„Ich habe den besten Job der Welt“
Interview Eric Hansotia ist der neue Chef des US-Landtechnik-Konzerns AGCO. Wie es ist, an der Spitze zu stehen, warum die Branche nach dem Corona-Schock boomt und die Aussichten für die Konzerntochter Fendt blendend sind
Mister Hansotia, können Sie eigentlich einen Traktor fahren?
Eric Hansotia: Aber sicher! Ich bin auf einem Bauernhof in einer ländlichen Region in Wisconsin groß geworden. Kühe melken, Heu machen, säen und ernten – das gehörte damals für mich zum Alltag. Als Kind habe ich das Traktorfahren auf einer sehr, sehr alten Maschine gelernt, da war ich vielleicht elf Jahre alt. Heute darf ich unsere Traktoren mit der neuesten Technologie fahren, was mir viel Spaß macht. Auf diesem Gebiet hat sich wirklich viel getan seit meiner Kindheit (lacht).
Erst kürzlich hatten Sie im Allgäu Ihren ersten Auftritt als AGCO-Chef in Deutschland und sind auch das erste Mal seit der Corona-Krise wieder gereist. Was war das für ein Gefühl? Hansotia: Bei dieser ersten Europareise ging es ja nicht nur um meine Person. Der gesamte AGCO-Führungskreis sowie der Aufsichtsrat kamen in Marktoberdorf zu einem ersten persönlichen Treffen zusammen. Mir war das sehr wichtig, um ein Zeichen zu setzen. Mein erster Besuch und das Treffen des Aufsichtsrates sollten beide bei Fendt in Marktoberdorf stattfinden. Das war wirklich fantastisch! Wir waren alle überglücklich, die Kollegen wieder einmal persönlich zu sehen.
Wie schätzen Sie vor dem Hintergrund der Corona-Krise die Entwicklung der Absatzmärkte für die Landmaschinen-Branche ein?
Hansotia: Die Pandemie traf die gesamte Industrie wie ein Schock. Für kurze Zeit sah es Anfang 2020 sehr kritisch aus und es war ein harter Kampf für alle in der Branche. Es folgte eine Phase der Erholung, sodass 2020 durchaus noch ein gutes Jahr wurde. Was dann geschah, war aber wirklich unglaublich: Seit Ende 2020 sehen wir ein geradezu explosives Wachstum. Das Unternehmen verzeichnet so viele Bestellungen wie noch nie in seiner Geschichte in allen Regionen. Wir arbeiten wie verrückt daran, um alle Bauteile von unseren Zulieferern in ausreichender Stückzahl zu bekommen, damit wir überhaupt alles produzieren können. Und wir nehmen jetzt schon Bestellungen für 2022 entgegen. Der Markt sieht extrem gut aus. In Amerika sagen wir dazu: „red, hot and smoking“.
Ihr Vorgänger Martin Richenhagen stand 16 Jahre an der Spitze des AGCO-Konzerns. Wie schwer ist es, solch ein Erbe anzutreten?
Hansotia: Nach dem Gründer Robert Ratliff hat Martin als zweiter AGCO-Chef eine beeindruckende Erfolgsgeschichte für das Unternehmen geschrieben. Er hat den Konzern weiterentwickelt und zu Wachstum geführt. Wir können alle von unseren Vorgängern lernen – und das habe ich auch getan, weil ich sehr lange eng mit Martin zusammengearbeitet habe. Aber ich werde nicht versuchen, ihn zu kopieren. Meine Aufgabe ist es, das nächste Kapitel zu schreiben und meine eigenen Ideen und Werte einzubringen. Natürlich wollen wir erfolgreich sein und das ist immer mit Anstrengung verbunden. Aber ich fühle keinen großen Druck auf mir lasten. Im Gegenteil: Ich habe den besten Job der Welt!
Fendt könnte im AGCO-Konzern an Bedeutung verlieren, wenn Sie der neue Chef sind, hieß es in Deutschland. Was sagen Sie den Kritikern? Hansotia: Diese Bedenken sind wirklich unnötig. Ich habe die Marke Fendt schon immer bewundert – schon vor meiner Zeit bei AGCO. In den vergangenen Jahren habe ich Fendt natürlich noch viel intensiver kennenlernen können. Und es ist meine absolute Überzeugung, dass Fendt schon jetzt ein absolutes Premium-Unternehmen ist. Das meine ich mit Blick auf die Produkte, aber auch hinsichtlich der künftigen Rolle im AGCO-Konzern.
Sie sehen ungenutzte Potenziale bei Fendt. Wo liegen die?
Hansotia: Zunächst einmal gibt es noch Möglichkeiten, Fendt als einen Anbieter mit einem gesamten Produktprogramm für die Landwirtschaft zu stärken. Lange lag der Fokus für Fendt nur auf den Traktoren – und diese Sparte wird auch weiterhin stark bleiben. Nun haben wir vor ein paar Jahren begonnen, auch Ladewagen, Mähdrescher, Sämaschinen, Pflanzenschutzspitzen, Futtererntetechnik oder Ballenpressen von Fendt anzubieten. In Zukunft wollen wir sicherstellen, dass der Fendt-Kunde wirklich alle notwendigen Maschinen für den gesamten landwirtschaftlichen Zyklus auch von Fendt bekommen kann.
Was heißt das für die Ziele des Unternehmens?
