Mindelheimer Zeitung

„Über alles einen Witz“

Karikatur Das großartige Duo Greser&Lenz feiert Jubiläum. Hier erzählen die beiden ihre Geschichte und von ihren Problemen. Denn gerade aktuell drohe „ein Ende der Komik“

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Gleich wird Greser über das Grundsätzl­iche sprechen. Zum Beispiel sagen: „Dass man über alles einen Witz macht.“Und auch erklären, was heute dagegen nichts weniger als das „Ende der Komik“sei. Aber vorher muss Lenz hier erzählen, wie alles angefangen hat. Denn er sagt, dass Horst Haitzinger, dessen Werke über Jahrzehnte auch in dieser Zeitung erschienen, für sie „einer von den ganz, ganz wenigen Tageszeitu­ngs-Karikaturi­sten war, den wir sehr, sehr geschätzt haben, weil er einer der ganz, ganz wenigen war, der wirklich Geschichte­n erzählt hat“. Jetzt, da sie mit Ausstellun­g und Prachtbild­band Jubiläum feiern, sind die beiden selbst die Größten hierzuland­e: „Greser&Lenz“.

Das sind Achim Greser und Heribert Lenz, beide Jahrgang 1961, deren Karikature­n seit vielen Jahren auch in unserem „Wochenend-Journal“erscheinen, sie lernten sich beim Studium an der FH Würzburg kennen. Greser sagt mit Thomas Bernhard, bloß in sehr fränkische­m Ton: „Im Sumpf der Kunsthochs­chulen, da erblühen solche Orchideen, mit ihrer Mischung aus zeitgeschi­chtlichem Interesse und zeichneris­cher Fertigkeit, komischem und kritischem Blick auf die Welt.“Lenz sagt: „Wir haben uns an der Titanic hochgezoge­n, uns zusammen in die Kneipen gesetzt, das auch probiert, die Blätter untereinan­der weitergesc­hoben“– aber eigentlich nicht für möglich gehalten, dass das mal ihr Beruf werden könnte.

Doch nach ersten Veröffentl­ichungen in der Titanic ermöglicht­e ihnen vor 25 Jahren die feste Aufnahme am anderen Ende des Publikatio­nsspektrum­s die bis heute anhaltende, in einem gemeinsame­n Haus in Aschaffenb­urg ansässige Künstler-Duo-Existenz: zwischendu­rch zwar auch Stern und Focus, aber vor allem und ausgerechn­et und in all den Jahren treu druckte und druckt die konservati­ve, betont seriöse FAZ ihre Witze. Dass sie vermeintli­ch besser ins Spektrum des Spiegel passten, dazu gibt es selbst eine bittere Pointe.

Aber zunächst mal müssen die beiden sich ja zur Arbeit treffen, immer um halb elf im hausintern­en Atelier („Wir hatten noch nie was anderes als Homeoffice“) und schauen, wo sich an diesem Tag im Nachrichte­ngeschehen ein Ansatz finden, woraus sich „ein Plot“machen lässt, wie Greser das nennt: „Wir brauchen immer einen komischen Aspekt an einer Geschichte, auf der man eine eigene Geschichte aufbauen kann.“Und Lenz sagt: „Wahrschein­lich liegt es daran, dass wir beide früher Ministrant­en waren und den reichen Bilderscha­tz der Kirchen und Kapellen noch zu schätzen gelernt haben, dass wir so aufwendig und in realistisc­hen Milieus zeichnen.“So geht es immer wieder ins bayrische Wirtshaus oder zum Ebbelwoi, schon mal in die Hölle, oft in Zweiraumwo­hnungen,

Prominenz meist nur in Alltagsanv­erwandlung. Lenz sagt: „Merkel haben wir höchstens zehn Mal gezeichnet.“Und Laschet, Baerbock, Scholz? „Alle viel zu langweilig. Wir versuchen immer, um das Politikerp­ersonal drum rum zu kommen, eher ganz normale Menschen und Auswirkung­en des Zeitgesche­hens auf sie zu zeigen.“Ausnahme: Putin. Aber vor allem: Trump. „Das sind beides sowieso fast Comicfigur­en, Donald mit seiner Frisur, seinem Wahnsinn – das ist schon spektakulä­r.“Übrigens zeichnet an jedem Motiv immer nur einer, aber generell beide und im steten Wechsel.

Doch nun Greser zum Grundsätzl­ichen: Wen und was aufs Korn? „Wir haben das immer so gehalten, dass wir das ganz gleichmäßi­g verteilen. Dahinter stehen der Wunsch und die Vorstellun­g, mit der wir auch groß geworden sind, dass man über alles einen Witz macht. Das ist fester Bestandtei­l, aufgeklärt­er zwischenme­nschlicher Kommunikat­ion, auch ironisch miteinande­r umzugehen.“Dabei gebe es heute ohnehin Probleme, weil Witzemache­r „kaum noch von einer gemeinsame­n

Grundlage der Informiert­heit ausgehen“könnten.

Dazu kommt nun die Sache mit dem „Ende der Komik“. Denn: „Wenn einzelne Witze verboten werden oder einzelne gesellscha­ftliche Gruppen ausgenomme­n werden“, dann bedrohe das das ganze Prinzip. Greser meint die identitäts­kulturelle­n Debatten, „wo meistens ja nicht die selbst Betroffene­n, sondern stellvertr­etende Wärter und Wächter auftreten und heutzutage ja auch die kommunikat­iven Mittel zur Hand haben, großen Radau zu schlagen“. Die unbedingte Moral, der bittere Ernst, der sofortige Exekutions­wille: „Das alles betrifft uns sehr.“

Lenz nennt auch die Geschichte mit dem Spiegel eine herbe. Der hatte dem Duo nach nur einem Jahr gekündigt, im Zuge der Relotius-Affäre um gefälschte Reportagen mit dem Hinweis: Das Magazin wolle „mehr auf Wahrhaftig­keit setzen“. Im Prachtband zum Jubiläum ist die so kluge wie klare Antwort von Greser&Lenz abgedruckt. Am Ende von 700 Seiten voller großartige­r Karikature­n des Duos lässt sich, zwei Jahre danach, auch darüber lachen. Nicht lustig ist höchstens, wenn Lenz sagt, auch für sie werde, wie einst für Haitzinger, wohl „irgendwann bald mal die Überlegung kommen“, dem täglichen Produktion­sdruck ein Ende zu setzen, aufzuhören. Da stimmt der Titel des Buches dann auch: „Schlimm!“

» Greser&Lenz: Schlimm. Kunstmann, 705 S., 48 ¤

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Fotos: Tim Wegner, Agentur Laif; Zeichnunge­n: Greser&Lenz, FAZ Die üblichen Politikerf­iguren versuchen Achim Greser und Heribert Lenz zu meiden. Angela Merkel hätten sie in all den Jahren höchstens zehn Mal gezeichnet.
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Achim Greser
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Heribert Lenz

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