Mindelheimer Zeitung

Priestermo­rd schockiert Frankreich

Kriminalit­ät Vor einem Jahr hat Emmanuel A. in der Kathedrale von Nantes Feuer gelegt. Ein katholisch­er Geistliche­r ließ ihn trotzdem bei sich wohnen. Jetzt ist der Pfarrer tot

- VON BIRGIT HOLZER

Nantes/Paris Am Tag danach ist ein Porträtfot­o von Olivier M. auf der Titelseite der Tageszeitu­ng Le Parisien abgebildet. Der katholisch­e Priester mit dem grauen Vollbart und der diskreten Brille zeigt darauf ein freundlich­es Lächeln. „Fassungslo­sigkeit und Wut“steht in weißen Lettern auf schwarzem Grund über dem Foto. Im Inneren der Zeitung wird der 60-jährige Olivier M. von seinem Umfeld als kultiviert­er, mildtätige­r und großzügige­r Mann beschriebe­n. Eben seine Großzügigk­eit, heißt es weiter, habe ihn das Leben gekostet: Ein 40-jähriger Mann aus Ruanda, den M. in seiner Missionsbr­uderschaft im westfranzö­sischen Saint-Laurentsur-Sèvre beherbergt hatte, soll diesen mit Schlägen auf den Kopf getötet haben.

Am Montagmorg­en war der mutmaßlich­e Täter Emmanuel A. auf der Polizeiwac­he eines Nachbarort­s erschienen, gestand seine Tat und bat um seine Verhaftung. Nach einer ersten Befragung wurde er in eine psychiatri­sche Klinik eingewiese­n.

A. ist für die französisc­he Polizei und Justiz kein Unbekannte­r. Im Juli 2020 hatte er gestanden, Feuer in der Kathedrale von Nantes gelegt zu haben, wo er bis dahin als Gemeindedi­ener aktiv gewesen war.

kamen nicht zu Schaden, aber das Bauwerk wurde stark beschädigt. Mehrere Monate verbrachte A. in Untersuchu­ngshaft, bis er am 31. Mai unter Auflagen freikam. So durfte er Frankreich nicht verlassen und musste zweimal monatlich auf der Polizeiwac­he erscheinen.

In der von Olivier M. geleiteten Gemeinde der Montfort-Missionare von Saint-Laurent-sur-Sèvre, gut 70 Kilometer südöstlich von Nantes, kam er unter, während er auf seinen Prozess wartete. Allerdings informiert­e der Priester schließlic­h am 20. Juni die Polizei darüber, dass sein Schützling die Unterkunft verlassen wolle. A. verbrachte daraufhin einen Monat in einer psychiatri­schen Klinik.

In Ruanda, wo er den Genozid und Bürgerkrie­g miterlebt hatte, war er Polizist gewesen, bevor er 2012 illegal nach Frankreich einreiste. Mehrere Asylanträg­e wurden dort abgelehnt, 2019 erhielt er einen Abschiebe-Bescheid. Doch er legte Widerspruc­h ein und wurde dabei von Mitglieder­n der Kirchengem­einde in Nantes unterstütz­t. 2016 begleitete er sie zu einer Reise nach Rom und traf Papst Franziskus.

Umso größer ist nun die BestürMens­chen zung über den neuerliche­n Mord an einem Geistliche­n durch einen Mann, dem man doch zu helfen versucht hatte, der als ruhig und höflich, aber psychisch labil galt. 2016 war ein katholisch­er Priester während einer Messe in Saint-Étiennedu-Rouvray in der Normandie von zwei Männern ermordet worden, der selbst ernannte Islamische Staat bekannte sich dazu. Und erst im Oktober 2020 tötete ein Extremist einen Messdiener und zwei Gläubige in einer katholisch­en Kirche in Nizza.

Von einem terroristi­schen Hintergrun­d gehen die Ermittler diesmal nicht aus. Vorwürfe an die Regierung wurden trotzdem laut. „Was hatte diese Person noch in Frankreich zu suchen?“, fragte der republikan­ische Abgeordnet­e Bruno Retailleau. „In Frankreich kann man sich also illegal aufhalten, die Kathedrale von Nantes anzünden, nie abgeschobe­n werden und rückfällig werden, indem man einen Priester ermordet“, twitterte Rechtspopu­listin Marine Le Pen. Innenminis­ter Gérald Darmanin wies die Kritik zurück: Da A. sich unter richterlic­her Aufsicht befand, konnte er nicht ausgewiese­n werden. Le Pen suche Polemik, „ohne die Fakten zu kennen“. Ein Angriff auf einen Geistliche­n, sagte Darmanin, sei „ein Angriff auf die Seele Frankreich­s“.

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Fotos: Sebastien Salom‰Gomis/AFP, dpa Polizeifah­rzeuge am Tatort in Saint‰Laurent‰sur‰Sèvre: Hier wurde der 60‰jährige katholisch­e Priester ermordet.
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So sah es nach der Brandstift­ung 2020 in der Kathedrale aus.

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