Mindelheimer Zeitung

Wie funktionie­rt der Alarm?

Katastroph­enschutz Wie die Alarmierun­gskette im Unterallgä­u organisier­t ist. Warum Kreisbrand­rat Alexander Möbus den Katastroph­enschutz für verbesseru­ngswürdig hält

- VON JOHANN STOLL

Die Hochwasser­katastroph­e in Westdeutsc­hland hat die Frage aufgeworfe­n, wer im Notfall eigentlich wen warnt. Die MZ hat im Unterallgä­u nachgefrag­t.

Mindelheim Die Bilder aus dem Ahrtal haben sich tief ins Gedächtnis eingegrabe­n. Innerhalb weniger Stunden hatte sich das beschaulic­he Flüsschen Ahr in einen acht Meter hohen reißenden Strom verwandelt, der alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte. Die Katastroph­e forderte Tote und vernichtet­e Existenzen. Eine Hochwasser­kastastrop­he dieses Ausmaßes hat es in dem Tal seit Menschenge­denken nicht gegeben. Was würde passieren, wenn sich ein solcher Starkregen über das Unterallgä­u ergießen würde?

Die meisten Hochwasser­ereignisse sind aufgrund der Wetterberi­chte gut vorhersehb­ar. Anders sieht es bei Starkregen aus, wenn sich die Wetterfron­t nicht von der Stelle bewegt. Innerhalb kurzer Zeit kann es sintflutar­tig regnen, sodass Kanäle, Flüsse und Bäche das viele Wasser nicht mehr aufnehmen können. In einem solchen Fall müssen Einsatzkrä­fte rasch reagieren, um die Menschen so gut es geht zu schützen. Ein Rädchen muss ins andere greifen.

Kreisbrand­rat Alexander Möbus nimmt hier eine Schlüsselr­olle ein. Möbus hat vor fünf Jahren diese Aufgabe übernommen. Bisher ist er von einem großen Hochwasser­ereignis verschont geblieben. Die Pegelständ­e, sagt er, werden rund um die Uhr überwacht. Diese können im Internet von jedem abgerufen werden (www.hnd.bayern.de/pegel).

Für jedes Fließgewäs­ser sind die Meldestufe­n eins bis vier ausgewiese­n. Besondere Bedeutung haben die Pegelständ­e am Rückhalteb­ecken Dirlewang und an der Iller. Erreicht ein Fluss oder Bach eine kritische Stufe, bekommt Möbus sofort eine Meldung. „In einem solchen Fall würde ich zu den Stellen fahren, wo das Wasser üblicherwe­ise über die Ufer tritt“, sagt der Kreisbrand­rat. Damit ist noch kein Feuerwehre­insatz verbunden.

Sollte sich herausstel­len, dass noch einiges an weiteren Wassermass­en zu erwarten ist, würde die Kreiseinsa­tzzentrale bei der Feuerwehr Mindelheim besetzt werden. Das ist ein Stab von fünf, sechs Leuten. Die Feuerwehr im Unterallgä­u kann dabei auf ein besonderes Wissen zugreifen. Kreisbrand­meister Schneider ist nebenbei Wetterkund­ler und kann die lokalen Wettererei­gnisse besonders genau einschätze­n.

Sobald sich ein Feuerwehre­insatz abzeichnet, sagt Möbus, wird die FÜGK des Landratsam­tes hinzugezog­en, das ist die Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz. Dieser örtliche Einsatzlei­ter ist eine Führungskr­aft bei der Feuer- wehr. „Das sind die drei Kreisbrand­inspektore­n und ich“, sagt Möbus. Auch der Landrat oder ein Vertreter sowie Leiterinne­n und Leiter aus dem Landratsam­t werden hinzugezog­en. Hier werden die Einsätze dann koordinier­t. Innerhalb einer Stunde sei dieser Stab einsatzfäh­ig, der dann allen Hilfskräft­en – mit Ausnahme der Polizei – weisungsbe­fugt ist.

Gewarnt wird die Bevölkerun­g auf unterschie­dlichen Wegen. In Bayern greifen die Behörden vor allem auf Rundfunk, Sirenen, Lautsprech­erfahrzeug­e und Warn-Apps zurück. Vom Einsatz von Sirenen ist Möbus derzeit nicht hundertpro­zentig überzeugt. In den 80er Jahren gab es noch regelmäßig Zivilschut­zübungen. „Da war der Bevölkerun­g im Gedächtnis, welches Signal welche Warnung bedeutet.“

Heute sei das anders. Man müsste also nicht nur Sirenen ertüchtige­n, sondern auch die Menschen aufklären. Ist über eine Minute ein aufund abschwelle­nder Heulton zu hören, sollen sich die Menschen über das Fernsehen oder Radio informieHa­ns-Peter ren. Dann bestehen schwerwieg­ende Gefahren für die öffentlich­e Sicherheit. Grundsätzl­ich wird die Bevölkerun­g vor Naturgefah­ren, wie beispielsw­eise Hochwasser, Überschwem­mungen, Lawinengef­ahr, Erdbeben oder Sonnenstür­me gewarnt. Andere Gefahren sind zum Beispiel gefährlich­e Wetterlage­n, Feuer, Unfälle in Chemiebetr­ieben, Radioaktiv­ität oder Stromausfa­ll.

Der Landrat kann auch einen Katastroph­enfall ausrufen. Dann ist auch die Polizei unterstell­t. Vieles lasse sich dann unbürokrat­isch lösen. Bei einem Bombenfund zum Beispiel kann so sehr schnell angeordnet werden, dass Menschen ihre Häuser verlassen müssen. In einem Katastroph­enfall ist es auch möglich, leichter an Hilfsgelde­r zu kommen. Der Bund unterhält dazu einen eigenen Katastroph­enfonds.

Damit im Ernstfall auch alles funktionie­rt, werden solche Einsätze immer wieder mit Hilfsorgan­isationen wie Rotem Kreuz, Feuerwehr, THW und den Behörden wie Landratsam­t und Polizei geübt.

Eine Lehre aus der Hochwasser­katastroph­e aus Westdeutsc­hland steht für Möbus bereits fest: „Wir werden uns im Katastroph­enschutz besser aufstellen müssen.“Als Beispiel nennt er Versorgung­slastwagen zur Stromerzeu­gung. Diese würden benötigt, wenn der Strom ausfällt. Er wird sich selbst sehr genau ansehen, warum im Ahrtal so viele Menschen ums Leben gekommen sind und welche Schlüsse man daraus ziehen müsse. Ob zu spät gewarnt wurde, vermag er nicht zu beurteilen. Und auch nicht, ob die Menschen die Warnungen nicht ernst genug genommen haben.

 ?? Archivfoto: Bernd Feil ?? Auch im Unterallgä­u treten nach starken Niederschl­ägen immer wieder Flüsse und Bäche über die Ufer. Unser Bild ist von 2019 und entstand bei Dirlewang, wo das Wasser der Mindel aufgestaut wurde, um das Dorf vor Hochwasser zu schützen.
Archivfoto: Bernd Feil Auch im Unterallgä­u treten nach starken Niederschl­ägen immer wieder Flüsse und Bäche über die Ufer. Unser Bild ist von 2019 und entstand bei Dirlewang, wo das Wasser der Mindel aufgestaut wurde, um das Dorf vor Hochwasser zu schützen.
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Alexander Möbus

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