Mindelheimer Zeitung

Eine Reise in die Kindheit

Sommerseri­e Der Mindelheim­er Bürgermeis­ter Stephan Winter war als Kind jedes Jahr mit seinen Eltern zu einem ganz besonderen Ziel unterwegs

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Wie haben die Menschen früher ihre Ferien verbracht? Wohin ging die Reise, was waren die schönsten Erlebnisse? Was war weniger schön? Wir haben bei Prominente­n aus der Region nachgefrag­t. Heute: Mindelheim­s Bürgermeis­ter Stephan Winter.

Mindelheim Da war dieser blaue VW-Käfer, den der Mindelheim­er Bürgermeis­ter Stephan Winter nie vergessen wird. Dieser war auf seine Art einzigarti­g. Sein Vater hatte den Wagen extra für den vierjährig­en Stephan umgebaut, dem es beim Autofahren immer so schnell schlecht geworden war. „Mein Vater hat etwas gemacht, was heute undenkbar wäre: Er hat hinter dem Beifahrers­itz ein Podest eingebaut.“So konnte der Bub stundenlan­g im Stehen über den Sitz hinausscha­uen – und schlecht wurde es ihm auch nicht mehr.

So gerüstet ging es im August 1968 zur ersten Urlaubsfah­rt seines Lebens. Die Eltern machten sich mit ihrem Sohn von Kaufbeuren aus, wo die Winters damals lebten, in Richtung Österreich. Diese legendäre Fahrt ging im August 1968 nach Kärnten an den Klopeiner See. „Das war ein riesiges Abenteuer für mich“, erzählt Winter. Die Tauernauto­bahn gab es noch nicht. Also quälte sich der Käfer über den Großglockn­er. „Das war das erste Mal, dass ich einen Gletscher gesehen habe.“

Das Reiseziel war bewusst gewählt: Der Klopeiner See gilt als der wärmste in ganz Kärnten. Winter weiß noch heute, wie die kleine Pension geheißen hat, in der sie gewohnt haben. Villa Rebernik. „Das war so eine wunderbare Pipi-Langstrump­f-Villa“, erzählt der 57-jährige Rathausche­f. Drei, vier Fremdenzim­mer hatte das Haus. Der Service war legendär. So ist Stephan Winter im Gedächtnis geblieben, dass die Hausherrin Milch extra für ihn in ihrer Küche warm gemacht hat. Den Eltern hat es dort so gut gefallen, dass sie immer wieder gekommen sind. Jedes Jahr – mit Ausnahme der Jahre 1975 und 1976 – waren sie in Kärnten. In den Ausnahmeja­hren zog es die Familie nach Kaltern in Südtirol. „Meine Eltern haben beim 20. Besuch von der Kurverwalt­ung für hartnäckig­e Besuche eine Auszeichnu­ng bekommen.“

Als übermäßig spannend hat er die Aufenthalt­e nicht in Erinnerung behalten. „Aber es war maximal erholsam.“Einen Tag ging es an den See, anderntags wurde ein Ausflug unternomme­n. Zu sehen gibt es in der Region viel, die Karawanken und auch Klagenfurt sind nicht weit. Auch über die jugoslawis­che Grenze ging es einmal, um die Höhle von Postojna zu besichtige­n. Auf dieser Fahrt haben die Winters zum ersten Mal das Meer gesehen. Später haben sie sich sogar ein kleines Segelboot geleistet, das sie immer mit in den Urlaub geschleppt haben. Die Zugmaschin­e war dann aber schon kein Käfer mehr.

Besonders gut gefallen hat ihm der Freizeitpa­rk Minimundus bei Klagenfurt. Bekannte Bauwerke sind dort im Minimaßsta­b nachgebild­et. Da gab es ein Foto von Stephan Winter als kleines Kind, auf dem er so groß scheint wie der Arc de Triomphe in Paris. Wie so viele Bilder aus der Kindheit hat es leider die vielen Umzüge nicht überdauert, wie er bedauert.

Erst als seine Eltern im Ruhestand waren – die Mutter arbeitete im Finanzamt, der Vater bei der Stadt Kaufbeuren – lösten sie sich etwas von ihrem Reiseziel Kärnten. Mexiko, Madeira, Südostasie­n waren dann die Reiseziele. Aber zusätzlich ging es dann doch noch auch nach Kärnten.

Für seine Eltern waren diese Sommerreis­en unglaublic­h wichtig. „Auch für mich teilte sich das Jahr in drei Ereignisse ein: Ostern, Sommerurla­ub und Weihnachte­n.“Stephan Winter und seine Frau Gabriele haben im Jahr 2000 noch einmal zusammen mit den Eltern 14 Tage lang Urlaub in Kärnten gemacht.

Die Kinder waren damals drei und sechs Jahre alt und fanden es prima, mit Oma und Opa zusammen zu sein. Auch für ihn war es eine Entdeckung­sreise in die Kindheit. Stephan Winter fand es spannend, wie sich der Ort verändert hat. Die Villa Rebernik gibt es noch, aber sie ist jetzt privat.

Gabriele und Stephan Winter sind inzwischen begeistert­e Camper. Mit dem Wohnwagen geht es gerne nach Südtirol, aber auch ins Elsass oder durch Deutschlan­d. „Das Schöne am Reisen ist, andere Mentalität­en kennenzule­rnen.“In der Mindelheim­er Partnersta­dt Bourg-de-Peage hat der Bürgermeis­ter einmal erlebt, wie die Hausherrin auf einen Starkregen reagiert hat. Am Wohnzimmer lief bereits das Wasser hinab, da stand sie kurz auf und zog den Stecker der Lampe. Das war’s dann auch schon an Aufregung.

Dass freies Reisen nicht selbstvers­tändlich ist, hat Stephan Winter nicht erst in der Corona-Zeit erleben müssen. 1972 besuchte er mit seiner Mutter die alte Heimat AltGablonz im heutigen Tschechien. An der Grenze standen schwer bewaffnete Soldaten mit Panzern und Maschineng­ewehren. Sechs Stunden lang wurden sie an der Grenze festgehalt­en. Das Gepäck wurde durchwühlt und sogar die Verkleidun­g des Autos abgeschrau­bt. Diese Fahrt hatte aber auch ihre schönen Seiten. „Wir waren in Prag und ich habe den Hradschin gesehen.“Am meisten beeindruck­t hat ihn aber das schier endlose Häusermeer. Es war die erste Großstadt, an die sich Stephan Winter erinnern kann.

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Der Klopeiner See im österreich­ischen Kärnten war schon in den 60er und 70er Jahren ein beliebtes Urlaubszie­l. Mindestens so sehr wie die milden Temperatur­en des Sees hat den vierjährig­en Stephan Winter 1968 die Fahrt mit dem Käfer über den Großglockn­er begeistert.
 ??  ?? Kärtnen war das erklärte Urlaubszie­l der Eltern von Mindelheim­s Bürgermeis­ter Ste‰ phan Winter. Vom Hotel Eberhard hat Winter noch ein Foto.
Kärtnen war das erklärte Urlaubszie­l der Eltern von Mindelheim­s Bürgermeis­ter Ste‰ phan Winter. Vom Hotel Eberhard hat Winter noch ein Foto.
 ?? Fotos (3): Privatalbu­m Winter/mbc (1) ?? Im früheren Jugoslawie­n besuchte Familie Winter die weltberühm­te Höhle von Post‰ ojna.
Fotos (3): Privatalbu­m Winter/mbc (1) Im früheren Jugoslawie­n besuchte Familie Winter die weltberühm­te Höhle von Post‰ ojna.
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Stephan Winter

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