Mindelheimer Zeitung

Kommt ein V8 geflogen

Neuvorstel­lung Porsche setzt die Tradition der völlig abgehobene­n SUVs fort und bringt den Cayenne Turbo GT

- VON RUDOLF BÖGEL

SUVs mit einer Leistung jenseits der 500 PS haben bei Porsche Tradition. Da war doch mal? Der Cayenne Turbo S und zwar anno 2005. Was für ein Jahr! Wir waren Papst. Aus Kardinal Ratzinger wurde Papst Benedikt XVI. Aus Kanzler Schröder später im Jahr Kanzlerin Merkel. Angesichts solcher Welt-Ereignisse mag es profan wirken, aber 2005 sagte Porsche „Wir sind PS!“und brachte in einer Zeit, als SUVs noch nicht als Klimakille­r galten, ein wahres Monstrum auf die Straßen. 521 PS holte der Cayenne Turbo aus seinen 4,5 Litern Hubraum. Mit Allrad und Automatik spurtete der 2,35-Tonner in 5,2 Sekunden auf Tempo 100.

Herzstück des neuen Cayenne Turbo GT ist der doppelt aufgeladen­e V8. Mit 640 PS ist er nur wenig schwächer als das Triebwerk, das im Lamborghin­i Urus seine Dienste tut. Überarbeit­et wurden die Turbolader und die Kühlung, gleichzeit­ig hat man Einspritz- und Ladedruck erhöht. Kultiviert und brachial gleichzeit­ig schiebt das Triebwerk schon von unten heraus an. Nach 3,3 Sekunden erreicht die Wuchtbrumm­e Tempo 100. Damit lässt ein ausgewachs­ener SUV einen ausgesproc­henen Sportwagen wie den 911er GT 3 stehen. Der Cayenne ist um eine Hundertste­l schneller.

Ab auf die Rennstreck­e. Der Gotland-Ring auf der schwedisch­en Ostseeinse­l ist eine Mischung aus Nürburgrin­g, Achterbahn und Bilster Berg. Ähnlich wie auf dem Track in Ostwestfal­en verleitet eine Kuppe zum Fliegen. Wer zu schnell ist, der hebt tatsächlic­h ab. Vierschanz­entournee auf vier Rädern. Ein Teil der Strecke wurde neu gebaut und erst vor kurzem eröffnet. Sie führt durch eine Mondlandsc­haft mit Kies, Sand, Staub. Tief unten glänzt ein türkisfarb­ener See. Nur nicht ablenken lassen!

Die Fliehkräft­e des schweren SUVs zerren gewaltig an der Karosserie. Aber die Elektronik hat alles im Griff. Präzise lenkt der Cayenne ein, bissig schnappen die Bremsen zu – und die Drehmoment­verteilung zwischen den Achsen und den einzelnen Rädern geben dem Sportwagen im SUV-Format Agilität und Sicherheit zugleich. Um 17 Millimeter liegt der Turbo GT tiefer, auffällig ist die größere Spoilerlip­pe am Heck. Sie bringt 40 Kilogramm mehr Anpressdru­ck auf die Räder. Und das sind Hochleistu­ngspneus mit 22 Zoll und aus Gründen der Fahrstabil­ität mit zwei unterschie­dlichen Größen von 285/35 vorne und 315/30 hinten versehen.

Der satte Sound kommt aus den beiden mittig angeordnet­en matt silbrig glänzenden Rohren, eine Spezialanf­ertigung aus Titan. Extra für den Turbo GT. Und ohne Mittelscha­lldämpfer. Besonders cool sehen die Rohre aus, wenn sie heiß werden, dann verfärben sie sich blau. Ganz im Gegensatz zum unterkühlt­en Look steht der Klang der Auspuffanl­age: Fauchen, Röhren, Trompeten und Grollen. Ein feiner Vierklang, den es so nur noch in der Welt der Verbrenner gibt.

Doch zurück ins Jahr 2005, zurück zum Cayenne Turbo S. Wir schnappen uns den Schlüssel und steigen ein in die Vergangenh­eit. Wahnsinn, was in den letzten 16 Jahre passiert ist! Schon allein vom Design her. Zwar wirkt beim Turbo S auch nach so langer Zeit noch alles wertig, das Leder fühlt sich gut an, aber das Gestern lässt sich nicht verleugnen. Das Lenkrad zum Beispiel.

Im Vergleich zu heutigen Volants hat man hier den Eindruck, das Steuerrad einer antiken Fregatte in der Hand zu halten.

Schlüssel gedreht, Motor angeschmis­sen, gelauscht. Das bollert so schön aus den vier Auspuffroh­ren. Spiel mir das Lied vom Achtzylind­er. Zunächst fühlt sich der Youngtimer ein wenig klobig an, beim Tritt auf das Gaspedal wird er jedoch hellwach. Im Vergleich zu heute braucht der Porsche ein paar Wimpernsch­läge mehr, bevor er losgaloppi­ert. Aber wenn das Drehmoment von 720 NM erst voll zuschlägt, dann merkt man dem Turbo S seine Jahre gar nicht mehr an.

Das ist Sentimenta­lität, die Spaß macht. Natürlich kann der Oldie mit der jüngsten Generation insgesamt nicht mithalten. Eines haben sie jedoch gemeinsam: ein Achtzylind­er ist nicht zu schlagen. Höchstens von einem Zwölfzylin­der.

 ?? Foto: Porsche ?? Bitte nicht zu Hause nachmachen: Die Überpower eines Porsche Cayenne Turbo GT lässt sich nur auf einer abgesperrt­en Renn‰ strecke, hier der Gotland‰Ring, einmal wirklich ausleben.
Foto: Porsche Bitte nicht zu Hause nachmachen: Die Überpower eines Porsche Cayenne Turbo GT lässt sich nur auf einer abgesperrt­en Renn‰ strecke, hier der Gotland‰Ring, einmal wirklich ausleben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany