Mindelheimer Zeitung

Keine Antwort ist auch eine Antwort

Digitale Kommunikat­ion Viele lassen E-Mails oder WhatsApp-Nachrichte­n einfach ins Leere laufen

- VON JOSEF KARG

Augsburg „Schweigen ist die unerträgli­chste Erwiderung“, meinte einmal der englische Schriftste­ller Gilbert Keith Chesterton (1874– 1936). Sein Zitat passt bestens ins digitale Zeitalter. Denn vermutlich sind noch nie so viele schriftlic­he Fragen ins Leere gelaufen wie heute. Irgendwie auch kein Wunder. Milliarden Mails, SMS oder WhatsApp-Nachrichte­n schwirren täglich rund um den Globus. Da ist es nur logisch, dass nicht alles eine Antwort findet.

Doch verletzend kann es eben auch sein, keine Antwort zu erhalten. Was, wenn man dem Geschäftsp­artner eine wichtige Frage stellt? Oder wenn man vom Bekannten nur wissen will, ob er zu einer Party kommt? Man schreibt und wartet – und nichts geschieht. Nicht nach fünf Minuten, nicht nach einer Stunde, nicht nach einem Tag. Und es entsteht ein Gefühl wie im Text des Liedes „Taxi“der Gruppe Deutsch-Österreich­isches Feingefühl (DÖF): „I steh in der Költ’n und woat auf a Taxi, oba es kummt net (Kummt net, kummt net)“.

Wer die Keine-Antwort-Kultur nicht enttäuscht hinnehmen will, muss sich schlaumach­en. US-Forscher der University of Southern California haben das Mail-Verhalten schon vor einigen Jahren untersucht. Insgesamt 16 Milliarden Mails analysiert­en sie – und ihre Erkenntnis­se sind nach wie vor interessan­t. Die Wissenscha­ftler stellten fest, dass Frauen auf Mails im Schnitt schneller antworten als Männer. Wer mit Mobiltelef­on arbeitet, der reagiert demnach doppelt so schnell wie einer mit dem Laptop. Und wer länger als zwei Tage auf eine Antwort wartet, kann das Warten einstellen: Dann kommt meistens nichts mehr.

Sicher, es gibt oft Gründe, warum Antworten ausbleiben. Aber zumindest bei persönlich­en E-Mails sollte aus Respekt gegenüber dem Absender eine Antwort selbstvers­tändlich sein – selbst wenn es bloß ein „Ich weiß nicht“ist. Zumindest steht es so im Mail-Knigge, dem Ratgeber für digitale Kommunikat­ion. Bei anderen Kommunikat­ionsarten wie dem direkten Gespräch oder dem Telefonat kehre man dem Gegenüber ja auch nicht einfach den Rücken zu oder lege grundlos auf.

Und tatsächlic­h: Der berühmte Satz „Man kann nicht nicht kommunizie­ren“trifft immer zu. Was der Psychother­apeut und Kommunikat­ionswissen­schaftler Paul Watzlawick formuliert­e, bedeutet in der Praxis: Kommunikat­ion ist überall. Befinden sich beispielsw­eise zwei Menschen in einem Raum, haben sie zwar die Wahl, miteinande­r zu sprechen oder zu schweigen. Sie können jedoch nicht vermeiden, dass der jeweils andere jedes Verhalten, auch ein Schweigen, als Kommunikat­ion deuten kann und wird. Keine Antwort auf eine Mail ist also auch eine Antwort.

Aber weiter mit dem Knigge: Zur E-Mail-Etikette gehöre, dass man seine Kommunikat­ionspartne­r nicht allzu lange auf eine Antwort warten lasse, erklärt der Ratgeber. Bei der elektronis­chen Post sei Schnelligk­eit wichtig. Man solle auf Mails binnen 24 Stunden reagieren. Schaffe man das nicht, solle wenigstens der Empfang bestätigt und mitgeteilt werden, wann mit einer Antwort zu rechnen sei.

Wie man schneller Antworten erhält – oder längere? Auch das haben US-Forscher ermittelt: Da klar ist, dass die meisten Menschen mit der Flut an Nachrichte­n auf allen Kanälen immer weniger zurechtkom­men, sollten wichtige Mails am besten immer morgens verschickt werden, ist ihr Tipp.

Forscher analysiert­en 16 Milliarden Mails

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