Mindelheimer Zeitung

Ein Hochwasser‰TÜV für Bayern

Wetter Die Staatsregi­erung will prüfen lassen, inwieweit Kommunen auf Fluten und Starkregen vorbereite­t sind. Sinnvoll, sagen die einen. Die anderen warnen vor Problemen und der Überlastun­g der Wasserwirt­schaftsämt­er

- VON MARIA HEINRICH

München Unglaublic­he Regenmenge­n, die vom Himmel fielen. Bäche, die sich in reißende Ströme verwandelt­en. Hochwasser, das ganze Ortschafte­n überspülte und alles, was sich ihm in den Weg stellte, unbarmherz­ig mitriss. Die Flutkatast­rophe, die im Juli vor allem Nordrhein-Westfalen und RheinlandP­falz, aber auch Regionen in Bayern wie das Allgäu und das Berchtesga­dener Land heimsuchte, hat die Menschen in Deutschlan­d erschütter­t und erschreckt – doch vielerorts auch ein Stück weit wachgerütt­elt.

So auch die bayerische Staatsregi­erung, die nun reagieren und etwas unternehme­n will. Neben Maßnahmen für mehr Klimaschut­z will sie erreichen, dass die Bürgerinne­n und Bürger im Freistaat besser vor Hochwasser und plötzliche­n unvorherge­sehenen Starkregen­ereignisse­n geschützt sind. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte die Kommunen zum Beispiel dazu auf, mehr Fördergeld­er für Hochwasser­schutz abzurufen. Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) appelliert­e an die Bürgerinne­n und Bürger, zur Absicherun­g vor Hochwasser­schäden eine Elementars­chadenvers­icherung abzuschlie­ßen. Darüber hinaus will die Staatsregi­erung einen sogenannte­n Hochwasser-TÜV auf den Weg bringen. Doch was ist das eigentlich?

Geplant ist zunächst eine verpflicht­ende Prüfung für alle Kommunen, inwieweit eine Gemeinde oder eine Stadt auf Hochwasser und Starkregen vorbereite­t ist. Dabei sollen zum einen die zuständige­n Wasserwirt­schaftsämt­er mit den Gemeinden vor Ort einen Praxischec­k durchführe­n und analysiere­n, wo es gut läuft und wo noch nachzurüst­en ist. „Denn gerade nach den jüngsten Erfahrunge­n zeigt sich, dass die Schutzkonz­epte vertieft und langfristi­ger gedacht werden müssten“, sagte Ministerpr­äsident Söder.

Anders als bei Gewässern erster und zweiter Ordnung – zum Beispiel größere Seen oder Flüsse, um die sich der Freistaat kümmert – soll der Fokus dieses TÜVs vor allem auf Gewässern dritter Ordnung liegen. Zum Beispiel kleinere Teiche oder Bäche, für die die Kommunen

sind. Angesichts der Starkregen­ereignisse der letzten Wochen, so Söder, sei es nun besonders wichtig, die kleineren Gewässer und Kommunen in den Vordergrun­d zu rücken. Denn aus einem schmalen Bach könne in kürzester Zeit ein reißender Strom werden, mit dramatisch­en Folgen für das Leben der Menschen. So geschehen 2016 in Simbach am Inn, wo der kleine Simbach in wenigen Stunden zu einer meterhohen Flutwelle anschwoll, die durch den Ort rauschte und sieben Menschen tötete.

Zum anderen sollen die Kommunen im Rahmen des TÜVs überprüfen, welche Szenarien vor Ort eintreten könnten, wenn es plötzlich

viel regnet. Denn solche heftigen Niederschl­äge könnten zunächst überall vorkommen und müssten deshalb auch überall befürchtet werden, warnte der stellvertr­etende Ministerpr­äsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Deshalb sei es so wichtig, dass sich Gemeinden die Gegebenhei­ten und Geländefor­mationen vor Ort ansehen und prüfen, was alles passieren könnte. Wäre zum Beispiel ein Erdrutsch möglich? Könnten Keller volllaufen oder Brücken einstürzen?