Hansotia: Wir sehen da ein enormes Wachstum, wenn wir ein umfassendes Fendt-Maschinenprogramm unseren Händlern bieten können. Gleichzeitig wollen wir dieses Vollsortiment noch viel stärker den Kunden auch außerhalb von Europa anbieten. Große Märkte sehen wir etwa in Nord- und Südamerika, Australien oder Südafrika. Es gibt für Fendt also eine Wachstumsstrategie auf zwei Wegen: die Produktpalette weiter ausbauen und den globalen Markt erobern.
Gleich in Ihrem ersten Jahr als AGCO -Chef wird Fendt wohl die lang angestrebte Rekordmarke von 20000 Traktoren knacken. Was kommt jetzt, sind 30 000 Traktoren das neue Ziel? Hansotia: Zunächst einmal bin ich sehr stolz darauf, was das Team in Marktoberdorf geschafft hat. Dies ist jedoch nur ein Meilenstein auf einer längeren Reise. Wir werden in Zukunft von noch viel größeren Zahlen sprechen. Doch wir fokussieren uns nicht mehr nur auf die Traktoren. Die Zahl 20000 war ja ein reines Traktoren-Ziel für Marktoberdorf. Künftig definieren wir uns – wie gesagt – über die gesamte Produktpalette und den globalen Markt. Und natürlich haben wir Erwartungen, wie sich jedes einzelne Produkt entwickeln sollte. Ich bin mir aber sicher: Fendt wird das stärkste Wachstum von all unseren Landmaschinen-Unternehmen hinlegen. Fendt wird sicher viel stärker wachsen als der Markt.
Zukunftsmärkte sehen Sie in Amerika. Wird es dort künftig auch Fendt Produktionsstandorte geben?
Hansotia: Derzeit sind wir zufrieden damit, wie das System aufgestellt ist. Für Nordamerika liefern wir Traktoren aus Marktoberdorf und Mähdrescher aus Breganze/ Italien. Sollte das Volumen stark zunehmen, werden wir eine neue Bewertung vornehmen. Ich bin mir aber zu hundert Prozent sicher, dass das Herz der Produktion dort bleibt, wo es jetzt ist. Vorstellbar ist aber, dass wir Teile der Endmontage auch in Nord- oder Südamerika vornehmen könnten.
Das für den gesamten AGCO-Konzern globale Zentrum für Digitalisierung und Elektronik ist in Marktoberdorf angesiedelt. Wird dort die Zahl der Stellen ausgebaut?
Hansotia: Ja, das erwarte ich. Wir haben erst kürzlich den neuen Gebäudekomplex für Forschung und Entwicklung fertiggestellt. Dort sind 150 neue Arbeitsplätze für Ingenieure entstanden, die sich mit Elektronik und Digitalisierung befassen. Und wir stellen weiter neue Mitarbeiter ein. Wir haben das Entwicklungsbudget in diesem Jahr so stark erhöht, wie noch nie in der Geschichte des Unternehmens. Ein großer Teil geht in die Bereiche Elektronik, Digitalisierung und Software. Auf der einen Seite geht es um die Entwicklung von intelligenten Maschinen, auf der anderen Seite entwickeln wir digitale Lösungen für unsere Kunden und Händler. Beide Bereiche sind in Marktoberdorf angesiedelt. Ein großer Teil unserer Investitionen fließt dorthin.
Wird sich das deutsch-amerikanische Verhältnis unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden wieder verbessern? Hansotia: Wissen Sie, Politik ist ja oft das, was Sie im Fernsehen sehen. Der eine sagt dieses, der andere jenes. Das kann man gut oder schlecht finden, aber die Frage ist: Was davon betrifft unser Unternehmen? Das ist die Frage, die sich für mich stellt. Und wie beeinflusst das mein persönliches Leben? Für AGCO hat es in den vergangenen Jahren aufgrund der Politik kein großes Problem gegeben. Wir als Unternehmen müssen unseren Job gut machen und den Landwirten das Leben erleichtern. Wenn wir das tun, ist es dem Landwirt egal, was Politiker sagen. Und für mich persönlich? Ich habe viele Freunde in Deutschland. Diese guten Beziehungen sind unberührt von der Politik geblieben. Wir mögen uns, egal wer an der Spitze des Landes steht. Allerdings muss ich sagen, dass mir der Ton der Biden-Regierung besser gefällt. Da geht es mehr um die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA, da wird die gegenseitige Hilfe mehr in den Mittelpunkt gerückt. Das entspricht auch eher meinem Führungsstil.
Hat die Corona-Pandemie das Bewusstsein der Menschen verändert, was die Themen Landwirtschaft und Nahrungsmittel anbelangt? Hansotia: Ja, das steht völlig außer Frage. Die Pandemie war für viele Menschen ein Weckruf. Vielen war gar nicht bewusst, wie komplex und verletzlich die Lieferketten für Lebensmittel sind. Deutlich und sichtbar ist auch die immens wichtige Rolle der Landwirte für viele Verbraucher geworden. Und zwar nicht nur als Lieferanten für Lebensmittel. Es geht ja auch um das Thema Nachhaltigkeit und welche Rolle die Landwirtschaft spielen kann, um das Problem der globalen Erwärmung zu lösen.
Was tun Sie selbst für ein gesundes Leben?
Hansotia: Sport ist für mich die absolute Nummer eins. Wenn ich regelmäßig trainiere, esse ich gesünder, schlafe ich besser und bin viel kreativer. Ich spiele unglaublich gern Tennis, gehe ins Fitness-Studio, fahre Ski, gehe Wandern in den Bergen und bin überhaupt wahnsinnig gern in der Natur. Viele dieser Aktivitäten machen wir als Familie zusammen.