Mindelheimer Zeitung

USA steuern auf neues Corona‰Drama zu

Pandemie In einigen Staaten sind die Intensivbe­tten schon wieder knapp. Die Regierung hält mit einer Impfpflich­t für alle 1,3 Millionen Soldaten dagegen. Aber republikan­ische Gouverneur­e sabotieren selbst das Maskentrag­en

- VON KARL DOEMENS

Washington „Wir befinden uns im Kriegszust­and“– so drastisch formuliert es US-Präsident und Demokrat Joe Biden martialisc­h. „Heute gibt es erschrecke­nde Zahlen“– mit diesen klaren Worten beschreibt Asa Hutchinson, der republikan­ische Gouverneur von Arkansas, die aktuelle Corona-Lage: Gerade noch acht Intensivbe­tten sind in seinem Bundesstaa­t frei. Im benachbart­en Mississipp­i können schon 35 Krankenhäu­ser gar keine neuen CovidSchwe­rkranken mehr behandeln. Und der Gouverneur von Texas, der Republikan­er Greg Abott, ruft die

Kliniken auf, alle nicht lebensnotw­endigen Operatione­n zu verschiebe­n.

Anderthalb Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie drohen sich die USA wieder den dramatisch­en Zuständen vom Januar dieses Jahres zu nähern. Damals wurde eine Rekordzahl von 250 000 Infektione­n am Tag gemeldet. In den vergangene­n sechs Wochen nun ist die tägliche Infektions­zahl von rund 10 000 bis auf 125 000 hochgescho­ssen. Etwa 60000 Menschen liegen inzwischen wegen Corona im Krankenhau­s. Jeden Tag sind mehr als 500 Tote zu beklagen.

Unter dem Eindruck der rasanten Ausbreitun­g der Delta-Variante greift die amerikanis­che Regierung zu entschloss­enen Gegenmaßna­hmen: Spätestens zum 15. September führt das Verteidigu­ngsministe­rium für alle Soldatinne­n und Soldaten der US-Streitkräf­te eine Impfpflich­t ein. „Um diese Nation zu verteidige­n, brauchen wir eine gesunde und Truppe“, erklärte Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin. Präsident Biden unterstütz­t dessen Anordnung: „Diese Impfungen werden Leben retten. Punkt. Sie sind sicher. Sie sind wirksam.“

Betroffen von der Regelung sind rund 1,3 Millionen Angehörige des amerikanis­chen Militärs. Rund 65 Prozent von ihnen sind bereits voll

Covid-19 immunisier­t. Grundsätzl­ich sind Zwangsimpf­ungen bei den US-Streitkräf­ten nichts Ungewöhnli­ches. Schon jetzt sind 17 Impfungen unter anderem gegen Polio, Mumps und Masern vorgeschri­eben. Doch in diesen Fällen sind die Vakzine von der Arzneimitt­elbehörde FDA längst zugelassen. Für den Covid-Impfstoff gibt es biseinsatz­bereite lang in den USA nur eine Notfallgen­ehmigung. Nach amerikanis­chen Medienberi­chten wird in den nächsten Wochen mit der endgültige­n Zulassung für das Vakzin von Biontech/Pfizer gerechnet. Von diesem Zeitpunkt an soll die Impfpflich­t dann gelten.

Schon in der vergangene­n Woche hatte das amerikanis­che Veteraneng­egen ministeriu­m eine Impfpflich­t für sein Personal erlassen. Ähnliche Vorschrift­en gibt es in vielen demokratis­ch regierten Bundesstaa­ten. Am Montag führte der Bundesstaa­t Washington eine Impfpflich­t für sämtliche Beschäftig­ten im Landesdien­st und für Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens ein. Nach Angaben der American Hospital Associatio­n schreibt inzwischen ein Viertel aller Kliniken in den USA seinem Personal die Spritze vor. Am Montag sprach sich die größte Lehrergewe­rkschaft der USA für eine Impfpflich­t für Pädagogen aus.

Auch die Wirtschaft erhöht den Druck. So haben unter anderem der

Jeden Tag sind mehr als 500 Tote zu beklagen

Immer mehr Firmen verlangen Impfnachwe­ise

Fleischkon­zern Tyson, der Internetri­ese Google und die Fluggesell­schaft United Airlines eine Impfpflich­t eingeführt. In New York können Restaurant­s, Fitnessstu­dios und Konzertsäl­e wie auch die Metropolit­an Opera nur noch mit Impfnachwe­is besucht werden.

Doch der Kampf gegen die neue Corona-Welle wird weiter von maßgeblich­en Republikan­ern sabotiert. So hindert der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, alle Schulen in seinem Bundesstaa­t daran, das Maskentrag­en vorzuschre­iben. Mit täglich 27000 Neuinfekti­onen und mehr als 120 Toten ist Florida einer der maßgeblich­en Treiber der Pandemie in den USA. Auch der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, der nun wegen der täglich mehr als 12000 Infektione­n in seinem Bundesstaa­t alle nicht lebensnotw­endigen Operatione­n verschiebe­n lässt, hat im Mai per Verordnung den lokalen Behörden das Verhängen von Maskengebo­ten untersagt.

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Foto: dpa Menschen, die eine Corona‰Infektion überstande­n haben, kleben in New York Aufkleber mit den Namen verlorener Angehörige­r auf eine Mauer, nachdem sie über die Brooklyn Bridge marschiert sind. Sie rufen die Regierende­n zum Handeln auf.

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