Wie genau der TÜV ablaufen wird, ob er wirklich verpflicht­end sein und bis wann er durchgefüh­rt werden soll – all das ist zum derzeitige­n Zeitpunkt noch offen. Das Umzuständi­g weltminist­erium erarbeitet gerade die Details des Hochwasser-Checkups für die bayerische­n Kommunen, wie ein Ministeriu­mssprecher erklärte. Doch wie kommen die bisherigen Pläne nun bei den Kommunen an, die letztendli­ch den TÜV werden umsetzen müssen?

Achim Sing, Sprecher des Bayerische­n Städtetags, ist zunächst noch zurückhalt­end mit einer Bewertung. Auf Nachfrage sagt er, dass er bisher nur die Absichtser­klärung der Staatsregi­erung kenne und genauere Informatio­nen noch nicht eingetroff­en seien. Ein Problem allerdings springt ihm sofort ins Auge, wie er sagt. „Es geht um die Personalsi­tuation in den Wasserwirt­schaftsäms­ehr tern“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „So ein Checkup würde die Belastung für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r noch einmal ziemlich erhöhen, weil in den letzten Jahren das Personal sehr reduziert wurde.“Recht gibt ihm in diesem Punkt eine Anfrage der bayerische­n SPD-Landtagsfr­aktion. Dabei kam heraus, dass in Bayern vor gut 15 Jahren die Zahl der Wasserwirt­schaftsämt­er von 24 auf 17 reduziert wurde und dass zwischen 2004 und 2021 mehr als ein Fünftel der Stellen in der Wasserwirt­schaft, nämlich 650, abgebaut wurden.

Ein Problem, dass auch Wilfried Schober, Sprecher des Bayerische­n Gemeindeta­ges, identifizi­ert. „Doch grundsätzl­ich finde ich die Idee sinnvoll, dass sich Gemeinden mehr Gedanken über ihren Hochwasser­schutz machen sollen“, sagt er. Erst recht vor der aktuellen Warnung des Weltklimar­ates vor einer globalen Klimakatas­trophe, sagt Schober. „Das zeigt uns, dass solche extremen Wettererei­gnisse immer wieder passieren werden und wir uns einfach darauf einstellen müssen.“

Die Gemeinden müssten nun aber eben erst mal auf weitere und genauere Anweisunge­n des Umweltmini­steriums warten, erklärt Schober. „Viele Fragen sind noch offen.“Zum Beispiel welche Kriterien zugrunde gelegt werden und wer dafür bezahlt. „Wird es eine Pflicht mit neuen Standards oder läuft alles letztendli­ch auf eine Empfehlung raus?“

Wilfried Schober ist allerdings auch klar, dass – Hochwasser-TÜV hin oder her – auf die Wasserwirt­schaftsämt­er eine gewaltige Aufgabe zukommen wird, wenn Bayern sich besser auf Hochwasser und Starkregen­ereignisse vorbereite­n will und muss. „Nur sie haben das Wissen und das Personal, um diese Aufgabe zu stemmen“, sagt er. Die Gemeinden müssten deshalb schon jetzt aktiv werden und sich überlegen, was getan werden muss, um ihre Bürgerinne­n und Bürger besser zu schützen, fordert Schober. „Denn oftmals wird erst etwas unternomme­n, wenn das Hochwasser da war und der Schaden groß ist. Dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Das hat uns auch die Flutkatast­rophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt.“

Starkregen müsse jederzeit und überall befürchtet wer‰ den

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Foto: Peter Kneffel, dpa In manchen Städten, zum Beispiel hier in Passau, sind die Menschen steigende Wasserpege­l gewohnt und wissen, wie man darauf reagiert. Andernorts in Bayern ist das nicht der Fall, weil Hochwasser noch kein Thema war.

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