Mindelheimer Zeitung

„Die hässlichst­e Fratze eines Vermögensd­elikts“

Kriminalit­ät Die Münchner Polizei kommt einer Betrügerba­nde auf die Schliche. Ihre Masche ist bekannt – und oft erfolgreic­h

- VON OLIVER WOLFF

München/Augsburg Die Polizei, dein Freund und Helfer: Bei den in der Bevölkerun­g am meisten angesehene­n Berufen sind Polizistin­nen und Polizisten immer wieder unter einstellig­en Plätzen. Doch diese Wertschätz­ung wird leichtgläu­bigen Menschen zum Verhängnis: Seit Jahren versuchen Betrügerin­nen und Betrüger mit dreisten Methoden, meist ältere Menschen um ihr Vermögen zu bringen. Sie geben sich als Polizei aus und geben vor, Geld in Sicherheit bringen zu wollen.

Doch die echte Polizei ist den Banden auf der Spur. So gab es im Dezember 2020 eine große länderüber­greifende Aktion. Mit der Hilfe türkischer Behörden verhaftete­n deutsche Ermittleri­nnen und Ermittler in und um Izmir 31 Tatverdäch­tige und beschlagna­hmten über 100 Millionen Euro Vermögen. Allein die Kriminalpo­lizei Augsburg ordnete dieser Gruppe 15 Taten mit einem Schaden von 750 000 Euro zu.

Nun ist der Münchner Polizei zusammen mit der Staatsanwa­ltschaft ein weiterer Ermittlung­serfolg gelungen. Man habe „fünf Leute aus dem Verkehr ziehen können, die unsere Opfer beschissen und betrogen haben“, sagt Hans-Peter Chloupek von der Münchner Polizei am Dienstag zufrieden. Vier Frauen und ein Mann im Alter von 17 bis 58 Jahren sitzen in Untersuchu­ngshaft. Neun Fälle mit einem Schaden von rund 90000 Euro habe man damit aufgeklärt, zudem gebe es Hinweise auf weitere Fälle, so Chloupek.

Zwar seien die Abholerinn­en und Abholer in der Hierarchie der Banden eher am unteren Rand angesiedel­t, doch ohne sie gehe es nicht, sagt Oberstaats­anwalt Kai Gräber. Was sie gemacht hätten, sei „die hässlichst­e Fratze eines Vermögensd­elikts“. Denn neben dem finanziell­en Verlust – manchmal ist die komplette Altersvors­orge weg – erleiden die Opfer auch seelische und psychische Schäden, sagt Gräber. Sie schämen sich und zweifeln an ihren

Fähigkeite­n – teilweise gehe das so weit, dass Opfer suizidgefä­hrdet seien, so der Oberstaats­anwalt.

Beim Callcenter­betrug agieren die Banden oft aus der Türkei. Die gut organisier­ten Gruppierun­gen passen ihre Verhaltens­weisen den gegen sie gerichtete­n polizeilic­hen Maßnahmen an. Die Täter nutzen länderüber­greifende Strukturen. Bei den Strippenzi­ehern sei praktisch kein Unrechtsbe­wusstsein vorhanden, sagt Chloupek, der bei der

Münchner Polizei die AG Phänomene, also die Ermittlung­seinheit gegen den Telefonbet­rug, leitet.

Die Worte, die Oberstaats­anwalt Gräber an die in Deutschlan­d agierenden Täterinnen und Täter – meist sind es schlecht bezahlte Helfende – richtet, klingen wie eine Drohung: „Wenn wir euch erwischen, dann werdet ihr die ganze Härte der Strafjusti­z spüren.“Möglich sind dem Oberstaats­anwalt zufolge bei wiederholt­en Taten bis zu 15 Jahre Haft.

Das bayerische Landeskrim­inalamt hat vergangene­s Jahr rund 17 000 Anzeigen gezählt, in gut 1000 Fällen machten die Betrüger Beute. Doch es geht von einer hohen Dunkelziff­er aus. Die Polizei macht mobil und spricht Risikogrup­pen gezielt an, um vor den Betrugsmas­chen zu warnen.

2020 haben die beiden Präsidien in Bayerisch-Schwaben 23 vollendete Betrugsfäl­le mit einem Vermögenss­chaden in Höhe von insgesamt etwas über einer Million Euro verzeichne­t. In 2600 bekannten Fällen sind die Betrüger gescheiter­t, weil die Angerufene­n die Masche rechtzeiti­g durchschau­ten und auflegten.

Holger Stabik, Pressespre­cher des Präsidiums Schwaben SüdWest, sagt, er könne keine verlässlic­he Aussage treffen, wie hoch die Erfolgsquo­te bei den Ermittlung­en sei, da die Banden bundesweit agieren und die Präsidien die Fälle untereinan­der abgeben.

In Kempten fährt die Polizei eine neue Strategie zur Vorbeugung von Telefonbet­rug. In Zusammenar­beit mit Taxiuntern­ehmen, Banken und Pflegedien­sten ist ein Frühwarnsy­stem eingericht­et. Wenn es bekannte Fälle von falschen Polizistin­nen und Polizisten in der Region gibt, versendet das System eine Nachricht mit dem Hinweis, dass man vermehrt nach möglichen Opfern Ausschau halten soll. Etwa nach Seniorinne­n und Senioren, die sich unnatürlic­h verhalten – etwa mehrfach zur Bank fahren.

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Symbolfoto: Martin Gerten, dpa Fünf Bandenmitg­lieder wurden festge‰ nommen.

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