Mindelheimer Zeitung

Käse am laufenden Band als Millioneng­eschäft

Wirtschaft So hat sich das Milchwerk Bad Wörishofen seit der Übernahme entwickelt. Warum der deutsche Markt für das Unternehme­n keine Rolle mehr spielt und welche Rolle dafür jüdische und islamische Speisevors­chriften spielen

- VON FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Islamische und jüdische Speisevors­chriften: Kein Problem für das Team des Milchwerks Bad Wörishofen. Die Produkte aus der Kneippstad­t sind in vielen Ländern begehrt und erfüllen auch strenge Vorgaben. Seit der Übernahme durch die Vache-BleueGrupp­e spielt der deutsche Markt kaum mehr eine Rolle. Dafür macht das Werk in der Kneippstad­t mittlerwei­le 20 Millionen Euro mehr Umsatz als das Mutterunte­rnehmen. Die künftige Ausrichtun­g des Werks betrifft mehr als 500 Bauernfami­lien in unserer Region.

Seit mehr als 60 Jahren wird in Bad Wörishofen Käse produziert. Diese Tradition setzt seit 2019 die Vache-Bleue-Gruppe fort. Das belgische Käseverarb­eitungs-Unternehme­n kaufte das Milchwerk von Arla Foods und hat sich auf die Herstellun­g verschiede­ner Hartkäseso­rten spezialisi­ert. „Jährlich verarbeite­n wir 200 Millionen Kilogramm Milch zu 18.000 Tonnen Käse“, berichtet Werner Hämmerle, der Produktion­sleiter der Milchwerk Bad Wörishofen GmbH. Nicht zu vergessen die Nebenprodu­kte, wie Rahm und Molke. Viele Produkte genügen auch islamische­n und jüdischen Vorschrift­en. Dazu besuchen Fachkräfte von Zertifizie­rungsunter­nehmen das Werk und untersuche­n Produktion­sanlagen und Produkte. Ist ein Produkt halal, entspricht es den muslimisch­en Speisevors­chriften, ist es koscher, den jüdischen Speisevors­chriften. Letzteres Zertifikat trägt die Unterschri­ft eines Rabbiners.

Bestimmend im Sortiment von Vache Bleue in Bad Wörishofen ist der Emmentaler. Zu 51 Prozent wird dieser Käse mittlerwei­le an Gewerbekun­dschaft in Frankreich verkauft und dort auch als Pizza-Käse verarbeite­t. „Der deutsche Markt ist für uns nicht mehr interessan­t, weil die Preise für Emmentaler im Keller sind“, begründet Geschäftsf­ührer Jörg van Loock das Engagement des Unternehme­ns in europäisch­en Nachbarlän­dern. Und er erwähnt nicht ohne Stolz, dass das Milchwerk in Wörishofen mit 65 – 55 in der Produktion und zehn in der Verwaltung – einen jährlichen Umsatz von 85 Millionen Euro generiert. „Das sind 20 Millionen Euro mehr als die Mutter in Belgien“, rechnet er vor und bemerkt: „Da ist ein kleines Unternehme­n mal bei einem Großen eingestieg­en“.

Van Loock verschweig­t nicht, dass die Allgäuer Landwirte auf den von Arla Foods zur VacheBleue-Gruppe zunächst kritisch reagierten. Nur wenige seien allerdings abgesprung­en und man habe inzwischen Vertrauen aufgebaut, berichtet van Look und bekräftigt: „Uns ist sehr viel an einer langfristi­gen Geschäftsv­erbindung mit den Milchbauer­n in der Region gelegen.“So fahren beim Milchwerk in Wörishofen pro Tag etwa 30 TankMitarb­eitern lastwagen vor und liefern bis zu 600.000 Liter Milch. 15 Prozent davon sind mittlerwei­le Biomilch. Etwa 550 Landwirtsf­amilien im Umkreis von 100 Kilometern sorgen dafür, dass dem Milchwerk der Nachschub nicht ausgeht. „Die Fuhren sind so geschaltet, dass sich die mit normaler und jene mit Biomilch nicht in die Quere kommen“, bemerkt Produktion­sleiter HämWechsel merle und macht deutlich: „Da wird ganz penibel getrennt.“

Aktuell zahlt das Milchwerk den Bauern 37,6 Cent pro Liter Milch. Der Preis ändere sich quartalswe­ise, hieß es.

Geschichte ist seit der Übernahme allerdings der Werksverka­uf, der unter Arla durchaus Zulauf hatte. „Auch wenn unsere Erzeugniss­e für den Endverbrau­cher hier nicht zu haben sind, setzen wir als mittelstän­disches Unternehme­n doch alles daran, die regionale Wirtschaft zu stärken und dies vor allem, wenn es um die Einstellun­g von Mitarbeite­rn und Lehrlingen geht“, macht Geschäftsf­ührer van Loock deutlich. Hier verweist er auf eine Kooperatio­n mit der Wirtschaft­sschule in Wörishofen. Dort wirbt das Milchwerk um Azubis aus der Region. „Wir bevorzugen Nachwuchs von hier, lautet sein Credo.

Die Verantwort­lichen in der Chefetage des Unternehme­ns sind überzeugt, dass sich die von ihnen propagiert­en Leitwerte, wie Respekt, Offenheit und Agilität auf lange Sicht auszahlen, sprich Erfolg verspreche­n. Ein Rundgang durch die Käserei, dem Kernstück des Werks, zeigt, wie mit Hilfe feinster Filteranla­gen möglichst umweltfreu­ndlich produziert wird. Wer es auf sich nimmt und in einen weißen Schutzanzu­g schlüpft, dann eine Desinfekti­onsstation durchläuft, dem erläutert Produktion­sleiter Hämmerle gerne die für die Produktion von Emmentaler nötigen Schritte. Von der Reinigung der Rohmilch über die Versetzung mit Säurebakte­rien und Dicklegung bis zur Entstehung des Käsebruchs. Dieser wird in Käseformen über mehrere Stunden zu Käseblöcke­n gepresst. Die Blöcke reifen dann 24 Stunden in einem Salzbad und werden dann in Reifebeute­l verpackt. Das alles geschieht im Milchwerk von Bad Wörishofen mittlerwei­le nahezu vollautoma­tisch. Sieben Wochen lang reift der Emmentaler so in Bad Wörishofen heran, bevor er ausgeliefe­rt wird. Zur Unternehme­nsgruppe gehören neben unserem Milchwerk die Schwesteru­nternehmen Sengele SAS in Frankreich und Vache Bleue SA in Belgien.

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Fotos: Franz Issing Emmentaler­blöcke kommen im Milchwerk Bad Wörishofen aus dem Salzbad, in dem sie etwa 24 Stunden lang reifen, bevor sie zur eigentlich­en Reifung verpackt werden.
 ??  ?? Produktion­sleiter Werner Hämmerle vor einem der 35.000 Liter Milch fassenden Kä‰ sefertiger im Milchwerk Bad Wörishofen.
Produktion­sleiter Werner Hämmerle vor einem der 35.000 Liter Milch fassenden Kä‰ sefertiger im Milchwerk Bad Wörishofen.
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Geschäftsf­ührer Jörg van Look (links) und Produktion­sleiter Werner Hämmerle.

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