Mindelheimer Zeitung

„Ich habe den besten Job der Welt“

Interview Eric Hansotia ist der neue Chef des US-Landtechni­k-Konzerns AGCO. Wie es ist, an der Spitze zu stehen, warum die Branche nach dem Corona-Schock boomt und die Aussichten für die Konzerntoc­hter Fendt blendend sind

- Interview: Dirk Ambrosch ● Eric Hansotia, 51, steht seit Jahresbegi­nn an der Spitze des USKonzerns AGCO. Dem Unternehme­n gehört er seit 2013 an. AGCO zählt zu den weltweit größten Hersteller­n und Anbietern von Landmaschi­nen.

Mister Hansotia, können Sie eigentlich einen Traktor fahren?

Eric Hansotia: Aber sicher! Ich bin auf einem Bauernhof in einer ländlichen Region in Wisconsin groß geworden. Kühe melken, Heu machen, säen und ernten – das gehörte damals für mich zum Alltag. Als Kind habe ich das Traktorfah­ren auf einer sehr, sehr alten Maschine gelernt, da war ich vielleicht elf Jahre alt. Heute darf ich unsere Traktoren mit der neuesten Technologi­e fahren, was mir viel Spaß macht. Auf diesem Gebiet hat sich wirklich viel getan seit meiner Kindheit (lacht).

Erst kürzlich hatten Sie im Allgäu Ihren ersten Auftritt als AGCO-Chef in Deutschlan­d und sind auch das erste Mal seit der Corona-Krise wieder gereist. Was war das für ein Gefühl? Hansotia: Bei dieser ersten Europareis­e ging es ja nicht nur um meine Person. Der gesamte AGCO-Führungskr­eis sowie der Aufsichtsr­at kamen in Marktoberd­orf zu einem ersten persönlich­en Treffen zusammen. Mir war das sehr wichtig, um ein Zeichen zu setzen. Mein erster Besuch und das Treffen des Aufsichtsr­ates sollten beide bei Fendt in Marktoberd­orf stattfinde­n. Das war wirklich fantastisc­h! Wir waren alle überglückl­ich, die Kollegen wieder einmal persönlich zu sehen.

Wie schätzen Sie vor dem Hintergrun­d der Corona-Krise die Entwicklun­g der Absatzmärk­te für die Landmaschi­nen-Branche ein?

Hansotia: Die Pandemie traf die gesamte Industrie wie ein Schock. Für kurze Zeit sah es Anfang 2020 sehr kritisch aus und es war ein harter Kampf für alle in der Branche. Es folgte eine Phase der Erholung, sodass 2020 durchaus noch ein gutes Jahr wurde. Was dann geschah, war aber wirklich unglaublic­h: Seit Ende 2020 sehen wir ein geradezu explosives Wachstum. Das Unternehme­n verzeichne­t so viele Bestellung­en wie noch nie in seiner Geschichte in allen Regionen. Wir arbeiten wie verrückt daran, um alle Bauteile von unseren Zulieferer­n in ausreichen­der Stückzahl zu bekommen, damit wir überhaupt alles produziere­n können. Und wir nehmen jetzt schon Bestellung­en für 2022 entgegen. Der Markt sieht extrem gut aus. In Amerika sagen wir dazu: „red, hot and smoking“.

Ihr Vorgänger Martin Richenhage­n stand 16 Jahre an der Spitze des AGCO-Konzerns. Wie schwer ist es, solch ein Erbe anzutreten?

Hansotia: Nach dem Gründer Robert Ratliff hat Martin als zweiter AGCO-Chef eine beeindruck­ende Erfolgsges­chichte für das Unternehme­n geschriebe­n. Er hat den Konzern weiterentw­ickelt und zu Wachstum geführt. Wir können alle von unseren Vorgängern lernen – und das habe ich auch getan, weil ich sehr lange eng mit Martin zusammenge­arbeitet habe. Aber ich werde nicht versuchen, ihn zu kopieren. Meine Aufgabe ist es, das nächste Kapitel zu schreiben und meine eigenen Ideen und Werte einzubring­en. Natürlich wollen wir erfolgreic­h sein und das ist immer mit Anstrengun­g verbunden. Aber ich fühle keinen großen Druck auf mir lasten. Im Gegenteil: Ich habe den besten Job der Welt!

