Wie funktioniert der Alarm?
Katastrophenschutz Wie die Alarmierungskette im Unterallgäu organisiert ist. Warum Kreisbrandrat Alexander Möbus den Katastrophenschutz für verbesserungswürdig hält
Die Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland hat die Frage aufgeworfen, wer im Notfall eigentlich wen warnt. Die MZ hat im Unterallgäu nachgefragt.
Mindelheim Die Bilder aus dem Ahrtal haben sich tief ins Gedächtnis eingegraben. Innerhalb weniger Stunden hatte sich das beschauliche Flüsschen Ahr in einen acht Meter hohen reißenden Strom verwandelt, der alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte. Die Katastrophe forderte Tote und vernichtete Existenzen. Eine Hochwasserkastastrophe dieses Ausmaßes hat es in dem Tal seit Menschengedenken nicht gegeben. Was würde passieren, wenn sich ein solcher Starkregen über das Unterallgäu ergießen würde?
Die meisten Hochwasserereignisse sind aufgrund der Wetterberichte gut vorhersehbar. Anders sieht es bei Starkregen aus, wenn sich die Wetterfront nicht von der Stelle bewegt. Innerhalb kurzer Zeit kann es sintflutartig regnen, sodass Kanäle, Flüsse und Bäche das viele Wasser nicht mehr aufnehmen können. In einem solchen Fall müssen Einsatzkräfte rasch reagieren, um die Menschen so gut es geht zu schützen. Ein Rädchen muss ins andere greifen.
Kreisbrandrat Alexander Möbus nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. Möbus hat vor fünf Jahren diese Aufgabe übernommen. Bisher ist er von einem großen Hochwasserereignis verschont geblieben. Die Pegelstände, sagt er, werden rund um die Uhr überwacht. Diese können im Internet von jedem abgerufen werden (www.hnd.bayern.de/pegel).
Für jedes Fließgewässer sind die Meldestufen eins bis vier ausgewiesen. Besondere Bedeutung haben die Pegelstände am Rückhaltebecken Dirlewang und an der Iller. Erreicht ein Fluss oder Bach eine kritische Stufe, bekommt Möbus sofort eine Meldung. „In einem solchen Fall würde ich zu den Stellen fahren, wo das Wasser üblicherweise über die Ufer tritt“, sagt der Kreisbrandrat. Damit ist noch kein Feuerwehreinsatz verbunden.
Sollte sich herausstellen, dass noch einiges an weiteren Wassermassen zu erwarten ist, würde die Kreiseinsatzzentrale bei der Feuerwehr Mindelheim besetzt werden. Das ist ein Stab von fünf, sechs Leuten. Die Feuerwehr im Unterallgäu kann dabei auf ein besonderes Wissen zugreifen. Kreisbrandmeister Schneider ist nebenbei Wetterkundler und kann die lokalen Wetterereignisse besonders genau einschätzen.
Sobald sich ein Feuerwehreinsatz abzeichnet, sagt Möbus, wird die FÜGK des Landratsamtes hinzugezogen, das ist die Führungsgruppe Katastrophenschutz. Dieser örtliche Einsatzleiter ist eine Führungskraft bei der Feuer- wehr. „Das sind die drei Kreisbrandinspektoren und ich“, sagt Möbus. Auch der Landrat oder ein Vertreter sowie Leiterinnen und Leiter aus dem Landratsamt werden hinzugezogen. Hier werden die Einsätze dann koordiniert. Innerhalb einer Stunde sei dieser Stab einsatzfähig, der dann allen Hilfskräften – mit Ausnahme der Polizei – weisungsbefugt ist.
Gewarnt wird die Bevölkerung auf unterschiedlichen Wegen. In Bayern greifen die Behörden vor allem auf Rundfunk, Sirenen, Lautsprecherfahrzeuge und Warn-Apps zurück. Vom Einsatz von Sirenen ist Möbus derzeit nicht hundertprozentig überzeugt. In den 80er Jahren gab es noch regelmäßig Zivilschutzübungen. „Da war der Bevölkerung im Gedächtnis, welches Signal welche Warnung bedeutet.“
Heute sei das anders. Man müsste also nicht nur Sirenen ertüchtigen, sondern auch die Menschen aufklären. Ist über eine Minute ein aufund abschwellender Heulton zu hören, sollen sich die Menschen über das Fernsehen oder Radio informieHans-Peter ren. Dann bestehen schwerwiegende Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Grundsätzlich wird die Bevölkerung vor Naturgefahren, wie beispielsweise Hochwasser, Überschwemmungen, Lawinengefahr, Erdbeben oder Sonnenstürme gewarnt. Andere Gefahren sind zum Beispiel gefährliche Wetterlagen, Feuer, Unfälle in Chemiebetrieben, Radioaktivität oder Stromausfall.
Der Landrat kann auch einen Katastrophenfall ausrufen. Dann ist auch die Polizei unterstellt. Vieles lasse sich dann unbürokratisch lösen. Bei einem Bombenfund zum Beispiel kann so sehr schnell angeordnet werden, dass Menschen ihre Häuser verlassen müssen. In einem Katastrophenfall ist es auch möglich, leichter an Hilfsgelder zu kommen. Der Bund unterhält dazu einen eigenen Katastrophenfonds.
Damit im Ernstfall auch alles funktioniert, werden solche Einsätze immer wieder mit Hilfsorganisationen wie Rotem Kreuz, Feuerwehr, THW und den Behörden wie Landratsamt und Polizei geübt.
Eine Lehre aus der Hochwasserkatastrophe aus Westdeutschland steht für Möbus bereits fest: „Wir werden uns im Katastrophenschutz besser aufstellen müssen.“Als Beispiel nennt er Versorgungslastwagen zur Stromerzeugung. Diese würden benötigt, wenn der Strom ausfällt. Er wird sich selbst sehr genau ansehen, warum im Ahrtal so viele Menschen ums Leben gekommen sind und welche Schlüsse man daraus ziehen müsse. Ob zu spät gewarnt wurde, vermag er nicht zu beurteilen. Und auch nicht, ob die Menschen die Warnungen nicht ernst genug genommen haben.