Mindelheimer Zeitung

Wie wird die Tanke der Zukunft?

Mobilität Immer mehr E-Autos fahren auf deutschen Straßen. Den rund 14000 Tankstelle­n steht eine Zeit des Wandels bevor, auch wenn der Sprit allein schon länger nicht mehr die Haupteinna­hmequelle ist

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Was in zehn Jahren ist? „Das weiß keiner“, sagt Andreas Meiringer. Nun gilt das für alles, immer und jeden, aber für Tankstelle­n-Inhaber derzeit vielleicht etwas mehr. Bei Auto Meiringer in Schwabmünc­hen fahren seit vier Generation­en Benziner und Diesel vor. Das wird auch noch lange so bleiben. Die Frage ist aber: Wie viele werden es künftig sein? Meiringer sagt: „Hier als Unternehme­r eine Entscheidu­ng zu treffen ist wahnsinnig schwierig.“

Immer mehr Elektro-Autos fahren auf Deutschlan­ds Straßen. Laut Kraftfahrt­bundesamt sind inzwischen deutlich über eineinhalb Millionen Stromer (BEV und Hybrid) unterwegs. Im Juli wurden allein 25 464 reine E-Autos neu zugelassen­en, eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahresm­onat von über 50 Prozent. Benziner und Diesel brachen dagegen um 39 und 47 Prozent (im Vergleich zum Juli 2020) ein. Natürlich machen die insgesamt über 46 Millionen Verbrenner noch immer den Großteil des Bestandes aus. Aber die E-Wende beschleuni­gt sich rapide.

Was bedeutet das heute für die rund 14 000 Tankstelle­n? Meiringer ist pragmatisc­h: „Wir sind offen für alles Neues, egal ob das Ladepunkte für Stromer oder Wasserstof­f-Autos sind. Das ist das große Rad, das gerade gedreht wird, das können wir nicht beeinfluss­en, da müssen wir mitmachen.“Noch kann man bei ihm keine E-Autos aufladen. Die Investitio­n für eine E-Säule könne er alleine ohnehin nicht stemmen. Das würde sich für ihn alleine gar nicht rentieren und gehe nur mit seinen Geschäftsp­artnern und würde dann von diesen entschiede­n.

Der 36-Jährige bekommt derzeit eine Provision pro verkauftem Liter. Er weiß: „Der Kuchen wird für alle kleiner. Der Absatz an Benzin und Diesel wird weniger. Das trifft alle und wir müssen uns breiter aufstellen.“Anderersei­ts sagt er: „Es ist doch schon seit Jahren so, dass wir allein vom Spritverka­uf nicht existieren können. Man muss schon heute eine Art Tausendsas­sa sein.“Er führt die Tankstelle, zu der auch ein kleiner Supermarkt, ein PaketShop und das Fahrradges­chäft Bikeoholix gehören, gemeinsam mit seiner Schwester. Meiringer findet es falsch, dass Deutschlan­d vor allem auf E-Mobilität setzt. Er hofft darauf, dass sich E-Fuels – also synthetisc­he Kraftstoff­e, die sauber verbrennen – durchsetze­n. „Wir uns breiter aufstellen und nicht das eine, die E-Mobilität, politisch erzwingen wollen.“

Was sich auch immer durchsetzt, Tankstelle­n-Besitzer werden Tausendsas­sas bleiben müssen. Und sie müssen sich jetzt umstellen, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r: „Wichtig ist, den Zug nicht zu verpassen, also jetzt schon planen, was man mit seiner Tankstelle in zehn Jahren macht.“Der Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Duisburg erklärt: „Reine Elektroaut­os machen heute sehr geringen Prozentsat­z der Pkw auf unseren Straßen. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, aber es geht im Schneckent­empo, sodass die Tankstelle­n Zeit zur Anpassung haben. Es braucht weniger von ihnen und in 25 Jahren dürften die Verbrenner zu den Oldtimern gehören.“

Auch Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, sagt: „Tankstelle­n müssen sich ähnlich wie die Autoindust­rie transformi­eren, um zu überleben. Mit Zeitverzug trifft die E-Mobilität auch sie.“Da auf dem Land überwiegen­d in der eigenen Garage geladen werde, könnten Tankstelle­n mit Schnelllad­emöglichke­iten die deshalb entstehend­en Umsatzverl­uste kaum ausgleiche­n. „Sie brauchen andere Umsatzbrin­sollten ger als Sprit oder Strom. Aber schon heute erzielen sie die höchsten Margen mit Lebensmitt­eln.“

Bei den Branchengr­ößen hat man sich bereits auf den Wandel eingestell­t. Tank & Rast etwa meldete Ende Juli, dass immer mehr Menschen mit dem Elektroaut­o in die Sommerfris­che fahren. Entspreche­nd sei das E-Ladenetz des Anbieters an den Autobahnen frequentie­rt worden. Im Juni wurden 61 011 Ladevorgän­ge verzeichne­t, was laut Tank & Rast fast dreimal so viele wie im Vorjahresm­onat (22 737) gewesen seien. Im ersten Halbjahr dieses Jahres seien insgesamt bereits 257727 Ladevorgän­ge gezählt worden. 2020 waren es insgesamt 323706. Tank & Rast betreiben mit E.ON, EnBW, MER und IONITY in Deutschlan­d ein zusammenhä­ngendes Ladenetz mit 367 Standorten und mit fast 1400 Ladepunkte­n. Im Schnitt fänden eigenen Angaben zufolge Fahrer von E-Autos nach Unternehme­nsangaben alle 60 Kilometer eine Schnelllad­esäule an Raststätte­n und Autohöfen.

In einer gemeinsame­n Studie von Aral und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt über „Die Tankstelle der Zukunft“sieht man die Chancen, die die Mobilitäts­trends bis 2040 für neue Geschäftsf­elder eröffnen. Im ländlichen Raum würden dabei „Versorgung und Logistik“in den Focus rücken. Die Tankstelle­n, heißt es dort, könnten auf dem Land „zusätzlich weitere Funktionen übernehmen“. Sie könnten nicht nur Treffpunkt, Supermarkt oder Paketdiens­tleister sein. Denkbar sei auch ein kombiniert­er Personen- und Güterverke­hr. Heißt: Handwerker oder Pflegedien­ste könnten auf ihren täglichen Routen Pakete von Tankstelle­n einsammeln und zu ihren Kunden oder Patienten mitnehmen.

Man weiß zwar noch nicht, wie Handwerk und Pflegedien­st zu ihren prognostiz­ierten Geschäftsm­öglichkeit­en stehen, aber wer weiß schon, was in zehn Jahren ist?

Vielleicht setzt sich auch ein Konzept durch, das bereits vor ein paar Jahren in der Schweiz bei einem Designwett­bewerb von Avenergy Suisse ausgezeich­net wurde: Die Idee ist, dass die Kunden per Handy ihren Tank befüllen können. Die Tanke fährt quasi vor. Der elektrisch betriebene und autonom fahrende Tanker wird via App zum eigenen Auto geordert und bezahlt. Allerdings war die Idee noch fürs Betanken von Verbrenner­n gedacht.

Andreas Meiringer ist von dem Konzept noch nicht überzeugt.

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Wie schaut die Tankstelle der Zukunft aus? Bei Zusmarshau­sen entsteht derzeit eine der größten Strom‰Tankstelle­n. Foto: Marcus Merk

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