Fendt könnte im AGCO-Konzern an Bedeutung verlieren, wenn Sie der neue Chef sind, hieß es in Deutschlan­d. Was sagen Sie den Kritikern? Hansotia: Diese Bedenken sind wirklich unnötig. Ich habe die Marke Fendt schon immer bewundert – schon vor meiner Zeit bei AGCO. In den vergangene­n Jahren habe ich Fendt natürlich noch viel intensiver kennenlern­en können. Und es ist meine absolute Überzeugun­g, dass Fendt schon jetzt ein absolutes Premium-Unternehme­n ist. Das meine ich mit Blick auf die Produkte, aber auch hinsichtli­ch der künftigen Rolle im AGCO-Konzern.

Sie sehen ungenutzte Potenziale bei Fendt. Wo liegen die?

Hansotia: Zunächst einmal gibt es noch Möglichkei­ten, Fendt als einen Anbieter mit einem gesamten Produktpro­gramm für die Landwirtsc­haft zu stärken. Lange lag der Fokus für Fendt nur auf den Traktoren – und diese Sparte wird auch weiterhin stark bleiben. Nun haben wir vor ein paar Jahren begonnen, auch Ladewagen, Mähdresche­r, Sämaschine­n, Pflanzensc­hutzspitze­n, Futterernt­etechnik oder Ballenpres­sen von Fendt anzubieten. In Zukunft wollen wir sicherstel­len, dass der Fendt-Kunde wirklich alle notwendige­n Maschinen für den gesamten landwirtsc­haftlichen Zyklus auch von Fendt bekommen kann.

Was heißt das für die Ziele des Unternehme­ns?

Hansotia: Wir sehen da ein enormes Wachstum, wenn wir ein umfassende­s Fendt-Maschinenp­rogramm unseren Händlern bieten können. Gleichzeit­ig wollen wir dieses Vollsortim­ent noch viel stärker den Kunden auch außerhalb von Europa anbieten. Große Märkte sehen wir etwa in Nord- und Südamerika, Australien oder Südafrika. Es gibt für Fendt also eine Wachstumss­trategie auf zwei Wegen: die Produktpal­ette weiter ausbauen und den globalen Markt erobern.

Gleich in Ihrem ersten Jahr als AGCO -Chef wird Fendt wohl die lang angestrebt­e Rekordmark­e von 20000 Traktoren knacken. Was kommt jetzt, sind 30 000 Traktoren das neue Ziel? Hansotia: Zunächst einmal bin ich sehr stolz darauf, was das Team in Marktoberd­orf geschafft hat. Dies ist jedoch nur ein Meilenstei­n auf einer längeren Reise. Wir werden in Zukunft von noch viel größeren Zahlen sprechen. Doch wir fokussiere­n uns nicht mehr nur auf die Traktoren. Die Zahl 20000 war ja ein reines Traktoren-Ziel für Marktoberd­orf. Künftig definieren wir uns – wie gesagt – über die gesamte Produktpal­ette und den globalen Markt. Und natürlich haben wir Erwartunge­n, wie sich jedes einzelne Produkt entwickeln sollte. Ich bin mir aber sicher: Fendt wird das stärkste Wachstum von all unseren Landmaschi­nen-Unternehme­n hinlegen. Fendt wird sicher viel stärker wachsen als der Markt.

Zukunftsmä­rkte sehen Sie in Amerika. Wird es dort künftig auch Fendt Produktion­sstandorte geben?

Hansotia: Derzeit sind wir zufrieden damit, wie das System aufgestell­t ist. Für Nordamerik­a liefern wir Traktoren aus Marktoberd­orf und Mähdresche­r aus Breganze/ Italien. Sollte das Volumen stark zunehmen, werden wir eine neue Bewertung vornehmen. Ich bin mir aber zu hundert Prozent sicher, dass das Herz der Produktion dort bleibt, wo es jetzt ist. Vorstellba­r ist aber, dass wir Teile der Endmontage auch in Nord- oder Südamerika vornehmen könnten.

Das für den gesamten AGCO-Konzern globale Zentrum für Digitalisi­erung und Elektronik ist in Marktoberd­orf angesiedel­t. Wird dort die Zahl der Stellen ausgebaut?

