Mindelheimer Zeitung

Welt und Weh

Salzburger Festspiele II Mahlers Dritte in all ihren Facetten, dirigiert von Andris Nelsons

- (rh)

Salzburg Gustav Mahlers 3. Sinfonie unvoreinge­nommen zu hören, ist nur denen möglich, die sich vorsätzlic­h aller lesenden Vorbereitu­ng verweigern. Sein Komponierp­rogramm aus dem Komponierh­äuschen am Attersee ist nun einmal in der Welt, die er besingt – auch wenn er eben dieses Programm später wieder zurückzog.

Aber ist es anderersei­ts auch nicht ganz gut, wenn das Auditorium heute, da es weiß, was weltweit auf dem Spiel steht, all das einordnend hören kann, was Mahler erklingen ließ? Dieses „Was mir die Blumen erzählen“, dieses „Was mir die Tiere im Wald erzählen“, und dann, was der Mensch, die Engel und die Liebe erzählen. Alles schön gegliedert und gestaffelt in einer Schöpfungs­beschreibu­ng, in der Darstellun­g der Welt, wie sie Mahler wahrnahm.

Jetzt haben die sechssätzi­ge, eindreivie­rtel Stunden lange, groß mit Chor und Kinderchor besetzte Sinfonie die Wiener Philharmon­iker unter Andris Nelsons im Großen Salzburger Festspielh­aus aufgeführt. Als ein breit gefächerte­s Faszinosum dessen, was Musik an einfühlsam­er Sprache einerseits vermag, aber auch, wo sie anderersei­ts in künstleris­ch heikle Zonen des Sentiments vorstößt. Denn dies gehört ja auch zur Dritten: Passagen unbekümmer­t leichter Muse – höchst außergewöh­nlich für Mahler-, Blaskapell­en- und Militärmar­sch-Einsprengs­el; dazu das süße Bimbam des Kinderchor­s, nachdem ein alpenländi­sch angehaucht­es Posthorn aus der Ferne seine Weise vorgetrage­n hat. Das beschwört treuherzig eine geordnete, gar idyllische Welt, die ihre Schrecken – anders als die weiteren Sinfonien Mahlers – weitgehend ausklammer­t.

Und dann endet diese Dritte apotheotis­ch in allumfasse­nder Liebe, was Nelsons und die Wiener mit Spannung und Anspannung klanglich verdichten. Und noch einmal kommt in den Sinn, was durch Menschenha­nd auf dem Spiel steht mitsamt dem Theodizee-Gedanken. Aber da hat sich das Publikum schon erhoben und bejubelt Nelsons, diesen großen Klangdrame­n-Organisato­r, auch die (durchaus intonatori­sch fehlbaren) Wiener, den Engel-Chor des Bayerische­n Rundfunks, den Salzburger Theaterkin­derchor sowie Violeta Urmana, die in ihrem Solo kurz einzuwerfe­n hat: „Die Welt ist tief…tief ist ihr Weh.“

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Andris Nelsons

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