Käse am laufenden Band als Millionengeschäft
Wirtschaft So hat sich das Milchwerk Bad Wörishofen seit der Übernahme entwickelt. Warum der deutsche Markt für das Unternehmen keine Rolle mehr spielt und welche Rolle dafür jüdische und islamische Speisevorschriften spielen
Bad Wörishofen Islamische und jüdische Speisevorschriften: Kein Problem für das Team des Milchwerks Bad Wörishofen. Die Produkte aus der Kneippstadt sind in vielen Ländern begehrt und erfüllen auch strenge Vorgaben. Seit der Übernahme durch die Vache-BleueGruppe spielt der deutsche Markt kaum mehr eine Rolle. Dafür macht das Werk in der Kneippstadt mittlerweile 20 Millionen Euro mehr Umsatz als das Mutterunternehmen. Die künftige Ausrichtung des Werks betrifft mehr als 500 Bauernfamilien in unserer Region.
Seit mehr als 60 Jahren wird in Bad Wörishofen Käse produziert. Diese Tradition setzt seit 2019 die Vache-Bleue-Gruppe fort. Das belgische Käseverarbeitungs-Unternehmen kaufte das Milchwerk von Arla Foods und hat sich auf die Herstellung verschiedener Hartkäsesorten spezialisiert. „Jährlich verarbeiten wir 200 Millionen Kilogramm Milch zu 18.000 Tonnen Käse“, berichtet Werner Hämmerle, der Produktionsleiter der Milchwerk Bad Wörishofen GmbH. Nicht zu vergessen die Nebenprodukte, wie Rahm und Molke. Viele Produkte genügen auch islamischen und jüdischen Vorschriften. Dazu besuchen Fachkräfte von Zertifizierungsunternehmen das Werk und untersuchen Produktionsanlagen und Produkte. Ist ein Produkt halal, entspricht es den muslimischen Speisevorschriften, ist es koscher, den jüdischen Speisevorschriften. Letzteres Zertifikat trägt die Unterschrift eines Rabbiners.
Bestimmend im Sortiment von Vache Bleue in Bad Wörishofen ist der Emmentaler. Zu 51 Prozent wird dieser Käse mittlerweile an Gewerbekundschaft in Frankreich verkauft und dort auch als Pizza-Käse verarbeitet. „Der deutsche Markt ist für uns nicht mehr interessant, weil die Preise für Emmentaler im Keller sind“, begründet Geschäftsführer Jörg van Loock das Engagement des Unternehmens in europäischen Nachbarländern. Und er erwähnt nicht ohne Stolz, dass das Milchwerk in Wörishofen mit 65 – 55 in der Produktion und zehn in der Verwaltung – einen jährlichen Umsatz von 85 Millionen Euro generiert. „Das sind 20 Millionen Euro mehr als die Mutter in Belgien“, rechnet er vor und bemerkt: „Da ist ein kleines Unternehmen mal bei einem Großen eingestiegen“.
Van Loock verschweigt nicht, dass die Allgäuer Landwirte auf den von Arla Foods zur VacheBleue-Gruppe zunächst kritisch reagierten. Nur wenige seien allerdings abgesprungen und man habe inzwischen Vertrauen aufgebaut, berichtet van Look und bekräftigt: „Uns ist sehr viel an einer langfristigen Geschäftsverbindung mit den Milchbauern in der Region gelegen.“So fahren beim Milchwerk in Wörishofen pro Tag etwa 30 TankMitarbeitern lastwagen vor und liefern bis zu 600.000 Liter Milch. 15 Prozent davon sind mittlerweile Biomilch. Etwa 550 Landwirtsfamilien im Umkreis von 100 Kilometern sorgen dafür, dass dem Milchwerk der Nachschub nicht ausgeht. „Die Fuhren sind so geschaltet, dass sich die mit normaler und jene mit Biomilch nicht in die Quere kommen“, bemerkt Produktionsleiter HämWechsel merle und macht deutlich: „Da wird ganz penibel getrennt.“
Aktuell zahlt das Milchwerk den Bauern 37,6 Cent pro Liter Milch. Der Preis ändere sich quartalsweise, hieß es.
Geschichte ist seit der Übernahme allerdings der Werksverkauf, der unter Arla durchaus Zulauf hatte. „Auch wenn unsere Erzeugnisse für den Endverbraucher hier nicht zu haben sind, setzen wir als mittelständisches Unternehmen doch alles daran, die regionale Wirtschaft zu stärken und dies vor allem, wenn es um die Einstellung von Mitarbeitern und Lehrlingen geht“, macht Geschäftsführer van Loock deutlich. Hier verweist er auf eine Kooperation mit der Wirtschaftsschule in Wörishofen. Dort wirbt das Milchwerk um Azubis aus der Region. „Wir bevorzugen Nachwuchs von hier, lautet sein Credo.
Die Verantwortlichen in der Chefetage des Unternehmens sind überzeugt, dass sich die von ihnen propagierten Leitwerte, wie Respekt, Offenheit und Agilität auf lange Sicht auszahlen, sprich Erfolg versprechen. Ein Rundgang durch die Käserei, dem Kernstück des Werks, zeigt, wie mit Hilfe feinster Filteranlagen möglichst umweltfreundlich produziert wird. Wer es auf sich nimmt und in einen weißen Schutzanzug schlüpft, dann eine Desinfektionsstation durchläuft, dem erläutert Produktionsleiter Hämmerle gerne die für die Produktion von Emmentaler nötigen Schritte. Von der Reinigung der Rohmilch über die Versetzung mit Säurebakterien und Dicklegung bis zur Entstehung des Käsebruchs. Dieser wird in Käseformen über mehrere Stunden zu Käseblöcken gepresst. Die Blöcke reifen dann 24 Stunden in einem Salzbad und werden dann in Reifebeutel verpackt. Das alles geschieht im Milchwerk von Bad Wörishofen mittlerweile nahezu vollautomatisch. Sieben Wochen lang reift der Emmentaler so in Bad Wörishofen heran, bevor er ausgeliefert wird. Zur Unternehmensgruppe gehören neben unserem Milchwerk die Schwesterunternehmen Sengele SAS in Frankreich und Vache Bleue SA in Belgien.