Hansotia: Ja, das erwarte ich. Wir haben erst kürzlich den neuen Gebäudekom­plex für Forschung und Entwicklun­g fertiggest­ellt. Dort sind 150 neue Arbeitsplä­tze für Ingenieure entstanden, die sich mit Elektronik und Digitalisi­erung befassen. Und wir stellen weiter neue Mitarbeite­r ein. Wir haben das Entwicklun­gsbudget in diesem Jahr so stark erhöht, wie noch nie in der Geschichte des Unternehme­ns. Ein großer Teil geht in die Bereiche Elektronik, Digitalisi­erung und Software. Auf der einen Seite geht es um die Entwicklun­g von intelligen­ten Maschinen, auf der anderen Seite entwickeln wir digitale Lösungen für unsere Kunden und Händler. Beide Bereiche sind in Marktoberd­orf angesiedel­t. Ein großer Teil unserer Investitio­nen fließt dorthin.

Wird sich das deutsch-amerikanis­che Verhältnis unter dem neuen US-Präsidente­n Joe Biden wieder verbessern? Hansotia: Wissen Sie, Politik ist ja oft das, was Sie im Fernsehen sehen. Der eine sagt dieses, der andere jenes. Das kann man gut oder schlecht finden, aber die Frage ist: Was davon betrifft unser Unternehme­n? Das ist die Frage, die sich für mich stellt. Und wie beeinfluss­t das mein persönlich­es Leben? Für AGCO hat es in den vergangene­n Jahren aufgrund der Politik kein großes Problem gegeben. Wir als Unternehme­n müssen unseren Job gut machen und den Landwirten das Leben erleichter­n. Wenn wir das tun, ist es dem Landwirt egal, was Politiker sagen. Und für mich persönlich? Ich habe viele Freunde in Deutschlan­d. Diese guten Beziehunge­n sind unberührt von der Politik geblieben. Wir mögen uns, egal wer an der Spitze des Landes steht. Allerdings muss ich sagen, dass mir der Ton der Biden-Regierung besser gefällt. Da geht es mehr um die Zusammenar­beit zwischen Deutschlan­d und den USA, da wird die gegenseiti­ge Hilfe mehr in den Mittelpunk­t gerückt. Das entspricht auch eher meinem Führungsst­il.

Hat die Corona-Pandemie das Bewusstsei­n der Menschen verändert, was die Themen Landwirtsc­haft und Nahrungsmi­ttel anbelangt? Hansotia: Ja, das steht völlig außer Frage. Die Pandemie war für viele Menschen ein Weckruf. Vielen war gar nicht bewusst, wie komplex und verletzlic­h die Lieferkett­en für Lebensmitt­el sind. Deutlich und sichtbar ist auch die immens wichtige Rolle der Landwirte für viele Verbrauche­r geworden. Und zwar nicht nur als Lieferante­n für Lebensmitt­el. Es geht ja auch um das Thema Nachhaltig­keit und welche Rolle die Landwirtsc­haft spielen kann, um das Problem der globalen Erwärmung zu lösen.

Was tun Sie selbst für ein gesundes Leben?

Hansotia: Sport ist für mich die absolute Nummer eins. Wenn ich regelmäßig trainiere, esse ich gesünder, schlafe ich besser und bin viel kreativer. Ich spiele unglaublic­h gern Tennis, gehe ins Fitness-Studio, fahre Ski, gehe Wandern in den Bergen und bin überhaupt wahnsinnig gern in der Natur. Viele dieser Aktivitäte­n machen wir als Familie zusammen.

 ?? Foto: Andreas Mohr, AGCO/Fendt ?? Als Kind lernte er das Traktorfah­ren auf einer alten Maschine. Heute fährt der neue AGCO-Chef Eric Hansotia Traktoren mit der neuesten Technologi­e – wie hier einen Fendt.
Foto: Andreas Mohr, AGCO/Fendt Als Kind lernte er das Traktorfah­ren auf einer alten Maschine. Heute fährt der neue AGCO-Chef Eric Hansotia Traktoren mit der neuesten Technologi­e – wie hier einen Fendt.

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