dass mit neuen Messmethoden wissenschaftlich bewiesen werden kann, dass praktisch der gesamte Klimawandel seit Ende des 19. Jahrhunderts auf den Menschen zurückzuführen ist. Hauptproblem ist die seit Beginn der Industrialisierung gestiegene Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist die höchste seit etwa zwei Millionen Jahren, der Meeresspiegel steige so schnell wie seit rund 3000 Jahren nicht mehr und der Gletscherrückgang sei so stark wie seit etwa 2000 Jahren nicht mehr. „Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land aufgeheizt hat“, so der Bericht.
● Temperaturanstieg Laut IPCC könnte der befürchtete Anstieg der globalen Mitteltemperatur um 1,5 Grad bereits früher erreicht werden als bisher gedacht – nämlich schon in den frühen 30er Jahren. Das Ziel 1,5 Grad steht im Pariser Klimaabkommen von 2015. Bislang liegt die Erwärmung bei etwa 1,1 Grad, mit regionalen Unterschieden. In Deutschland sind es bereits 1,6 Grad. Anders als 2013 stellt die Wissenschaft jetzt klar fest: Selbst das 2-Grad-Ziel ist nur mit sofortigen und weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen.
● Ozeane Es ist äußerst wahrscheinlich (95 bis 100 Prozent), dass der Mensch für die Erwärmung und Versauerung der Meere verantwortlich ist. Denn durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle oder Öl werden riesige Mengen CO2 freigesetzt, die sich im Wasser lösen und das Ökosystem beeinflussen. Als Folge der Klimaerwärmung geht das Meereis in der Arktis immer weiter zurück. Im Spätsommer der Jahre 2011 bis 2020 war die durchschnittliche Eisfläche dort kleiner als jemals in den 1000 Jahren zuvor. Auch die globale Gletscherschmelze setzt sich fort, was die
Meeresspiegel kontinuierlich steigen lässt.
● Meeresspiegel Der Meeresspiegel ist dem IPPC-Bericht zufolge seit 1900 bereits um rund 20 Zentimeter gestiegen. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Geschwindigkeit des Anstiegs zudem verdreifacht. Die weitere Entwicklung hängt von der Erderwärmung ab. Aber: Selbst wenn es gelingen sollte, 2050 bis 2070 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995 bis 2014. Flutereignisse an den Küsten werden damit zunehmen. Sandstrände werden im 21. Jahrhundert zunehmend schwinden. Die deutschen Küsten sind hierfür vergleichsweise gut gewappnet. Die Behörden haben bereits Vorkehrungen für einen Anstieg um einen Meter eingeplant und bei Hauptdeichen den Ausbau für einen ZweiMeter-Anstieg einkalkuliert. Problematisch könnte es allerdings für das Wattenmeer sein, das dann dauerhaft unter Wasser liegen dürfte. Auch einzelne Halligen könnten verschwinden.
● Extremwetter „Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetterund Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus“, fasst der Bericht zusammen. Der Weltklimarat beobachtete schon in den vergangenen Jahren Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen – und führt dies eindeutig auf den Klimawandel zurück. Eine weitere Häufung dieser Extremwetter-Ereignisse ist zu erwarten. „Dazu gehören die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, marinen Hitzewellen und Starkniederschlägen, landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren in einigen Regionen, das Ausmaß tropischer Wirbelstürme sowie Rückgänge des arktischen Meereises, von Schneebedeckung und Permafrost.“
● Szenarien Der Weltklimarat entwirft fünf Szenarien. Darunter sind zwei, in denen die Welt etwa 2050 bis 2070 Klimaneutralität erreicht und danach mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der Mitteltemperatur Ende des Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben. Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.
● Gegenmaßnahmen Dem Bericht zufolge kann das Ziel, die Erwärmung unter zwei Grad zu halten, nur mit sofortigen und weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen erreicht werden. Damit müsse etwa 2050 bis 2070 Klimaneutralität erreicht werden. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Ob das international allerdings realistisch ist, scheint fraglich. Die EnergieAgentur der US-Regierung hat 2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36 Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China produziert zurzeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent. (dpa/AZ)