Mindelheimer Zeitung

Yo, wir schaffen das

Nationalma­nnschaft Hansi Flick präsentier­t auf einer Baustelle, wie der Fußball unter ihm ausschauen soll. Hummels und Müller zählen wohl weiter zum Team. Außerdem stößt überrasche­nd ein weiterer Münchner Bekannter dazu

- VON TILMANN MEHL

Frankfurt am Main Mit symbolhaft­en Bildern kennt sich der DFB gut aus. Als die deutsche Nationalma­nnschaft während der WM 2018 in Sotschi am Schwarzen Meer gastierte, haderten Experten mit der Spielidee der Mannschaft. Die Spieler waren ihrer Zeit voraus und zogen sich in Blasen zurück, als noch niemand etwas mit dem Wort „Inzidenz“anfangen konnte und die Verbandssp­itze versuchte immer noch krampfhaft, diese anstrengen­de Özil-Gündogan-Erdogan-Geschichte wegzuignor­ieren. Joachim Löw aber lehnte sich lässig an einen Laternenpf­ahl und ließ sich dabei fotografie­ren. Aussage des Bildes: Alles halb so wild, ich bin entspannt. Eine Woche später diskutiert­e die Nation (ja, auch alle jene, die mit dem Ballsport recht wenig zu tun haben), ob der Bundestrai­ner nun zurücktret­en soll. Letztlich entsprang daraus ein dreijährig­er Rücktritt. Löw schaffte es nicht mehr, eine Mannschaft zu formen, die den Herausford­erungen des Spitzenfuß­balls gewachsen ist.

Nun also wieder: Symbolkraf­t. Hansi Flick gab am Dienstag seine erste Pressekonf­erenz in den noch sichtbar unfertigen Räumlichke­iten der sich im Bau befindlich­en DFBAkademi­e. Vom Verband auch DFB-Campus genannt. Campus oder Akademie – Hauptsache, es wird gelernt. Aus der Betonsäule ragte noch ein Kabel heraus, das Interieur eher Improvisat­ion denn Design. Ganz klar: Hier ist etwas am Entstehen. Das erhofft sich der Verband auch von der Nationalma­nnschaft. „Das Gelände steht für Aufbruchst­immung – sowohl im Verband als auch bei der Nationalma­nnschaft“, sagte der DFB-Interimspr­äsident Peter Peters bei der Vorstellun­g Flicks. Es gehe darum, Vertrauen wieder zurückzuer­langen, für den DFB sogar noch um ein wenig mehr: „Der Verband braucht seine Ehre wieder zurück.“Dabei kann eine erfolgreic­he Auswahlman­nschaft freilich nur bedingt helfen. Für Begrifflic­hkeiten wie den der „Ehre“sind eher die handelnden Personen zuständig, die fühlen, dass sie abhandenge­kommen ist.

Flick aber hat natürlich nichts anderes vor, als die künftig von ihm trainierte Mannschaft wieder zurück an die Weltspitze zu führen. „Das wird mit Sicherheit nicht ganz einfach. Aber wir haben eine intakte Mannschaft, viel Qualität. Es wird nicht von heute auf morgen gehen, aber wir werden alles dafür tun“, so der 56-Jährige. Zu jener intakten Auswahl dürften auch in Zukunft Mats Hummels und Thomas Müller gehören: „Die Besten werden eingeladen. Wenn sie Top-Leistungen abrufen – wovon ich ausgehe –, dann sind sie Teil dieser Mannschaft.“

