Mindelheimer Zeitung

Betreuer bereichert sich an seinem Schützling

Justiz Ein 58-Jähriger hatte sich am Vermögen eines Seniors bedient und musste sich dafür jetzt vor dem Amtsgerich­t verantwort­en. Welche Strafe ihn erwartet und warum er seiner Aufgabe trotzdem weiter nachgehen darf.

- VON KURT KRAUS

Memmingen Ein 58-jähriger Berufsbetr­euer soll sich ungerechtf­ertigt am Vermögen eines Betreuten bereichert haben: Zu diesem Urteil kam das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Nicolai Braun, als sich der Angeklagte wegen Untreue vor dem Amtsgerich­t verantwort­en musste.

Am dritten Verhandlun­gstag schilderte der Angeklagte, wie es aus seiner Sicht zum Tatvorwurf gekommen war. 2016 war er demnach von dem heute 87-Jährigen, den er persönlich gekannt habe, gebeten worden, die Betreuung zu übernehmen und seine ambulante Pflege zu sichern. Der 87-Jährige habe nicht nur gesundheit­liche Probleme gehabt und zu viel Alkohol getrunken – seit dem Tod seiner Ehefrau sei er auch mit seinem Sohn zerstritte­n. Dieser hatte das Haus des Vaters im Unterallgä­u verkauft und das Geld in eine andere Immobilie gesteckt. Ein Gericht habe schließlic­h entschiede­n, dass der Sohn dem Vater regelmäßig Unterhalt zu zahlen habe. Persönlich­en Kontakt zum Sohn wollte der 87-Jährige nicht. Also sei die Betreuung eingericht­et worden. Versuche, den Betreuten in der Tages- oder Kurzzeitpf­lege unterzubri­ngen, seien „jämmerlich gescheiter­t“, sagte der Angeklagte.

Die kostengüns­tige Lösung wäre ein Heimplatz gewesen, doch der Betreute habe unbedingt „im häuslichen Umfeld“gepflegt werden wollen.

Dem Wunsch des Betreuten habe man in Absprache mit dessen Schwester, dem Sozialdien­st und dem Landratsam­t entsproche­n. Die Behörde habe sich mit einer „Rundum-die-Uhr-Pflege“einverstan­den erklärt. Das Budget – bestehend aus der Rente des Seniors, Versicheru­ngsleistun­gen, dem Unterhalt des Sohnes und Zahlungen des Landratsam­tes – sei auf rund 3000 Euro gedeckelt gewesen. Nachverhan­dlungen seien ausgeschlo­ssen, habe die Behörde klar gemacht. Also habe er zwischen „dem voll geschäftsf­ähigen“Betreuten und seinem eigenen Betreuungs­büro einen Vertrag geschlosse­n. Zusätzlich zu seiner Betreuungs­vergütung wurden für die Alltagsbeg­leitung im Umfang von 42 Wochenstun­den monatlich 2582,58 Euro vom Konto des Betreuten abgebucht. Der 58-Jährige ergänzte, ihm sei „enormer Aufwand“entstanden, weit über das übliche Maß einer Berufsbetr­euung hinaus.

Für die Beweisaufn­ahme wurden zahlreiche eingesetzt­e Pflegekräf­te gehört und zu ihren Arbeitszei­ten befragt. Demnach wurde der 87-Jährige durchschni­ttlich nur in höchstens 24 Wochenstun­den von einer sogenannte­n Alltagsass­istenz betreut. Der Angeklagte sprach von einer „Mischkalku­lation“– schließlic­h hätten sich der Pflegeaufw­and und damit die Kosten mit zunehmende­m Alter gesteigert. Indes ging Staatsanwa­lt Markus Schroth davon aus, dass der Betreuer sein Mündel betrogen habe: um rund 32600 Euro. Dass die Pflegeleis­tungen nicht im vereinbart­en Umfang erbracht wurden, war auch mit Hilfe einer vom Sohn beauftragt­en Detektei aufgedeckt worden. Rechtsanwä­ltin Franziska Thommel, Vertreteri­n einer anhängende­n Zivilklage durch den Sohn, sagte: „Es spielt keine Rolle, dass der 87-Jährige mit der Betreuung zufrieden war.“

Die Verteidige­rinnen Theresa Pilz und Anja Mack betonten, dass der Betreute unbedingt zuhause gepflegt werden wollte und ihr Mandant alles getan habe, um dies zu ermögliche­n. Sie forderten einen Freispruch. Das Gericht hielt eine Freiheitss­trafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, für angemessen. Zudem muss der Verurteilt­e den entstanden­en Schaden ersetzen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Während des Prozesses hatte sich die Anwaltskan­zlei Menz & Partner in einer Erklärung an die Medien gewandt: Es sei ein Skandal, dass der Angeklagte trotz schwerer Vorwürfe immer noch als Berufsbetr­euer bestellt sei, weiterhin für diese Aufgabe bestellt werde und die übrigen von ihm geführten Betreuungs­fälle nicht eingehend untersucht würden. Man gehe von einem Einzelfall aus, sagte indes Richter Braun bei der Urteilsbeg­ründung. Thorsten Thamm, Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft, erklärte auf Anfrage, dass die Ermittlung­en keine Hinweise für weitere strafbare Sachverhal­te ergeben hätten.

Der Mann wollte daheim betreut werden

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