„Die hässlichste Fratze eines Vermögensdelikts“
Kriminalität Die Münchner Polizei kommt einer Betrügerbande auf die Schliche. Ihre Masche ist bekannt – und oft erfolgreich
München/Augsburg Die Polizei, dein Freund und Helfer: Bei den in der Bevölkerung am meisten angesehenen Berufen sind Polizistinnen und Polizisten immer wieder unter einstelligen Plätzen. Doch diese Wertschätzung wird leichtgläubigen Menschen zum Verhängnis: Seit Jahren versuchen Betrügerinnen und Betrüger mit dreisten Methoden, meist ältere Menschen um ihr Vermögen zu bringen. Sie geben sich als Polizei aus und geben vor, Geld in Sicherheit bringen zu wollen.
Doch die echte Polizei ist den Banden auf der Spur. So gab es im Dezember 2020 eine große länderübergreifende Aktion. Mit der Hilfe türkischer Behörden verhafteten deutsche Ermittlerinnen und Ermittler in und um Izmir 31 Tatverdächtige und beschlagnahmten über 100 Millionen Euro Vermögen. Allein die Kriminalpolizei Augsburg ordnete dieser Gruppe 15 Taten mit einem Schaden von 750 000 Euro zu.
Nun ist der Münchner Polizei zusammen mit der Staatsanwaltschaft ein weiterer Ermittlungserfolg gelungen. Man habe „fünf Leute aus dem Verkehr ziehen können, die unsere Opfer beschissen und betrogen haben“, sagt Hans-Peter Chloupek von der Münchner Polizei am Dienstag zufrieden. Vier Frauen und ein Mann im Alter von 17 bis 58 Jahren sitzen in Untersuchungshaft. Neun Fälle mit einem Schaden von rund 90000 Euro habe man damit aufgeklärt, zudem gebe es Hinweise auf weitere Fälle, so Chloupek.
Zwar seien die Abholerinnen und Abholer in der Hierarchie der Banden eher am unteren Rand angesiedelt, doch ohne sie gehe es nicht, sagt Oberstaatsanwalt Kai Gräber. Was sie gemacht hätten, sei „die hässlichste Fratze eines Vermögensdelikts“. Denn neben dem finanziellen Verlust – manchmal ist die komplette Altersvorsorge weg – erleiden die Opfer auch seelische und psychische Schäden, sagt Gräber. Sie schämen sich und zweifeln an ihren
Fähigkeiten – teilweise gehe das so weit, dass Opfer suizidgefährdet seien, so der Oberstaatsanwalt.
Beim Callcenterbetrug agieren die Banden oft aus der Türkei. Die gut organisierten Gruppierungen passen ihre Verhaltensweisen den gegen sie gerichteten polizeilichen Maßnahmen an. Die Täter nutzen länderübergreifende Strukturen. Bei den Strippenziehern sei praktisch kein Unrechtsbewusstsein vorhanden, sagt Chloupek, der bei der
Münchner Polizei die AG Phänomene, also die Ermittlungseinheit gegen den Telefonbetrug, leitet.
Die Worte, die Oberstaatsanwalt Gräber an die in Deutschland agierenden Täterinnen und Täter – meist sind es schlecht bezahlte Helfende – richtet, klingen wie eine Drohung: „Wenn wir euch erwischen, dann werdet ihr die ganze Härte der Strafjustiz spüren.“Möglich sind dem Oberstaatsanwalt zufolge bei wiederholten Taten bis zu 15 Jahre Haft.
Das bayerische Landeskriminalamt hat vergangenes Jahr rund 17 000 Anzeigen gezählt, in gut 1000 Fällen machten die Betrüger Beute. Doch es geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Polizei macht mobil und spricht Risikogruppen gezielt an, um vor den Betrugsmaschen zu warnen.
2020 haben die beiden Präsidien in Bayerisch-Schwaben 23 vollendete Betrugsfälle mit einem Vermögensschaden in Höhe von insgesamt etwas über einer Million Euro verzeichnet. In 2600 bekannten Fällen sind die Betrüger gescheitert, weil die Angerufenen die Masche rechtzeitig durchschauten und auflegten.
Holger Stabik, Pressesprecher des Präsidiums Schwaben SüdWest, sagt, er könne keine verlässliche Aussage treffen, wie hoch die Erfolgsquote bei den Ermittlungen sei, da die Banden bundesweit agieren und die Präsidien die Fälle untereinander abgeben.
In Kempten fährt die Polizei eine neue Strategie zur Vorbeugung von Telefonbetrug. In Zusammenarbeit mit Taxiunternehmen, Banken und Pflegediensten ist ein Frühwarnsystem eingerichtet. Wenn es bekannte Fälle von falschen Polizistinnen und Polizisten in der Region gibt, versendet das System eine Nachricht mit dem Hinweis, dass man vermehrt nach möglichen Opfern Ausschau halten soll. Etwa nach Seniorinnen und Senioren, die sich unnatürlich verhalten – etwa mehrfach zur Bank fahren.