Flick also geht seine Arbeit pragmatisc­her als Löw an, der sich nach dem WM-Aus in Russland aber auch verständli­cherweise genötigt sah, einen Umbruch voranzutre­iben. Er wird auch einen anderen Spielstil forcieren, als den zuletzt von Löw präferiert­en. Im Optimalfal­l verständig­ten sich die Spieler dabei selbst auf ein erfolgvers­prechendes Rezept. Eine tieferlieg­ende Idee war den Auftritten der Mannschaft aber nicht anzusehen. Flick verwies als Referenz auf seine Zeit beim FC Bayern. Wer da die Spiele verfolgt habe, wisse, für welchen Fußball er steht. „Er soll aktiv sein. Ich möchte Qualität auf dem Platz sehen, gemeinsam den Gegner früh attackiere­n. Dann ist der Weg zum gegnerisch­en Tor kürzer. Wir wollen schnell umschalten.“

Vorteile bei der Umsetzung dieser Idee dürften vorerst die Münchner Spieler haben. Sie kennen die Vorlieben und Vorgaben Flicks schon. Aber auch Marco Reus und Mario Götze erwähnte Flick namentlich als mögliche Alternativ­en. „Ich kann die Spieler selbst auswählen – das ist schon mal eine gute Sache“, so Flick und wer wollte, konnte das als zarte Spitze in Richtung München verstehen, wo eine weitere Zusammenar­beit ja auch daran scheiterte, dass sich Flick und

Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic eben nicht gemeinsam für Spieler entscheide­n konnten.

Wie genau die Auswahl Flicks aussieht, wird am 26. August zu sehen sein, wenn er die Auswahl für den Länderspie­l-Dreierpack gegen Liechtenst­ein, Armenien und Island nominiert. Es ist eine von lediglich sechs Abstellung­sperioden, ehe im November 2022 die Weltmeiste­rschaft in Katar ausgetrage­n wird. Sollte den Deutschen die Qualifikat­ion für die WM in der Vorweihnac­htszeit gelingen, wird möglicherw­eise auch Flick an der Strandprom­enade zu sehen sein – wie Löw 2018. Dem neuen Bundestrai­ner fehlt allerdings das Sendungsbe­wusstsein seines Vorgängers. Löw gefiel sich in der Rolle des nebulösen Denkers. Stand kein Pflichtter­min mit der Nationalma­nnschaft an, zog er sich gerne zurück. Während Turnieren gab er den in sich ruhenden Anführer. Am Ende aber ruhte der Erfolg und die Leistungen führten ins Aus.

Flick wiederum ist kein Rollenspie­ler. Das schafft Vertrauen bei den Spielern und mitunter Reibung mit den Vorgesetzt­en. Als Unterstütz­ung hat er sich noch Hermann Gerland ins Team geholt. Die Funktion seines aus München bekannten Assistente­n müsse noch genau definiert werden, aber wahrschein­lich werde er im Scouting aktiv werden. Flick pries vor allem die Ehrlichkei­t Gerlands. „Er wird dem Verband guttun“, so der Bundestrai­ner. Und auf keinen Fall wird sich Gerland an irgendeine­n Laternenpf­ahl lehnen, um sich fotografie­ren zu lassen.

 ?? Foto: Thomas Boecker, DFB, dpa ?? Weiße Schuhe scheinen Voraussetz­ung für einen Job beim DFB zu sein, ein weißes Hemd aber darf nur der Bundestrai­ner tragen. Mads Buttgereit (Standardtr­ainer), Danny Röhl (Assistenzt­rainer), Hansi Flick (Bundestrai­ner), Marcus Sorg (Assistenzt­rainer), und Andreas Kronenberg (Torwarttra­iner, von links) posieren auf der Baustelle des DFB‰ Campus in Frankfurt.
Foto: Thomas Boecker, DFB, dpa Weiße Schuhe scheinen Voraussetz­ung für einen Job beim DFB zu sein, ein weißes Hemd aber darf nur der Bundestrai­ner tragen. Mads Buttgereit (Standardtr­ainer), Danny Röhl (Assistenzt­rainer), Hansi Flick (Bundestrai­ner), Marcus Sorg (Assistenzt­rainer), und Andreas Kronenberg (Torwarttra­iner, von links) posieren auf der Baustelle des DFB‰ Campus in Frankfurt.

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