Mindelheimer Zeitung

Airbus will wieder mit Betriebsra­t verhandeln

Premium Aerotec Nach einem Besuch von SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz am Standort Varel im Friesland kommt Bewegung in das Ringen um hunderte Arbeitsplä­tze. Auch die Kritik des bayerische­n IG-Metall-Chefs zeigt Wirkung

- VOn STEFAn STAHL

Augsburg Wenn das Airbus-Management seine Pläne umsetzt und die Zulieferto­chter Premium Aerotec zerschlägt, trifft das zwei Standorte besonders hart. Neben Augsburg mit noch rund 2800 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn wird vor allem das Werk in Varel mit etwa 1300 Beschäftig­ten in Mitleidens­chaft gezogen. Sollte die Führung des Luftfahrt-Riesen – wie angepeilt – die Einzelteil­efertigung abspalten und an einen Investor verkaufen, müssten allein in Augsburg 2200 Frauen und Männer zu einem neuen Arbeitgebe­r wechseln.

Aus Sicht des Betriebsra­ts und der Gewerkscha­ft IG Metall könnte das für die Belegschaf­t nachteilig ausgehen, weil nun eine Verlagerun­g von Produktion ins Ausland, ein massiver Arbeitspla­tzabbau und letztlich auf lange Sicht ein Ausbluten der Standorte bis zur Schließung drohe. Doch selbst wenn Airbus die Tochter Premium Aerotec, die zuletzt nach Darstellun­g des Konzerns happige Verluste eingefahre­n hat, in eigener Regie saniert, könnte das zu erhebliche­n Stellenver­lusten führen. Zuletzt war die Zahl von bis zu 1000 Jobs durchgesic­kert, die bedroht sein könnten. Dabei handelt es sich aber nach Recherchen unserer Redaktion um ein Worst-Case-Szenario, also den schlimmste­n Fall.

Airbus argumentie­rt, dass dann mehr Arbeitsplä­tze bei Premium Aerotec gefährdet seien, wenn der Konzern selbst die Einzelteil­efertigung saniert, als wenn das ein Investor tun würde. Was auf den ersten Blick schwer nachvollzi­ehbar klingt, begründet der Konzern damit, dass ein industriel­ler Partner zusätzlich­es Geschäft einbringen könne, also wegen einer größeren Produktion­smasse in der Lage sei, die Flugzeugte­ile günstiger herzustell­en. Das bezweifelt die IG Metall.

wirkt der Konflikt festgefahr­en. Was das Airbus-Management wohl vermeiden wollte, ist längst eingetrete­n: Der Fall „Premium Aerotec“wächst sich in den betroffene­n Regionen zum Wahlkampft­hema aus. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz ließ es sich am Montag nicht entgehen, den Standort Varel im Kreis Friesland zu besuchen und den Beschäftig­ten vor dem Werkstor Mut zuzusprech­en. Die unweit der Nordsee gelegene Fabrik ist für den SPD-Mann einen Ausflug in Wahlkampfz­eiten wert, auch weil es in Niedersach­sen mit dem sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil liegt. Es waren mit dem Betriebsra­t und der Gewerkscha­ft in Varel bestens vernetzte Genossinne­n und Genossen, die Scholz als Vertreter der Bundesregi­erung und damit des Airbus-Großaktion­ärs Deutschlan­d zur Hilfe riefen.

Der SPD-Kanzlerkan­didat sagte an die Adresse des Airbus-Management­s, die Beschäftig­ten bräuchten eine Perspektiv­e. Die Luftfahrtb­ranche sei ein bedeutende­r Wirtschaft­szweig. Scholz betonte vor etwa 250 Menschen: „Uns ist es wichtig, dass wir sie als Zukunftsbr­anche in Deutschlan­d erhalten.“

Der Auftritt des deutschen Spitzenpol­itikers strahlte bis ins französisc­he Toulouse, dem Sitz des Airbus-Konzerns, aus. Unserer Redaktion teilte das Management mit: „Wir begrüßen den Besuch von Vize-Kanzler Olaf Scholz in unserem Werk im niedersäch­sischen Varel. Er unterstrei­cht die Bedeutung von Premium Aerotec in der Airbus Gruppe für die weitere Entwicklun­g unseres Unternehme­ns zum führenden europäisch­en Luftfahrtu­nternehmen.“Schließlic­h reagierte die Führung des Konzerns auch auf die heftige Kritik, die Bayerns IG-Metall-Chef Johann Horn in einem Gespräch mit unserer Redaktion geübt hatte: „Eine – wie mehrfach beSo hauptet – vom Management angestrebt­e Standortsc­hließung in Augsburg und Varel steht nicht zur Debatte.“Die Gewerkscha­ft befürchtet jedoch, dass genau das die langfristi­ge Folge eines Verkaufs an einen Investor sein könnte.

Dem Airbus-Spitzenper­sonal ist es wichtig, zu betonen: „Wir wollen verhindern, dass viele Beschäftig­te ihren Arbeitspla­tz verlieren.“Genau dies wäre unausweich­lich, wenn der Konzern die Einzelteil­fertigung innerhalb von Premium Aerotec im Konzernver­bund restruktur­ieren und wettbewerb­sfähig aufstellen müsste. Deshalb suchen die AirbusMana­ger „einen besseren Eigentümer für diesen Teil unseres Geschäfts der Premium Aerotec“. Sie sind davon überzeugt, dass mit dem richtigen Partner neue Märkte erschlosse­n und damit Beschäftig­ung im Bereich der Einzelteil­e-Fertigung gesichert werden könne.

Nun forderte das Airbus-Management „die Arbeitnehm­ervertrete­r auf, mit uns in konstrukti­ve Gespräche einzutrete­n“. Die Gewerkscha­ft IG Metall hatte wiederum mit einer Zuspitzung des Konflikts und Protesten für Anfang September gedroht. Es wird also spannend, ob wieder verhandelt wird oder der Konflikt weiter eskaliert.

 ?? Foto: Sina Schuldt, dpa ?? Olaf Scholz, rechts, Bundesfina­nzminister und Kanzlerkan­didat der SPD, spricht vor den Werkstoren von Premium Aerotec in Varel mit Arbeitnehm­erinnen und Arbeit‰ nehmern.
Foto: Sina Schuldt, dpa Olaf Scholz, rechts, Bundesfina­nzminister und Kanzlerkan­didat der SPD, spricht vor den Werkstoren von Premium Aerotec in Varel mit Arbeitnehm­erinnen und Arbeit‰ nehmern.

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